Bis zu 5 Mrd. Dollar könnte Elon Musk die letzte Twitter-Aktion kosten. Das ist nämlich die Steuersumme, die fällig werden dürfte, wenn der Tesla- und SpaceX-Chef seine Ankündigung wahr macht und rund zehn Prozent seiner Anteile an seinem E-Auto-Unternehmen verkauft.
Ob er das Aktienpaket verkaufen solle oder nicht, hatte Musk am Samstag die Twitter-Community gefragt und versichert: „Ich werde mich an das Ergebnis dieser Umfrage halten, ganz gleich wie es ausgeht“. Mehr als 3,5 Millionen Twitter-Nutzer waren der Aufforderung bis Sonntagabend gefolgt, 57,9 Prozent stimmen mit ja. Ob und wann Musk sich der Mehrheit beugt, bleibt abzuwarten.
Musk ist bekannt für seine Twitter-Aktionen, die den Kurs seines Unternehmens schon mal mächtig ins Straucheln bringen können. Hintergrund der jetzigen Aktion ist die Kritik, dass Superreiche, wie der er ihr Vermögen in Aktien investieren würden, um so möglichen Steuerforderungen zu entgegen.
Denn Steuern auf das Aktienvermögen werden in den USA erst mit dem Verkauf der Wertpapiere fällig. Auch Musk stellte das mit einem eigenen Tweet noch einmal klar: „Ich erhalte kein Einkommen in bar und bekomme auch keinen Bonus“, ergänzte er unter der Abstimmung. „Ich habe nur Aktien und die einzige Möglichkeit für mich, Steuern zu zahlen, ist der Verkauf von Aktien.“
Reichster Mann der Welt dank Teslas Kursexplosion
Musk verdankt den Großteil seines Vermögens der außergewöhnlich starken Kursentwicklung seiner Tesla-Aktie. Dem US-Magazin Forbes zufolge hat der Kurs allein seit Januar 2020 um 1400 Prozent zugelegt. Schloss die Aktie am 2. Januar 2020 noch mit 86,05 Dollar, waren es am 5. November 1222,09 Dollar. Musks Vermögen wuchs im selben Zeitraum um 293,7 Mrd. Dollar . Heute schätzt Forbes es auf 320,2 Mrd. Dollar . Den Tesla-Chef hat dieses Plus unlängst an die Spitze der reichsten Menschen der Welt befördert.
Verglichen mit diesem Vermögen ist die fällige Steuersumme aus dem geplanten Aktienverkauf ziemlich mickrig: Musk hält insgesamt rund 170,5 Millionen Tesla-Aktien. Basierend auf dem Schlusskurs vom vergangenen Freitag wäre ein Aktienpaket von zehn Prozent knapp 20,8 Mrd. Dollar wert. Der dafür fällige Spitzensteuersatz der Kapitalertragssteuer von 20 Prozent beträgt umgerechnet 4,2 Mrd. Dollar, Forbes kalkuliert mit etwa 5 Mrd. Dollar. Zum Vergleich: Müsste Musk den Ertrag aus dem möglichen Verkauf als Einkommen versteuern, wären 7,8 Mrd. Dollar fällig – also deutlich mehr.
Verglichen mit den fälligen Steuerzahlungen in den vergangenen Jahren wirken diese Summen aber enorm. Im Juni veröffentlichte das Recherche-Portal „Pro Publica“ einen Bericht, in dem es einen Datensatz der US-Steuerbehörde IRS über die 25 reichsten Amerikaner, ausgewertet hatte. Pro Publica zufolge hat der Tesla- und SpaceX-Chef zwischen 2014 und 2018 eine Steuerquote von 3,27 Prozent – und damit etwa 455 Mio. Dollar – gezahlt, 2018 fiel sogar gar keine Einkommenssteuer an. Zum Vergleich: US-Bürger haben im Durchschnitt einen Steuersatz von 14 Prozent.
Lieber zum Mars fliegen als „Milliardärssteuer“ zahlen
Die US-Regierung arbeitet derweil daran, die Superreichen stärker zu besteuern. Eine entsprechende „Milliardärsteuer“ wird bereits diskutiert. Sie sähe vor, 23,8 Prozent auf Gewinne von Aktien zu veranschlagen, unabhängig davon, ob sie durch einen Verkauf realisiert würden oder nicht. Die Abgabe träfe etwa 700 Steuerzahler, die entweder über ein Vermögen von mehr als 1 Mrd. Dollar verfügen oder drei Jahre in Folge ein Jahreseinkommen von 100 Mio. Dollar haben.
Der Vorsitzende des Finanzausschusses im Senat, der Demokrat Ron Wyden, sieht sich angesichts von Musks Twitter-Umfrage in der Notwendigkeit der Abgabe bestätigt. „Ob der reichste Mann der Welt überhaupt Steuern zahlt oder nicht, sollte nicht von den Ergebnissen einer Twitter-Abstimmung abhängen“, forderte er auf Twitter. Es sei Zeit für die „Milliardärsteuer“, schrieb er weiter.
Ob das Vorhaben eine Mehrheit im Kongress erhält, ist indes noch unsicher. Musk, den die Steuer der Washington Post zufolge 50 Mrd. Dollar kosten könnte, macht bei Twitter aber schon jetzt keinen Hehl aus seiner Ablehnung. „Mein Plan ist es, das Geld zu verwenden, um die Menschheit zum Mars zu bringen und das Licht des Bewusstseins zu erhalten“, kommentierte er das Vorhaben.
Tesla-Kurs wird zum Kollateralschaden
Dem Kurs der Tesla-Aktie verpasste Musk mit der Ankündigung kurzfristig einen Dämpfer. Zeitweise verlor die Aktie um mehr als sechs Prozent. Viel wichtiger als die Kursentwicklung dürfte Musk aber die Aufmerksamkeit sein, die der 50-Jährige mit seinem jüngsten PR-Stunt auf sich gezogen hat.
Denn Tesla verzichtet auf Ausgaben in klassisches Marketing. Während bei Ford für jedes verkaufte Auto etwa 468 Dollar an Werbung aufgebracht werden, steht bei dem E-Autobauer seit Jahren eine große schwarze Null beim Werbebudget. Stattdessen setzt Tesla auf Mundpropaganda. Die dürfte dem E-Autobauer angesichts der jüngsten Twitter-Umfrage seines Chefs definitiv sicher sein.
Musk ist sich dieser Aufmerksamkeit um seine Person bewusst. Die Regelmäßigkeit, mit der seine Tweets am Aktienmarkt oder in der Öffentlichkeit nachhallen, haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Die Tesla-Aktie wurde dabei immer wieder zum Kollateralschaden der Tweets – wenn auch nur vorübergehend.
Zweimal rief Musk mit seinen Tweets sogar die US-Börsenaufsicht auf den Plan. Mittlerweile muss der 50-Jährige seine Posts zum Unternehmen eigentlich von einem Anwalt abnicken lassen. Längst entscheidet Musks Twitter-Account auch über Wohl und Wehe anderer Finanzprodukte. Neben den Aktien von Gamestop, Etsy und Signal gehörten dazu verschiedene – bislang unbekannte – Kryptowährungen allen voran die Spaßwährung Dogecoin, der Musk durch seine beharrlichen Tweets zu ungeahntem Interesse bei Privatanlegern verhalf.
Erfolgreicher PR-Stunt
Auch medial haben die Tweets durch ihre Auswirkung außerhalb der sozialen Medien eine Dimension erreicht, die vereinzelt an den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump erinnert. Mit seinen 62,8 Millionen Followern ist Musk zwar noch von Trumps 88 Millionen Followern vor Accountschließung entfernt. Dem Tesla- und SpaceX-Chef gelingt es allerdings, die Aufmerksamkeit, die ihm zuteilwird, gewinnbringend zu nutzen.
Mit seiner Umfrage gab Musk sich etwa kompromissbereit. Wollen die Nutzer, dass er Steuern zahle, dann würde er das natürlich tun. In ähnlicher Weise diskutierte er zuletzt auch mit dem Chef der Welthungerhilfe David Beasley. Könne der ihm beweisen, dass sich mit 6 Mrd. Dollar der Welthunger beenden ließe, würde er sofort zahlen, versprach er, nachdem Beasley ihn für zu wenig soziales Engagement kritisiert hatte.
Ganz uneigennützig wäre der Aktienverkauf übrigens nicht. Im August 2022 hat Musk einer Pflichtmitteilung zufolge die Möglichkeit, knapp 22,9 Millionen Tesla-Aktien zu je 6,24 Dollar zu kaufen. Das entspräche nach dem Schlusskurs vom Freitag einem Gewinn von 28 Mrd. Dollar. Da die Optionen für die US-Behörden eine Arbeitnehmervergütung sind und noch dazu am damaligen Tesla-Standort in Kalifornien eine lokale Abgabe anfällt, muss Musk für die Optionen etwa 15 Mrd. US-Dollar zahlen, bilanziert der US-Sender CNBC. Das entspräche in etwa der Summe, die Musk nach seinem Aktienverkauf übrig hätte.
Noch ist zwar unklar, ob und wann Musk sein Versprechen einlöst und sein Aktienpaket wirklich verkauft. Gewiss ist jedoch, dass es Twitter und der breiten Öffentlichkeit wohl kaum entgehen wird. Denn dass Musk dabei auf einen Post, ein kryptisches Foto oder sonstige Botschaften verzichten wird, ist nahezu unausgeschlossen.
Kennen Sie schon unseren Newsletter „Die Woche“? Jeden Freitag in ihrem Postfach – wenn Sie wollen. Hier können Sie sich anmelden