„Das fühlt sich beschissen an.“ Scheitert ein Projekt ihres Unternehmens, findet Schufa-Chefin Tanja Birkholz dafür mitunter klare Worte. Anfang August musste sie eine Datenpanne bei ihrer brandneuen App Bonify einräumen; nun ist am Wochenende bekannt geworden, dass die Schufa aktuell panisch wirkende Briefe an ihre Firmenkunden schickt. Der Grund: Es droht ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das für die Auskunftei geschäftsgefährdend sein könnte.
In den Briefen, die der „Süddeutschen Zeitung“ und dem NDR zugespielt wurden, bittet die Schufa um eine Unterschrift. Ihre Firmenkunden sollten damit bestätigen, dass der berühmt-berüchtigte Score „nicht maßgeblich“ sei bei Entscheidungen, die Verbraucher „beeinträchtigen“ – also für sie nachteilig sind. Zum Beispiel, wenn erst gar kein Vertrag zustande kommt oder der Zins bei einem Kredit schlechter ausfällt.
Zwar trifft die Schufa selbst keine dieser Entscheidungen, der Generalanwalt des EuGH argumentiert allerdings, der Score der Schufa könnte eine automatisierte Entscheidung sein – und damit rechtswidrig. Mit den Briefen an ihre Firmenkunden will die Schufa einem negativen Urteil nun zuvorkommen. Es klingt wie: Sprecht uns bitte unsere Bedeutung ab! Das sei „eine Absurdität“, kommentiert eines der angeschriebenen Unternehmen gegenüber der „Süddeutschen“. Und genau das ist es.
Die schwarz-gelbe Eminenz
Wer in Deutschland Bonitätsprüfung sagt, muss auch Schufa sagen. Die „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“ hat im hiesigen Vertragswesen eine zentrale Rolle inne. Sie sammelt umfassende Informationen über unser finanzielles (Fehl-)Verhalten – bei Krediten, Handyverträgen, Mietzahlungen. Diese Daten verkauft sie dann zu Cent-Beträgen an Banken, Unternehmen und Vermieter.
Mit diesem Modell ist die Schufa die größte deutsche Wirtschaftsauskunftei geworden. Sie verfügt über 940 Millionen Einzeldaten zu über 68 Millionen natürlichen Personen und sechs Millionen Unternehmen. Jährlich bearbeitet sie mehr als 165 Millionen Anfragen. Angesichts dieser Dimensionen die eigene Bedeutung nun kleinzureden – das ist wirklich reichlich absurd.
„Die ersten Gespräche mit unseren Kunden haben eher Entspannung gebracht“, heißt es aus der Schufa-Zentrale in Wiesbaden. Gerade Banken würden noch viele weitere Datenpunkte in ihre Entscheidungen miteinbeziehen. Im E-Commerce und Versandhandel spiele der Schufa-Score gar eine „untergeordnete Rolle“.
Scoring-Experte Matthias Spielkamp von Algorithm Watch sagte hingegen gegenüber der SZ, der Schufa-Score habe einen großen Einfluss „auf das Leben und die Lebensentscheidungen von vielen Menschen in Deutschland“. Die Schufa selbst schreibt auf ihrer Webseite, dass der Score eine „sehr wichtige Information für Unternehmen oder Banken“ sei. Aus der Zentrale der Auskunftei heißt es: Man müsse unterscheiden, ob der Score „nur wichtig“ oder eben „maßgeblich“ sei.
Der schlechte Ruf hat gute Gründe
Dass die Schufa eine Blackbox sei, ist immer wieder zu hören. Und das ist auch einer der Hauptkritikpunkte an der Auskunftei: ihr Mangel an Transparenz. Verbraucher wissen oft nicht, welche Informationen die Schufa über sie sammelt und wie diese bewertet werden. Dies führt zu Misstrauen und Unsicherheit. Genau dies wollte man zum Beispiel mit der App Bonify lösen.
Doch trotz vieler Downloads wird die App kaum genutzt und zuletzt deckten Hacker sogar eine Datenpanne auf. Und immer wieder werden fehlerhafte Einträge in den Schufa-Datenbanken entdeckt, die sich stark negativ auf das Leben der Betroffenen auswirken können – beispielsweise bei der Wohnungssuche oder Kreditvergabe. Wer einen Fehler entdeckt, hat es dann doppelt schwer: Die Korrektur gilt als langwierig und kompliziert. Der Prozess kann Existenzen gefährden.
Diese Probleme bestehen seit Jahren. Als Tanja Birkholz 2020 Chefin der Schufa wurde, kündigte sie eigentlich eine große Veränderungsoffensive an. Man wollte besser werden, nahbarer, digitaler. Die halbheimlichen Briefe an Geschäftspartner und Kleinskandale bei Bonify beweisen das Gegenteil. So zeigt die Schufa, dass sie weiterhin eher vertrauensunwürdig ist.
Es ist an der Zeit, die Schufa endlich zu reformieren – um sicherzustellen, dass sie fair und transparent arbeitet und ihr Versprechen erfüllt: „Wir schaffen Vertrauen“. Nur so kann sie ihren Platz als notwendiger Akteur im deutschen Finanzwesen behalten und den negativen Schlagzeilen entkommen. Vielleicht ist es nun wirklich die allerletzte Chance der fast 100 Jahre alten Auskunftei endlich selbst einzulösen, was sie von uns allen fordert: Transparenz.