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Kolumne Lieber auf die Commerzbank setzen

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Aus den gescheiterten Fusionsgesprächen mit der Deutschen Bank geht der kleinere Partner komischerweise besser heraus als der größere

Aktienkurse sollte man immer nur als eine Momentaufnahme betrachten. Im Falle der Deutschen Bank und der Commerzbank entbehren die Kurszuckungen zum letzten Wochenende aber nicht einer gewissen Logik. Nach der gescheiterten Fusion taumelte die Aktie des größeren Partners in Richtung Allzeittief, während die Papiere des kleineren Partners immerhin ein bisschen nach oben krabbelten. Allzu viel sollte sich Commerzbank-Chef Martin Zielke aber darauf auch nicht einbilden: Seine Aktie hat in den letzten zwölf Monaten fast genauso viel Minus gemacht wie die Aktie der Deutschen Bank. Die eine fiel um 30 Prozent, die andere um 38 Prozent.

Wenn man nicht in die Vergangenheit, sondern in die nähere Zukunft blickt, fallen die Argumente für die Commerzbank allerdings deutlich stärker aus als die für die Deutsche Bank: Für Zielke gibt es nach dem Scheitern der Fusion immer noch jede Menge anderer Optionen, für seinen Kontrahenten Christian Sewing dagegen so gut wie gar keine Option mehr. Was soll die Deutsche Bank machen? Sich einem ausländischen Konkurrenten mit der Bitte um Übernahme an den Hals werfen? Sich an kleinere Kreditinstitute im Ausland heranpirschen, um sie zu übernehmen? Beide Ideen bestechen nicht. Und kleinere Manöver wie die jetzt angeblich ernsthaft geprüfte Fusion der Vermögensverwaltung mit der Schweizer Großbank UBS bringen keine Lösung für das Kardinalproblem der Deutschen Bank: ihre geringen Erlöse. Sewing bleibt deshalb nur der mühsame Weg, die hohen Kosten der Bank weiter nach unten zu schrauben, das Institut insgesamt weiter zu schrumpfen und darauf zu setzen, dass irgendwann doch die Einnahmen wieder steigen.

Mehrere Optionen für die Commerzbank

Zielke verfügt dagegen über mehrere Möglichkeiten. Warum nicht ernsthaft mit den ausländischen Banken wie der ING verhandeln, die bereits ihr Interesse an einer Übernahme signalisiert haben? Mit großem Widerstand wäre dabei nicht zu rechnen – weder in der Politik noch bei den Arbeitnehmern, die sich aus Angst um ihre Jobs mit aller Macht gegen die Fusion mit der Deutschen Bank gestemmt hatten. Oder warum die Commerzbank nicht weiter zu einer bundesweiten Sparkasse umbauen , die alle noch vorhandenen Ambitionen fallen lässt und brav mit privaten Sparern und kleinen bis mittleren Firmenkunden eine überschaubare, aber relativ risikolose Rendite erwirtschaftet? Einen Großteil dieses Wegs hat sie ohnehin schon zurückgelegt.

Überhaupt Ambitionen: Bei der Deutschen Bank stecken sie seit ihrer Gründung vor 150 Jahren tief in der DNA. Sie kann sich nicht vollständig aus ihrer internationalen Rolle und ihren Finanzmarktgeschäften zurückziehen, ohne damit vollständig ihre Existenzberechtigung zu verlieren. Kein Wunder, dass Christian Sewing in seiner ersten Analystenkonferenz direkt nach dem Scheitern der Fusion wieder von der „globalen Bedeutung“ der Deutschen Bank redete. Bei der Commerzbank war das vor langer, langer Zeit mal ähnlich. Aber nach etlichen Mutationen kommt das neue Geschäftsmodell des Kreditinstituts ganz ohne diesen Anspruch aus. Nur einige Altlasten erinnern die Commerzbank noch an die vergangenen Zockerzeiten. Aber auch die verschwinden irgendwann aus der Bilanz. Von welcher Seite auch immer man es betrachtet: Als Aktionär schläft man vorerst deutlich ruhiger mit den Papieren der Commerzbank im Depot als mit denen der Deutschen Bank .

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint jeden Montag auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen .

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