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Kolumne Liberale für Gysi

Die Grünen baggern bei den Wählern der FDP. Was für eine Seifenoper ist das denn? Von Christian Schütte
Christian Schütte
Christian Schütte schreibt an dieser Stelle über Ökonomie und Politik
© Trevor Good

Eine der kleineren, manchmal schon amüsanten Polit-Soaps dieser Tage läuft im Wochenendprogramm bei den Grünen. Sie könnte „Unter uns“ heißen. Oder „Liebe, Lüge, Leidenschaft“. Bei den Grünen heißt sie aber für die Quotenmaximierung: „Wir sind so liberal!“

Als sinnfreie Unterhaltung ist sie sehr zu empfehlen.

In der jüngsten Folge hatte zum Beispiel Tarek al-Wazir, der Wirtschaftsminister aus Hessen, die Idee: „Wir sollten die liberale Partei in Deutschland sein, denn eine relevante andere gibt es nicht mehr.“ Da draußen sind ja jetzt so viele wieder tragische Single. Deren Schmerz ist doch die Baggerchance: „Wir könnten sicher auch einen Teil der früheren FDP-Klientel ansprechen, die sich enttäuscht von der FDP abwendet.“

Seine Kollegin und Nachbarin Eveline Lemke aus Mainz sieht in ihren Grünen sogar „eine libertäre Partei“. In der Liebe und in der Wahlwerbung ist eben alles erlaubt.

das grüne Weltbild - Gar nicht liberal

Wie hohl solche Sprüche sind, stellt man natürlich fest, wenn man sich im Detail mit dem grünen Weltbild, mit der grünen Programmatik oder auch nur mit Wählerstrukturen beschäftigt.

Manchmal braucht man aber auch nur abzuwarten, wie sich die grüne Parteispitze im politischen Alltag äußert. Jeweils dann ab Montag, nach der jüngsten Ausgabe von „Wir sind so liberal!“

Anfang dieser Woche zum Beispiel haben die Nachrichtenagenturen den Tod von Reinhard Höppner gemeldet, einem Mitbegründer der Ost-SPD, Vizepräsidenten der ersten frei gewählten DDR-Volkskammer, später acht Jahre lang Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Ein Mann, der auch jenseits von Parteipolitik ohne Zweifel eine Würdigung verdient hat.

Die grüne Bundesvorsitzende Simone Peter lobte per Tweet allerdings ausgerechnet die umstrittenste Entscheidung Höppners:

In der Tat: Dieses „Magdeburger Modell“ war faktisch die erste rot-grün-rote Regierungsallianz im vereinten Deutschland. In Sachsen-Anhalt bildete Höppner 1994 eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen, die von der Linken toleriert wurde. Die hieß damals PDS und hatte fünf Jahre vorher noch den Namen SED getragen.

So wurde das Tabu gebrochen, das bis dahin Regierungsbeteiligungen der SED-Nachfolger ausschloss. Höppner beließ es bei einer Tolerierung und verzichtete auf die offene Koalition, weil er der SPD im ´94er Bundestagswahlkampf nicht schaden wollte.

die bessere FDP?

Der Streit über diesen Linkskurs – und die damit verbundenen Wählertäuschungen - ist bis heute nicht ganz ausgestanden. Berühmt-berüchtigt wurde der Versuch, in Hessen 2008 die erste West-Auflage des „Magdeburger Modells“ zu installieren: Die damalige SPD-Chefin Andrea Ypsilanti scheiterte an einem Aufstand aus der eigenen Partei.

Mittlerweile schließt die SPD auch auf der Bundesebene Rot-Rot-Grün nicht mehr kategorisch aus. Höchst umstritten bleibt diese Option aber doch – schon wegen der außenpolitischen Konflikte mit der Linken, die in der Ukraine-Krise wieder sichtbar wurden.

Und die Grünen? Die verkünden jetzt also regelmäßig in „Wir sind so liberal!“, dass sie die neue, die bessere FDP sind. Während ihre Parteichefin alte „neue Bündnisse“ hochleben lässt.

Vielleicht halten manche Grüne das FDP-Publikum ja auch einfach nur für Volltrottel.

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