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Kommentar Nicht nur investieren - auch reformieren

Ohne Strukturreformen werden Investitionen wirkungslos verpuffen. Von Stefan Bielmeier
Auch im Maschinenbau waren die Aussichten schon mal besser
Auch im Maschinenbau waren die Aussichten schon mal besser
© Getty Images

Stefan Bielmeier ist Chefvolkswirt der DZ Bank

Die konjunkturellen Aussichten haben sich über die Sommermonate verdüstert. Plötzlich ist die Angst vor einem erneuten Rückfall in die Rezession wieder da – in Deutschland wie im gesamten Euroraum. Wer wie selbstverständlich davon ausgeht, dass Deutschland gut gerüstet ist, könnte sich täuschen. Denn viel zu lange haben wir uns nur auf den Erfolgen der Reformen der rot-grünen Regierung Gerhard Schröders ausgeruht. Schlimmer noch: Unter der aktuellen Großen Koalition sind sogar manche der damaligen Veränderungen zurückgedreht worden. Uns bleibt nur wenig Zeit, das Schlimmste abzuwenden – mit einem vernünftigen Einsatz der Haushaltspolitik.

Wie anfällig die europäische Konjunktur ist, lässt sich momentan in Deutschland aus der Nähe beobachten. Nach einer Konjunkturerholung 2013 und auch noch einem guten Start in das Jahr 2014 ist seit dem Sommer die wirtschaftliche Dynamik fast zum Erliegen gekommen. Die Ukraine-Russland-Krise und die Beunruhigung über andere weltpolitische Risiken – Stichworte „Islamischer Staat“ und „Ebola“ – haben dabei sicher eine Rolle gespielt. Plötzlich steht Deutschland im dritten Quartal vor einer Rezession, jedenfalls im technischen Sinne von zwei aufeinanderfolgenden Negativquartalen. Das verheißt nichts Gutes für die konjunkturelle Entwicklung im Euroraum. Denn Deutschland war in den letzten Quartalen die Euro-Wachstumslokomotive.

Die Arbeitslosigkeit ist in vielen EWU-Ländern weiterhin erschreckend hoch, insbesondere bei jungen Menschen. Es wird nach einem europaweiten Beschäftigungsprogramm gerufen, auch um den Druck von den nationalen Regierungen zu nehmen. Aber die Forderungen gehen jetzt darüber hinaus und richten sich auf ausgedehnte Fiskalprogramme – so sollen die öffentlichen Investitionen erhöht werden.

Notenbanken können nur Zeit kaufen

Wie konnte es so weit kommen? Haben nicht die Zentralbanken ihr Mandat bis an die Grenzen ausgereizt? Nach ersten Erfolgen zeigt sich nun, dass sich mit der Geldpolitik die Probleme, die das Wachstum behindern, nicht lösen lassen. Einige Regierungen lernen gerade aus eigener Erfahrung: Die Notenbanken können letztlich nur etwas Zeit erkaufen, um die notwendigen strukturellen Reformen auf den Weg zu bringen und umzusetzen.

Die Notenbanken stoßen mit ihrer Politik nun an Grenzen. Die Effektivität der geldpolitischen Maßnahmen lässt nach. Und in der Fiskalpolitik sind den Ländern im Euroraum durch den Maastricht-Vertrag feste Leitplanken gesetzt – auch wenn dieser Hinweis derzeit nicht populär sein mag. Es wird von vielen Seiten gefordert, dass sich die wirtschaftlich und finanziell vergleichsweise starken Länder – insbesondere Deutschland – bei europaweiten Programmen stärker engagieren sollen.

Doch können höhere öffentliche Investitionen das Wirtschaftswachstum nachhaltig steigern? Nur dann wären sie sinnvoll. In der Vergangenheit hatten solche Programme unterschiedliche Erfolge. Das bekannteste Negativbeispiel ist wohl Japan, wo seit nunmehr 20 Jahren durch wiederholte Konjunkturprogramme versucht wird, die Wachstumsdynamik nachhaltig zu erhöhen. Der Erfolg blieb aus, und das einzige bleibende Ergebnis dieser Bemühungen ist eine Staatsverschuldung, die mittlerweile bei 250 Prozent des Bruttoinlandprodukts liegt.

Strukturreformen anstoßen

Wenn man nun im Euroraum zu diesem Instrument greifen würde, wie wären die Erfolgsaussichten? Zu Beginn dürfte es insgesamt zu einem positiven konjunkturellen Impuls kommen. Die Nachhaltigkeit hängt jedoch stark von den Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern ab. Fiskalprogramme sind in denjenigen Ländern sinnvoll, in denen das strukturelle Umfeld den Anforderungen der globalisierten Welt entspricht. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass der fiskalische Impuls verpufft.

Und in Deutschland? Wir waren schon einmal besser für harte Zeiten gerüstet.

Die zentrale Maßgabe lautet, öffentliche Mittel so einzusetzen, dass sie mit größter Effizienz und langfristig wirken. Und das wäre dann der Fall, wenn der fiskalische Impuls zugleich strukturelle Reformen anstößt. Anders ausgedrückt: Europaweite fiskalische Programme sollten dezidiert dafür eingesetzt werden, um die anfänglich unvermeidlich negativen konjunkturellen Effekte von Strukturreformen abzufedern. Dann könnten sie den Regierungen etwas von ihrer Furcht vor diesen Reformen nehmen. Und auch gegenüber der Öffentlichkeit könnte das Junktim zwischen Anstrengung (kurzfristig negative konjunkturelle Wirkungen) und Belohnung (Mittel aus dem europäischen Fiskalprogramm) deutlich gemacht werden.

Wenn man die Reformen nicht bald angeht, dann gibt es nur wenig Hoffnung auf einen längerfristig höheren Wachstumspfad. Denn die Zeit, die eine expansive Wirtschaftspolitik erkaufen kann, haben wir nur ein einziges Mal. Bleiben die Länder weiter untätig, dann wird früher oder später nicht nur die geldpolitische, sondern auch die fiskalpolitische Munition verschossen sein. Und dann werden Reformen noch schmerzhafter.

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