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Fleischersatz Rügenwalder Mühle: Die erstaunliche Wandlung eines Wurstherstellers

Firmenzentrale von Rügenwalder Mühle in Bad Zwischenahn
Die Firmenzentrale in Bad Zwischenahn, schon draußen riecht es nach Wurst
© Roman Pawlowski
Rügenwalder Mühle macht inzwischen mehr Umsatz mit vegetarischen Produkten als mit Fleisch. Nun wird der Mittelständler aus dem Ammerland von einer Kölner Familienholding übernommen

Rügenwalder Mühle, traditionsreicher Wursthersteller und seit einigen Jahren zugleich Marktführer für vegetarische Fleischalternativen, wird verkauft: Die Lebensmittelholding rund um den Kölner Zuckerhersteller Pfeifer & Langen soll die Mehrheit bei Rügenwalder übernehmen. Helfen soll der Deal beim internationalen Wachstum des Mittelständlers aus dem Ammerland, so die Unternehmen. Die wechselvolle Geschichte der Rügenwalder Mühle beschrieb Capital schon Anfang 2023.

Michael Hähnel soll jetzt eigentlich kurz mal stillhalten, nur fürs Foto, aber das fällt ihm schwer. Schließlich will er schnell noch von seinen Tennislehrerjobs während des BWL-Studiums erzählen. Vorher ging es schon um seinen verstorbenen Hund und das Leben in Griechenland. Als Tennislehrer kann man sich Hähnel gut vorstellen. Er ist ein offener Typ, der schnell einen guten Draht zu anderen Menschen hat, das sagt er auch selbst über sich. Und er passt damit ziemlich gut zu der Marke, die er vertritt. Hähnel ist der Mann, der mit jedem kann – und Rügenwalder die Marke, die für alle geht: Fleischesser, Veganer und alle dazwischen.

Michael Hähnel
Seit drei Jahren leitet Michael Hähnel die Rügenwalder Mühle
© Roman Pawlowski

Seit Januar 2020 ist Michael Hähnel, 56, Geschäftsführer der Rügenwalder Mühle: Mittelständler aus Bad Zwischenahn, Ammerland, 850 Mitarbeiter, seit sieben Generationen im Fleisch- und Wurstwarengeschäft. Doch die erstaunlichste Geschichte dieser langen Historie trug sich unmittelbar vor Hähnels Start dort zu: Die Wandlung des Wurstherstellers zum deutschen Marktführer für vegetarische Fleischalternativen. 2014 brachte die Rügenwalder Mühle, bis dahin für Tee- und Leberwurst bekannt, die ersten vegetarischen Produkte auf den Markt. Ein Experiment. Bei gerade einmal 0,3 Prozent der Gesamtproduktion lag das vegetarische Programm damals.

Doch schon 2021 setzte das Unternehmen plötzlich mit vegetarischen und veganen Produkten mehr um als mit jenen aus Fleisch. Heute sind Mortadella aus Sonnenblumenkernen, Mettwurst aus Erbsen und Soja-Frikadellen im Sortiment – neben Altbewährtem wie Schweine-Mettwurst und Geflügel-Mortadella.

Die zweite Stufe

Rügenwalder hat es geschafft, die Pflanzenwurst aus der Öko-Ecke zu holen, ein Erfolg, mit dem kaum einer gerechnet hatte. „Die Rügenwalder Mühle war der Pionier, hat die Zeichen der Zeit und das Marktpotenzial früh erkannt“, sagt Cyriacus Schultze von der Lebensmittelberatung Food and Wine Culture.

Unternehmen

1834 eröffnet Carl Müller im pommerschen Rügenwalde eine Fleischerei. Nach dem Zweiten Weltkrieg flieht die Familie nach Niedersachsen, eine der Töchter heiratet in die Familie Rauffus ein. In den 90er-Jahren übernimmt Christian Rauffus; die Rügenwalder Mühle wird deutschlandweit bekannt und vollzieht die Veggie-Wende. Sohn Gunnar leitet heute den Aufsichtsrat, seit 2020 ist Michael Hähnel CEO des 850-Mitarbeiter-Unternehmens.

Nun aber steht die zweite Stufe der Verwandlung an. „Ich bin mir sicher, dass wir als Unternehmen die große Transformation noch vor uns haben“, sagt Hähnel. Acht Jahre nach dem Veggie-Aufbruch ist die Welt eine andere. Immer mehr Menschen reduzieren ihren Fleischkonsum – oder entsagen ihm gleich ganz. Laut dem Allensbach-Institut wächst die Zahl der Vegetarierinnen und Veganer in Deutschland kontinuierlich.

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