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Kommentar Schottische Lehren für die Eurozone

Stimmen die Schotten für die Unabhängigkeit, stellt sich die Währungsfrage. Wenn sie sich vom britischen Pfund lösen, wäre das auch ein Expempel für den Ausstieg eines Landes aus der Eurozone. Von Brigitte Granville
Am 18. September stimmen die Schotten über ihre Unabhängigkeit ab
Am 18. September stimmen die Schotten über ihre Unabhängigkeit ab
© Scottish Government

Brigitte Granville ist Professorin für international Wirtschaft und Wirtschaftspolitik an der Queen Mary University of London und Autorin von Remembering Inflation.

Was ist wahrscheinlicher? Dass die Schotten im September bei der Volksbefragung dafür stimmen, das Vereinigte Königreich zu verlassen, oder dass dieses Jahr mindestens ein Land die Eurozone verlässt? Die gängige Meinung ist, dass die schottische Unabhängigkeit möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich ist, während es sehr unrealistisch ist, dass ein Land die Eurozone verlässt.

Aber Entscheidungen, die Schottland in den Monaten nach seiner Unabhängigkeit hinsichtlich seiner Währung treffen müsste, werden in den nächsten beiden Jahren auch auf einige Länder der Eurozone zukommen. Die beiden Situationen sind sich nicht unähnlich.

Sollte ein unabhängiges Schottland weiterhin das Englische Pfund nutzen, was die offizielle Position der schottischen Regierung ist, gibt es zwei Optionen. Die erste, die der Erste Minister Alex Salmond offenbar bevorzugt, ist eine Währungsunion zwischen Schottland und dem verbleibenden Vereinigten Königreich mit einer gemeinsamen Zentralbank.

Die britische Regierung könnte - und würde zweifellos – ihr Veto gegen eine solche Änderung der Verantwortlichkeiten der Bank of England für Währungspolitik, Finanzstabilität und Bankenaufsicht einlegen. Auch jede andere Form einer Währungsunion – auch auf Grundlage einer Zentralbank, die so wenig rechenschaftspflichtig wäre wie die Europäische Zentralbank – würde genauso durchfallen. Wie der Journalist Martin Wolf vor kurzem schrieb, „ist der Rest des Vereinigten Königreichs dem Horror der Eurozone sicherlich nicht entgangen, nur um zuhause ein ähnliches Szenario zu schaffen“.

Geldpolitische Abhängigkeit

Die Alternative zu einem vollständig souveränen Schottland wäre, das Pfund weiterhin zu verwenden ohne Einfluss auf Zinssätze oder Wechselkurs. Das ist der Weg, den der Freistaat Irland (später die Republik Irland) gegangen ist, der jahrzehntelang das an das Pfund Sterling gekoppelte „irische Pfund“ (das Punt) verwendete. Selbst wenn das Vereinigte Königreich damit nicht einverstanden wäre, könnte es Schottland nicht daran hindern, diesen Weg zu gehen – genauso wie die EU es zwar bedauert aber nicht verhindern kann, dass Montenegro den Euro unilateral als Fremdwährung übernommen hat.

Die Entscheidung hätte einen erheblichen politischen Nachteil: Die gerade errungene schottische Unabhängigkeit würde gleich wieder verwässert. Die wirtschaftlichen Konsequenzen wären gemischt. Sich die Glaubwürdigkeit einer etablierten Währungsautorität zu borgen – besonders wenn diese Autorität eine globale Reservewährung emittiert – wäre taktisch vorteilhaft für ein Schottland kurz nach der Unabhängigkeit, aber die neue Währung wäre wegen der expansiven Geldpolitik der Bank of England dem Risiko eines Inflationsschocks und einer Sterlingkrise ausgesetzt.

Aus fiskalischer Perspektive ist der Fall ähnlich zwiespältig. Der Zinsbonus, den der Markt unweigerlich von einem jungen Staat wie Schottland verlangen würde, könnte niedrig gehalten werden, indem Anleihen in Sterling emittiert werden, wodurch Investoren vor zusätzlichen Abwertungsrisiken geschützt würden. Andererseits würde Schottland ohne eine eigene Notenbank mit Emissionswährung auf Geldschöpfungsgewinne verzichten (Gewinne aus Operationen einer Zentralbank, die normalerweise dem eigenen Fiskus zugutekommen). Noch wichtiger wäre vielleicht der Umstand, dass es keine Kredite einer Zentralbank geben würde, die das Banken- und Finanzsystem in einer Krise stabilisieren könnten.

Vorteile einer eigenen Währung

Alles in allem wäre ein unabhängiges Schottland am besten beraten, wenn es von Anfang an seine eigene nationale Währung herausgäbe und der National Bank of Scotland die Befugnisse übertrüge, die Zinssätze an die wirtschaftlichen Bedingungen des Landes anzupassen. Durch die dadurch entstandene Wechselkursflexibilität würde dieser Ansatz auch die Zentralbank befähigen, den beiden Risiken einer Währungsunion zu entgehen: Unterbewertung, die Inflationsdruck erzeugt und Überbewertung, denen interne Abwertungen folgen (was wiederum die Reallöhne sinken lässt).

Um sich ein Bild davon zu machen, wie schwierig das sein kann, genügt ein Blick auf die Eurozone. Die Qual der internen Abwertungen der schwächeren Volkswirtschaften in der Währungsunion treibt Wähler und Finanzmärkte gleichermaßen zu der Forderung nach Wiedereinführung nationaler Währungen – ein Trend, der sich bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai durchaus zuspitzen kann.

Italien ist der wahrscheinlichste Kandidat für einen Ausstieg aus der Eurozone, obwohl ein politischer Schock auch Frankreich dazu bewegen könnte, mit Deutschland über die Auflösung der Währungsunion zu verhandeln. Aber unabhängig davon, wer zuerst geht, jedes Land, das den Euro wieder gegen die alte Währung eintauscht, müsste, genau wie ein unabhängiges Schottland, das richtige Maß an Wechselkursflexibilität bestimmen.

Das slowakische Beispiel

Ein vollständig freigegebener Wechselkurs zum Beispiel wäre zwar eine vorteilhafte Kombination aus Disziplin und Flexibilität, in der Übergangsphase sollte jedoch eine Gleitparität zu einigen Ankerwährungen aufgebaut werden. Dadurch würde man Zeit gewinnen, Glaubwürdigkeit aufzubauen und, wichtiger noch, die öffentliche Verschuldung unter Kontrolle halten.

Ein aufschlussreicher Fall ist die Slowakei, deren sanfte Trennung von der Tschechischen Republik Anfang 1993 zur Schaffung einer neuen Staatswährung führte. Die slowakische Krone wurde zwischen vorher festgelegten Leitkursen und mit Zielparitäten zur Deutschen Mark und US-Dollar gehalten, bevor sie 1998 vollständig freigegeben wurde.

Die Slowakei hat zudem, anders als ihre Nachbarn in der Region, ihre rechtlichen Verpflichtungen zum Eintritt in die Eurozone erfüllt – eine Verpflichtung, die ein unabhängiges Schottland auch eingehen müsste, wenn es, wie erwartet, die Mitgliedschaft in der EU beantragt. Aber die Regierung eines unabhängigen Schottlands könnte versuchen, eine Ausnahme von dieser Regel auszuhandeln – und sich damit einreihen in die große Gruppe anderer europäischer Länder, die einen Weg aus der großen Blamage suchen, als die sich die europäische Währungsunion herausgestellt hat.

Aus dem Englischen von Eva Göllner

Copyright: Project Syndicate, 2014. 
www.project-syndicate.org

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