Der Militärexperte Carlo Masala zweifelt am Erfolg des Abkommens zum Export von Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine, das am Dienstag in Istanbul unterzeichnet werden sollte. Masala sagte im Stern-Podcast „Ukraine – die Lage“, es sei eine positive Nachricht, wenn die durch den Krieg blockierten Nahrungsmittel in die Länder des globalen Südens gebracht werden könnten. Es gebe aber Zweifel, ob die russischen Unterhändler nicht noch in letzter Minute neue Forderungen erheben. Und es bleibe die Frage: „Wie werden sich die Russen verhalten, wenn wirklich Getreide exportiert wird?“
Der Politikprofessor der Bundeswehruniversität München verglich die geplanten Schiffsrouten mit humanitären Korridoren – die in der Vergangenheit nicht immer respektiert worden seien. Wenn die Ukrainer den Hafen von Odessa von Minen befreiten, sei „das natürlich auf der anderen Seite das Einfallstor für die Schwarzmeerflotte, um näher an Odessa ranzugehen und Odessa zu bombardieren“. Ob das Abkommen Erfolg habe, werde sich erst in einigen Tagen zeigen. Masala sah die Gespräche der Kriegsparteien nicht als möglichen Auftakt zu umfassenderen Verhandlungen. „Da bin ich skeptisch“, sagte er. „Ich glaube, das muss man getrennt voneinander betrachten.“
„Hunger als Strategie ist ein Teil der russischen Kriegsführung“
Nach Masalas Einschätzung will die russische Führung mit dem Getreideabkommen vor allem ihr Ansehen in den Ländern verbessern, die von den Lieferungen aus der Ukraine abhängig sind. „Die Russen machen das, um ihr Image im globalen Süden aufzupolieren“, sagte er. Er verwies aber zugleich darauf, dass in der Ukraine weiter landwirtschaftliche Einrichtungen angegriffen und Felder in Brand gesetzt würden. „Hunger als Strategie ist ein Teil der russischen Kriegsführung“, betonte er.
Deutlich kritisierte er das russische Vorgehen im Streit um die Gaslieferungen. Eigentlich müssten die Europäer angesichts der Drohungen sagen: Behaltet euer Gas. Nach Italien werde nach dem Sturz der Regierung von Mario Draghi plötzlich mehr geliefert als zuvor. Ungarn bemühe sich in Moskau um eigene Vereinbarungen mit Russland. Niemand wisse, wann wieviel geliefert werde. „Dieses Bibbern und Zittern schwächt unsere eigene Position“, sagte Masala am Dienstag in dem Podcast. „Putin hat in dieser Frage einen extrem mächtigen Hebel, der die Risse in der europäischen Solidarität mit Blick auf die Ukraine immer offener zutage treten lässt.“