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Volkswagen Oliver Blume wickelt Herbert Diess ab

VW-Chef Oliver Blume
VW-Chef Oliver Blume kassiert die Pläne seines Vorgängers ein
© picture alliance/dpa | Annette Riedl
Der neue VW-Chef kippt reihenweise Pläne seines Vorgängers. Mit einschneidenden Folgen vor allem für den Stammsitz Wolfsburg

Als Oliver Blume im Herbst seinen neuen Posten an der Spitze des VW-Konzerns antrat, da kam er zwar aus Stuttgart – als Porsche-Chef, was er jetzt nebenbei immer noch ist. Aber Blume hat viel Mühe darauf verwendet, seine Nähe zu Wolfsburg zu betonen: Dass er gleich nebenan (in Braunschweig) geboren und aufgewachsen ist und studiert hat und dass er einige Jahre in der VW-Zentrale gearbeitet hat. Wolfsburg hat für das Selbstverständnis des Autokonzerns eine immens wichtige Bedeutung, besonders für die Belegschaft am Stammwerk, die wiederum die wichtigste Stütze der Macht von Betriebsratschefin Daniela Cavallo ist.

Lange Zeit wurde Blumes Vorgänger Herbert Diess verdächtigt, dass er Wolfsburg schwächen und das große Stammwerk im Zuge der Elektrifizierung des Autos langsam aushungern wolle. Dieser Verdacht war Antreiber von Diess‘ Fehde mit Cavallos Arbeitnehmerlager. Blumes Vorgänger konnte den Riss erst kitten, indem er Wolfsburg eine ganz neue Fabrik versprach. Sie sollte in den kommenden zwei Jahren neben dem Stammwerk hochgezogen werden, auf der grünen Wiese, aber als Versprechen an die Wolfsburger Belegschaft, dass sie auch in der elektrischen Zukunft von Volkswagen weiter Arbeit haben werde.

Das neue Werk sollte eine reale Vision werden, besser und produktiver als Elon Musks Tesla-Fabrik und das trotz des üppigen VW-Haustarifs, den auch Diess nicht beseitigen konnte. Dazu kam, dass die Wunderfabrik auch ein Wunderauto bauen sollte, das – wenn es nach den Planern geht – den Kern der goldenen Elektrozukunft des Herstellers bilden wird. Es wurde Trinity genannt, es soll autonom fahren, die neue selbstgefertigte hauseigene Batteriezelle unter dem Boden haben, es soll von der neuen großen Zentralsoftware der digitalen Konzern-Hoffnungs-Einheit Cariad gesteuert werden und schließlich die neue technische Plattform SSP in Serie bringen. Schon 2026 sollte das Wunderauto auf den Markt kommen.

Blume schiebt die ambitionierten Pläne auf die lange Bank

Unter Blume steht das nun alles auf der Kippe: Die neue Fabrik, das neue Auto in vier Jahren, die Zentralsoftware und auch die Einführung der Plattform. Das „Manager Magazin“ berichtete am Donnerstag, der Werkneubau (der Anfang 2023 starten solle) stehe vor dem Aus. Das Trinity-Auto, die Zentralsoftware und die SSP-Plattform werden weit nach hinten verschoben, sie könnten unter Umständen erst 2030 starten.

Und solange will sich Blume mit aufgehübschten Autos auf der bestehenden MEB-Plattform (Modularer Elektroantriebs-Baukasten) behelfen, also verbesserten Versionen der derzeitigen Elektroflaggschiffe ID.3 und ID.4. Diese sollen auch das (alte) Wolfsburger Werk halbwegs auslasten. Obwohl diese Fahrzeuge intern als produktionstechnisch und -ökonomisch unbefriedigend gelten, müssen sie also noch bis Ende des Jahrzehnts weiterlaufen. Ebenso wie die bestehende Softwaresteuerung, die etwa für Assistenzsysteme und Bord-Entertainment zuständig ist. Auch sie soll ertüchtigt werden, dass es bis 2030 halbwegs reicht.

Angesichts von Entwicklungsverzögerungen und Kosten, die aus dem Ruder laufen, scheint eine solche Entscheidung logisch. Andererseits würde Blume damit auch das Versprechen seines Vorgängers kassieren, dass VW mittelfristig zum E-Auto-Pionier Tesla aufschließen könnte. Mit diesem Versprechen hatte Diess viel (Börsen-)Phantasie geweckt.

Der mächtige Betriebsrat ist alarmiert

Der Konzern selbst verschickte eine Stellungname von Blume und VW-Markenchef Thomas Schäfer an Mitarbeiter, die sich als verklausulierte Bestätigung lesen lässt: „Wir nutzen aktuell die Gelegenheit, alle Projekte und Investitionen anzuschauen und auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen“, hieß es da. In dem Brief heißt es auch, dass die neuen Chefs auf die Sicherung der Arbeitsplätze achten würden. Eine Bemerkung, die die Beschäftigten und ihre mächtigen Vertreter kaum beruhigen dürfte.

Derzeit läuft das Wolfsburger Stammwerk nur mit gut der Hälfte seiner Kapazität, ein Umstand, den Cavallo mehrfach als unhaltbar gegeißelt hatte. Das neue Werk wurde als Versprechen auf die Zukunft gesehen, dass die alte Wolfsburger Konzernherrlichkeit auch in der elektrischen Auto-Zukunft bestehen könne. Dieses Versprechen wird seinen Wert verlieren, wenn Blume nun den Rückwärtsgang einlegt. Mit ungemütlichen Folgen. Da wird Blume dann auch seine gern betonte niedersächsische Herkunft nichts mehr helfen.

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