Droht Nachhaltigkeit zum hohlen Buzzword zu verkommen? Etliche Unternehmen schreiben sich das Streben nach Klimaschutz und gegen die Verschwendung von Ressourcen auf die Fahnen. Eine CO2-Bilanz lässt sich aber relativ leicht durch Investitionen in Aufforstungsprojekte schön rechnen, Plastikverpackungen sind ohne grundlegende Umbrüche durch umweltfreundlichere Alternativen ersetzbar. Wie hingegen mit Mitarbeitern umgegangen wird, steht dabei manchmal auf einem ganz anderen Blatt.
Die nachhaltigsten Unternehmen der Welt
Das „Wall Street Journal“ wollte herausfinden, welche Firmen weltweit am nachhaltigsten geführt werden. Dazu wurden den Angaben zufolge über 5500 börsennotierte Unternehmen anhand von bis zu 165 Faktoren aus diesen Bereichen untersucht :
- Umwelt
- Beschäftigte (Mitarbeiter und Arbeitsplatz)
- soziales Kapital (externe soziale Themen und Aspekte zu den Produkten, zum Beispiel erschwingliche Preise)
- Geschäftsmodell & Innovation
Die Analysten bewerteten laut dem WSJ die jeweiligen Leitlinien, Initiativen und tatsächliche Leistungen der Firmen. Die Daten stammten den Angaben zufolge von den Unternehmen selbst oder aus über 8000 Medienquellen. Die Ergebnisse wurden im Oktober 2020 veröffentlicht.
Dies sind laut dem Ranking die am nachhaltigsten geführten Unternehmen der Welt.
Top 10 der nachhaltig geführten Firmen weltweit
Japan ist berüchtigt für unmenschlich lange Arbeitszeiten. Der Kunststoffhersteller Sekisui Chemical mit Sitz in Tokio hat sich laut dem „Wall Street Journal“ verpflichtet, die durchschnittliche Jahres-Arbeitszeit bis Ende 2020 auf unter 2000 Stunden zu senken. Das würde bei einer Fünf-Tage-Woche knapp acht Stunden täglich entsprechen. Sekisui Chemical landete deshalb in der „Humankapital“-Kategorie unter den mehr als 5500 untersuchten Unternehmen auf Platz vier. Deutlich schlechter schnitt der japanische Konzern beim sozialen Kapital (Platz 89), Umweltfaktoren (38) und Geschäftsmodell & Innovation (30) ab.
Europa ist laut dem WSJ-Ranking beim nachhaltigen Management führend. Jedes zweite Unternehmen der Top 10 stammt von dem Kontinent. Den Anfang macht Georg Fischer aus der Schweiz. Das 1802 gegründete Industrieunternehmen belegte beim Umgang mit den Mitarbeitern Platz sieben, bei Geschäftsmodell & Innovation reichte es für Rang zwölf. Weniger positiv fiel das Urteil bei den Umweltfaktoren (48) und den externen sozialen Fragen (82) aus.
Die Arbeitswelt in den USA wird von Extremen geprägt. Mitglieder mächtiger Gewerkschaften genießen strikten Arbeitsschutz, während in weiten Teilen der Wirtschaft eine Hire-and-Fire-Mentalität vorherrscht. Zwei US-Konzerne wurden vom „Wall Street Journal“ in die weltweite Spitzengruppe gewählt. Hewlett-Packard sicherte sich Platz acht mit guten Ergebnissen in den Bereichen „Geschäftsmodell & Innovation“ (Platz elf), „soziales Kapital“ (22) und „Humankapital“ (23). Bei Bemühungen um den Umweltschutz reichte es nur für Platz 79.
Ausgerechnet der Umweltschutz ist bei den bislang vorgestellten Unternehmen im Nachhaltigkeits-Ranking des WSJ ein Schwachpunkt. Ganz anders sieht das Bild bei Meliá Hotels International auf Platz sieben aus. Die spanische Hotelkette konnte in der Umweltkategorie weltweit ebenfalls Platz sieben erzielen. In allen anderen Bereichen reichte es maximal für Platz 36.
China sucht man in den Top 10 der besonders nachhaltig geführten Unternehmen vergeblich. Zwei asiatische Industrienationen konnten sich in der Spitzengruppe platzieren. Neben Japan war das Korea mit LG Electronics. Der Elektronikhersteller punktete mit Platz vier im Bereich „Geschäftsmodell & Innovation“ und Platz 16 beim sozialen Kapital. Verbesserungsbedarf gibt es laut den Analysten hingegen beim Arbeitsumfeld (Platz 67) und dem Umweltschutz (89).
Beim Stromanbieter Iberdrola zeigt sich: In dem WSJ-Ranking fällt das abschließende Urteil oft besser aus als die Bewertung der einzelnen Kategorien. Der spanische Konzern, der auch in Deutschland grünen Strom anbietet, lag in allen vier Bereichen zwischen Platz 17 und Platz 82.
Die Merck KGaA ist nach Ansicht des WSJ des am nachhaltigsten geführte börsennotierte Unternehmen in Deutschland. Kein Konzern weltweit schnitt beim sozialen Kapital besser ab als der Chemie- und Pharmakonzern aus Darmstadt. Beim Arbeitsumfeld kam Merck auf Platz 28, bei „Geschäftsmodell & Innovation“ auf Platz 49. Im Umweltbereich langte es nur für Rang 80.
Cisco Systems will laut dem Bericht die Emissionen der Lieferkette um 30 Prozent senken. 80 Prozent der Zulieferer müssten deshalb bis 2025 entsprechenden Zielvorgaben zustimmen. Das Telekommunikationsunternehmen, das unter anderem Router und Verteiler herstellt, will zudem stärker auf Recycling und eine längere Lebensdauer seiner Produkte setzen. Das brachte Cisco im Bereich „Geschäftsmodell & Innovation“ Platz fünf ein. In den anderen Kategorien lag der US-Konzern zwischen Platz 32 und Platz 70.
Schonender Umgang mit Ressourcen bedeutet bei Philips nicht nur Recycling. Der Hersteller von Geräten aus den Bereichen Haushalt und Gesundheitstechnologie mit Sitz in Amsterdam nimmt laut dem Bericht fast jedes Medizingerät zurück, überholt es und verkauft es zu einem günstigen Preis. Dies führte in der Kategorie „soziales Kapital“ weltweit zu Platz vier. Beim Arbeitsumfeld reichte es für Philips hingegen nur für Platz 82.
Kein börsennotiertes Unternehmen wird laut dem „Wall Street Journal“ nachhaltiger geführt als Sony. Der japanische Elektronikkonzern versteht Nachhaltigkeit laut dem dafür zuständigen Manager Shiro Kambe als inhärenten Auftrag. „Der Planet und die Gesellschaft müssen nachhaltig und gesund sein, damit wir diese Art von Geschäft fortführen können. Andernfalls fehlt Sony die Existenzgrundlage“, sagte er dem Blatt. Sonys beste Platzierung war der siebte Rang im Bereich „Geschäftsmodell & Innovation“. Beim Arbeitsumfeld und dem sozialen Kapital platzierte sich das Unternehmen in den Top 20. Die Bemühungen um den Umweltschutz reichten nur für Platz 74.