Markus Krall teilt sich gern mit, zum Beispiel beim Twitter-Nachfolger X. Oft beschwert er sich mehrmals am Tag über die „Lügenjournalie“, „Gender-Fuzzis“ und die „links-grüne schmarotzende Politaktivistenklasse“. Oder er teilt Videos des rechtslibertären argentinischen Präsidenten Javier Milei. Auch den ökonomischen Untergang Deutschlands sagt Krall immer wieder voraus. Nur wann genau der Finanzcrash eintritt, da nennt er regelmäßig neue Daten.
Man könnte Markus Krall als einen Krawallmacher von vielen abtun. Der Unterschied: Der Mann hat Reichweite – allein dem Instagram-Profil „markus_kralll“ folgen mehr als 27.000 Nutzer. Dieser gehöre ihm jedoch nicht, so Krall. Mit den Posts auf seinem X-Profil erreicht er über 150.000 Menschen. All diese Unterstützer machen Krall zu einem wertvollen Sprachrohr für die Werteunion, der er seit Mitte vergangenen Jahres als Mitglied angehört. Der Verein, der 2017 aus der CDU hervorging, soll demnächst zu einer Partei werden. Das hat die Mehrheit der Mitgliederversammlung am 20. Januar in Erfurt beschlossen. Krall wird dabei eine wichtige Rolle spielen, denn er soll das Wirtschaftsprogramm der zukünftigen Werteunion-Partei ausarbeiten.
Der Bundesvorsitzende der Werteunion ist seit einem Jahr Hans-Georg Maaßen. Bis vor Kurzem war er Mitglied der CDU und zwischen 2012 und 2018 Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Inzwischen wird Maaßen laut Medienberichten von seinem Ex-Arbeitgeber als Rechtsextremist gespeichert und beobachtet. Maaßen schätzt Krall und dessen Positionen. Die Männer seien einander „sehr gut bekannt“, sagte Maaßen bei einem gemeinsamen Interview im Rahmen der Werteunion-Mitgliederversammlung. Er und Krall wollen jetzt „am gleichen Strick ziehen, und zwar in die gleiche Richtung.“
Der 61-jährige Krall ist promovierter Ökonom und war vor seiner Zeit als „Crash-Prophet“ jahrelang Risikomanager bei der Allianz, der Boston Consulting Group, McKinsey und Roland Berger. Jetzt scheint er die Werteunion offenbar wirtschaftsprogrammatisch libertär mitgestalten zu wollen.
Wie genau, das wollte Capital auch von Markus Krall persönlich wissen, schickte ihm einen Fragenkatalog zu seinen Haltungen, Plänen und Verbindungen und bat um Stellungnahme. Detailliert äußern wollte Krall sich allerdings nicht, er begründete dies mit gesundheitlichen Problemen.
Kontakte zu Extremisten und Reichsbürgern
Kralls wirtschaftslibertäre Positionen lassen sich dennoch nachzeichnen, etwa anhand von Interviews: In einem Gespräch auf dem Youtube-Kanal der Analysefirma HKC Management erzählt Krall im September 2023, dass er mehrfach mit Prinz Heinrich XIII. Reuß Essen war. Reuß ist mutmaßlicher Rädelsführer einer militanten Reichsbürger-Gruppe, deren Umsturzpläne im Dezember 2022 aufgeflogen waren. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Im Zuge der Ermittlungen in der Reichsbürger-Szene kam es auch beim Zeugen Krall zu einer Hausdurchsuchung. Recherchen von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ legen enge Kontakte der beiden Männer nahe: Bereits zwei Jahre zuvor soll Krall demnach für Reuß die Eckpunkte einer „Verfassung für Deutschland“ für die Zeit nach dem Umsturz ausgearbeitet haben.
Eine 106 Artikel lange Verfassung hat Krall auch in seinem 2021 erschienen Buch „Freiheit oder Untergang“ veröffentlich. Darin verdeutlicht er seine radikal-kapitalistischen Positionen und skizziert, wie eine libertäre Ordnung in einer Zeit nach dem wirtschafltichen Kollaps aussehen könnte. Den Zusammenbruch erwartet Krall in den späten 2020er Jahren mit bis zu dreistelligen Inflationsraten und einem „täglichen Kampf um das finanzielle und physische Überleben“.
Für Krall sei dann der Moment eines Minimalstaates gekommen, der jegliche Eingriffe in einen freien Markt – welcher medizinische Versorgung, Medien und Bildungssektor umfasst – zu unterlassen habe. Subventionen würden verboten, genauso wie Steuern auf Einkommen und Vermögen. Der Staat dürfe sich nicht verschulden, aber auch kein Finanzpolster aufbauen, und finanziere sich ausschließlich durch indirekte Steuern etwa auf Konsum, Energie, Alkohol, Zucker und umweltschädliche Produkte.
Das Volk würde alle fünf Jahre ein Parlament wählen, aber auch einen Monarchen auf Lebenszeit als Staatsoberhaupt bestimmen, der bei allen Gesetzen und Verträgen ein Vetorecht habe. Als Währungsordnung gelte der Goldstandard, bei dem jegliches staatliche Geld durch Gold oder Silber gedeckt sein muss.
Mit dieser libertären Ausrichtung könnte eine Werteunion-Partei, so Kralls Hoffnung, eine Lücke im Parteienspektrum zwischen CDU/CSU und AfD besetzen. Eine Zusammenarbeit oder gar Koalition mit Rechtsaußen sei denkbar, sogar wünschenswert: „Da gibt es keine Brandmauer“, sagt Krall in einem Mitte Oktober 2023 veröffentlichten Youtube-Short.
Unternehmen „Goldrevolution“
Einige von Kralls Überzeugungen hält selbst Hans-Georg Maaßen für „überspitzt“. Eine Position im Vorstand einer neu zu gründenden Werteunion-Partei soll sein Wirtschaftsdenker deshalb zunächst nicht einnehmen. Krall sagt, das sei sein eigener Wunsch. Bei einem politischen Wechsel 2025 werde er aber für ein Amt „zur Verfügung stehen“, sagt er in einem Video. Bis dahin genüge ihm das programmatische Engagement – schließlich sei er auch anderweitig viel beschäftigt.
Zum Beispiel mit dem Aufbau eines Unternehmens. Unter dem Namen „Goldrevolution“ will Markus Krall künftig online Gold und andere Edelmetalle verkaufen und „Informationen für den kritischen Investor“ bereitstellen. Im Goldgeschäft ist Krall seit 2019, als er bei Degussa Sonne/Mond Goldhandel zum Mitglied und Sprecher der Geschäftsführung wurde. Drei Jahre später, Ende 2022, musste er das Unternehmen verlassen.
Zu den genauen Gründen hält sich Degussa bis heute weitestgehend bedeckt. Allerdings arbeitet Kralls Nachfolger Christian Rauch seit seinem Amtsantritt emsig daran, Degussa strategisch neu auszurichten. Man wolle neue, jüngere Zielgruppen gewinnen und mit Produkten und Dienstleistungen überzeugen. Zu Markus Kralls politischen Auffassungen will der neue Degussa-CEO auf Capital-Anfrage aber nichts sagen. „Wir äußern uns grundsätzlich nicht politisch und beteiligen uns auch nicht am politischen Geschehen, noch kommentieren wir dieses“, so Rauch.
Seit seinem Ende bei Degussa präsentiert sich Krall hauptsächlich in den Sozialen Medien als Wirtschafts- und Anlageexperte. Auf verschiedenen Youtube-Kanälen etwa warnt er vor dem drohenden Zusammenbruch der Wirtschaft und dem Niedergang des Euro. Seine Warnungen begleitet die Empfehlung, ins „Zahlungsmittel der Zukunft“ zu investieren: Gold.
„Finanzielle Selbstverteidigung“ bei Youtube lernen
In einem vierstündigen Webinar mit dem Titel „Finanzielle Selbstverteidigung“ legt Markus Krall den Zuschauern nahe, ihr Vermögen auf verschiedene Kapitalanlagen zu verteilen. Sein Aktienportfolio, das man beim Investmentportal Alphanovum für 299 Euro online abrufen kann, habe in nur zwei Monaten über 7 Prozent „Verzinsung“ erzielt, sagt er. Das habe er mit einem Mix aus Aktien unter anderem aus dem Bereich Rüstung und Entertainment erreicht, weil ein Volk wehrfähig bleiben müsse und Menschen in schlechten Zeiten unterhalten werden wollen. Ob er ein Honorar für die Webinar-Teilnahme erhalte, wollte er auf Anfrage nicht sagen.
Daneben empfiehlt Krall alles, „was die Grünen hassen“, etwa Erdöl, Erdgas und Kohle, denn „da werden Sie Ihr Geld vermehren“. Alles, was die Grünen lieben wie „Elektroautos, Windrädchen und Solarzellen“, sollten Anleger Kralls Meinung nach „meiden wie die Pest“, denn „der Boom ist schon vorbei“.
Angst als Verkaufsstrategie
Die Hauptsache sei, man halte „25 Prozent in Gold, wenn sich die Krise verschärft auch 30 Prozent“. In Teleshopping-Manier werden die im Stream getroffenen Aussagen von wechselnden Werbebannern begleitet, die zum sofortigen Goldkauf anleiten. Der Gastgeber, der baden-württembergische Goldhändler Kettner Edelmetalle, bietet Pakete mit Gold- und Silberprodukten. Das teuerste kostet über 50.000 Euro. Darin enthalten zum Beispiel hundert 1/10 Unze Britannia Goldmünzen, deren Einzelpreis bei 245 Euro liegt. Bei anderen Anbietern ist die Münze für rund 40 Euro weniger zu haben. Ob und wie viel Krall an den Umsätzen von Kettner Edelmetalle mitverdient, wollte er auf Capital-Anfrage nicht sagen.
Kralls Vorgehen ähnelt demjenigen sogenannter Crash-Propheten, die ihr Geld mit der Angst von Menschen verdienen. Sie sagen massive Kursstürze und Wirtschaftskrisen voraus und präsentieren umgehend Investments als Lösung, wahlweise Immobilien, Rohstoffe, neuerdings Bitcoin oder eben Gold.
Gold eignet sich in der Tat, um das eigene Portfolio zu diversifizieren und das Schwankungsrisiko im Depot zu senken. Es gilt unter anderem als Inflationsschutz. Allerdings genügen dafür schon 5 bis 10 Prozent im Portfolio, empfehlen Verbraucherschützer. Gold bringt weder Zinsen noch Dividenden, sein Kurs kann stark schwanken und auch die Lagerung ist nicht unproblematisch.
Liberale Waffengesetze und Abtreibungsverbot
Neben Geldanlage-Tipps hat Krall auch für viele weitere Lebensbereiche Ideen: Laut seines Verfassungsentwurfs dürfe nur wählen, wer Wehr- oder Zivildienst geleistet hat und keine Sozialleistungen beziehe. Jeder, der gedient hat, solle lebenslang eine Waffe tragen dürfen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll ersatzlos abgeschafft werden. Daneben bezweifelt Krall den menschengemachten Klimawandel, welcher „nicht wissenschaftlich als existent bewiesen wurde", er wettert gegen „illegale Masseneinwanderung“ und lehnt den Sozialstaat ab, weil das „Beraubungspostulat“ des „Umverteilungsstaates" der Gesellschaft „die einzig wahre Caritas und soziale Ader, nämlich das freiwillige Teilen, weitestgehend ausgetrieben“ habe.
Seiner Ansicht nach existieren nur zwei Geschlechter, Mann und Frau. Eine Ehe solle nur zwischen diesen beiden bestehen. Schwangerschaftsabbrüche lehnt er ab, denn die „gottgegebenen“ Grundrechte erstrecken sich auch auf „vorgeburtliche Menschen“. In einem Tweet bezeichnet er den medizinischen Eingriff als „das gröbste aller Verbrechen“. Angesprochen auf seine Haltung antwortet Krall Capital lediglich, es gebe „zu politischen Themen wie Abtreibung (...) noch andere, gut begründete Meinungen“.
Ob Kralls Positionen in der Werteunion über das Wirtschaftsprogramm hinaus Anklang finden, wird sich zeigen. Zumindest könnte mit Markus Krall ein weiterer Krawallmacher die deutsche Politbühne betreten, sollte eine neu zu gründende Werteunion-Partei im Herbst bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg genügend Stimmen einsammeln.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Text um einen Hinweis Kralls auf X ergänzt, wonach der erwähnte Instagram-Account ihm nicht gehöre.