Robert „Kelly“ Ortberg steht als neuer CEO von Boeing vor einer Aufgabe, die kaum schwieriger sein könnte. Der 64-jährige soll den Flugzeughersteller endlich aus der jahrelangen Krise führen. Viel Vorbereitungszeit bleibt ihm nicht: Ortberg löst früher als geplant den bisherigen Chef David Calhoun ab und übernimmt das Ruder schon ab dem 8. August 2024. Ursprünglich sollte Calhoun bis Ende des Jahres bleiben.
Der Vorsitzender des Board of Directors von Boeing, Steven Mollenkopf, zeigte sich erfreut über den neuen CEO: „Kelly ist eine erfahrene Führungspersönlichkeit, die in der Luft- und Raumfahrtindustrie hohes Ansehen genießt." Er habe sich seinen exzellenten Ruf für den Aufbau starker Teams und die Leitung komplexer Entwicklungs- und Produktionsprojekte erworben. Ortberg machte sich vor allem als Chef des Luftfahrt- und Rüstungszulieferers Rockwell Collins einen Namen, der unter anderem Boeing belieferte.
Ortberg war dort sehr geschätzt. In einer Mitteilung des Unternehmens heißt es, er habe „innovative Produktlinien auf den Weg gebracht, die den zivilen und militärischen Betrieb weiterhin verändern, und er hat dazu beigetragen, die Strategie für die künftige Ausrichtung des Unternehmens festzulegen“. Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, etablierte Ortberg während seiner Zeit bei Rockwell Collins eine Kultur, für die er sowohl von Gewerkschaften als auch Analysten gelobt wurde. Er habe mit Mitarbeitern gesprochen, sei regelmäßig durch die Produktionsstätten gegangen und habe die Beziehungen zu Fluggesellschaften und anderen Stakeholdern gefestigt.
Ortberg ist vom Fach
Kelly Ortberg kennt die Branche seit mehr als 30 Jahren. Er beschreibt sich selbst als typisches Kind einer Familie des Mittleren Westens und absolvierte hier 1982 sein Maschinenbaustudium an der University of Iowa. Danach begann er seine Karriere bei Texas Instruments. 1987 kam er als Programmmanager zu Rockwell Collins. Dort ging es für ihn stetig bergauf, bis er 2013 CEO des Unternehmens wurde. Er führte Rockwell Collins durch mehrere Krisen. 2018 wurde der Konzern von United Technologies übernommen. Dieses Unternehmen fusionierte schließlich mit Raytheon zu RTX. Bis 2021 arbeitete Ortberg für RTX, bevor er sich in den Ruhestand verabschiedete.
Von Qualitäts- und Produktionsproblemen, über Reputationsverluste und einen fallenden Aktienkurs: Die Liste an Problemen bei Boeing ist lang. Ortberg sagte dennoch, er fühle sich „geehrt und demütig, in dieses ikonische Unternehmen einzutreten“. Sicherheit und Qualität würden unter seiner Leitung „an erster Stelle“ stehen. Damit trifft er genau den richtigen Ton. Erst im Januar war bei einer Maschine des Typs „737 Max“ in fast fünf Kilometer Höhe ein Kabinenteil abgerissen. Anfang Juli erklärte sich das Unternehmen im Rahmen einer Vereinbarung mit dem US-Justizministerium wegen Betruges für schuldig. Dabei geht es um zwei tödliche Abstürze der „737 Max“ in den Jahren 2018 und 2019, bei denen 346 Menschen ums Leben kamen.
Die Probleme spiegeln sich auch in der aktuellen Bilanz von Boeing wider. Die am Mittwoch veröffentlichten Quartalszahlen zeigen, dass der Umsatz im zweiten Quartal 2024 im Vergleich zum zweiten Quartal 2023 um 15 Prozent geschrumpft ist. Es wurden nur 92 Passagierflugzeuge ausgeliefert und auch im Raumfahrt- und Rüstungsgeschäft hat das Unternehmen mit Problemen zu kämpfen.
Ortberg setzte sich gegen anderen Kandidaten durch
Nachdem Boeing Ende März die Trennung vom bisherigen CEO David Calhoun verkündete, rangen die Verantwortlichen um eine rasche Lösung. Es waren mehrere Kandidaten im Gespräch, unter anderem der Chef des Zulieferers Spirit Aerosystems, Pat Shanahan, und die Leiterin der Boeing-Sparte Verkehrsflugzeuge, Stephanie Pope. „Der Vorstand hat in den letzten Monaten einen gründlichen und umfassenden Suchprozess durchgeführt, um den nächsten CEO von Boeing auszuwählen, und Kelly verfügt über die richtigen Fähigkeiten und Erfahrungen, um Boeing in sein nächstes Kapitel zu führen“, so Steven Mollenkopf am Mittwoch.