Warum zahlt jemand 350.000 Dollar, um ein Nashorn töten zu dürfen? Ernest Hemingway hat in seinem autobiografischen Jagdbericht „Die grünen Hügel Afrikas“ eine Antwort gegeben: „Eine der größten Freuden beim Töten ist das Gefühl der Rebellion gegen den Tod, das man erlebt, wenn man ihn verursacht.“ Der Autor war auf Safari in Ostafrika Anfang der 30er-Jahre eigentlich auf Antilopenhörner aus, aber er gönnte sich dann auch ein Rhino, um den Tod zu besiegen. Der Literaturnobelpreisträger machte keinen Hehl aus seiner Jagdlust.
Anders als Hemingway bleibt der Großwildjäger der Moderne lieber anonym. Anfang der Woche ersteigerte einer von ihnen in Texas für 350.000 Dollar die Erlaubnis, eines der weltweit nur noch rund 5000 lebenden Schwarzen Nashörner abzuschießen. Der Ertrag übertraf die Erwartungen des Dallas Safari Clubs, der die Auktion veranstaltet hatte. Das Geld soll in den Schutz der Nashörner in Namibia gehen, verspricht der Club.
Doch nicht nur in Texas entscheiden die Spielregeln des Marktes über Tod und Leben: Alle Versuche in den letzten Jahrzehnten, die allmähliche Ausrottung der Nashörner zu stoppen, sind gescheitert. Die Nachfrage ist einfach zu groß: In Ländern wie China oder Vietnam ist das Horn begehrt, weil es angeblich aphrodisierend und auch sonst wie heilend wirkt. Das Argument der Wissenschaftler, genauso gut könne man das Keratin der eigenen Fingernägel knabbern, prallt am Konsumenten ab.
Krieg gegen Wilderer verloren
Die wachsende Kaufkraft der Chinesen bringt den Markt zusätzlich in Schwung. Weil der Handel nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen verboten ist, blüht das illegale Geschäft. Der ökonomische Anreiz ist stärker als die Angst vor Strafe oder sogar Tod. Bis zu 65.000 Dollar ist ein Kilo Hornpulver am Markt wert, fast doppelt so viel wie ein Kilo Gold. So haben die Wildhüter in Südafrikas Krüger-Nationalpark den Krieg gegen die Wilderer trotz aller Aufrüstung längst verloren. Jahr für Jahr verdoppelt sich die Zahl der getöteten Tiere.
Kommt Ihnen der Mechanismus irgendwie bekannt vor? Genau, der Drogenkrieg. Jahrzehntelang haben Regierungen weltweit versucht, Drogen mit Sanktionen zu bekämpfen. Vollkommen vergeblich. Stattdessen ist ein florierender Geschäftszweig für die Mafia und andere Kriminelle entstanden. Daher findet die Forderung nach einer Liberalisierung zunehmend Unterstützung.
Ähnliche Überlegungen stellen Experten auch für den Tierschutz an. So will Südafrika die Erlaubnis haben, 16 Tonnen Hörner von natürlich gestorbenen Rhinozerossen zu verkaufen. Auf diese Weise soll der Schwarzmarkt geflutet, die Preise gedrückt und Wilderei uninteressant werden. Der andere Weg ist der der Texas-Auktion: Für die Wildhüter der Parks steigt der Anreiz, auf den eigenen Bestand aufzupassen, wenn sich damit Geld verdienen lässt. Manche Parks in Afrika sorgen inzwischen dafür, dass die lokale Bevölkerung am Erhalt und dem Tourismus mitverdient. Damit der Erhalt eine Win-win-Situation wird.
Alle Ideen haben das gleiche Grundprinzip, die ökonomischen Anreize so zu verändern, dass den Marktteilnehmern der Erhalt der Nashörner lukrativer erscheint als das Töten. Was davon am Ende funktioniert, wird man sehen. Entscheidend aber ist erst einmal die Einsicht: Keiner kann den Markt so gut besiegen wie der Markt sich selbst.
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