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Kreditinstitute Klimastresstest: Banken drohen bis zu 70 Mrd. Euro Verluste

Gewitter über den Frankfurter Hochhäusern. Im Vordergrund ist die Osthafenbrücke zu sehen, auf der ein Lastwagen unterwegs ist
Gewitter in Frankfurt: Die Banken müssen die Folgen des Klimawandels auch bei der Kreditvergabe berücksichtigen
© picture alliance/dpa/Frank Rumpenhorst
Klimarisiken spielen bei der Kreditvergabe der Banken bisher keine große Rolle. Ein Fehler, meint die EZB. Sie hat erstmals ermittelt, mit welchen Kosten die Finanzinstitute durch den Klimawandel rechnen müssen

Der erste große Klima-Stresstest der Europäischen Zentralbank zeigt, dass den Banken durch eine Zunahme von Naturkatastrophen und tiefgreifende Veränderungen in allen Branchen ein Schaden von 70 Mrd. Euro droht. Die Zahl summiert die Kredit- und Marktverluste im schlimmsten Szenario, das Dürren, Hitze und Überschwemmungen einschließt, teilte die EZB am Freitag in Frankfurt mit. Sie warnte, dass das Ergebnis die tatsächlichen Risiken im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung „erheblich unterschätzt“, zum Teil weil die Klimaschocks nicht von einem breiteren wirtschaftlichen Abschwung begleitet werden und auf spezifische Portfolios beschränkt sind.

Die EZB stellte außerdem fest, dass 60 Prozent der Banken noch über keine Risikoteststrategie für den Klimawandel verfügen. Die meisten Kreditinstitute beziehen das Klimarisiko nicht in ihre Kreditrisikomodelle ein, und nur eine von fünf Banken berücksichtigt es als Variable bei der Kreditvergabe.

„Die Banken des Euroraums müssen dringend ihre Bemühungen zur Messung und Steuerung des Klimarisikos verstärken, indem sie die derzeitigen Datenlücken schließen und bewährte Verfahren übernehmen, die in diesem Sektor bereits vorhanden sind“, sagte Andrea Enria, Vorsitzender des einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus.

Insgesamt 104 Banken nahmen an der umfassenden Untersuchung teil, die als Lernangebot für Banken und Aufsichtsbehörden gleichermaßen konzipiert war. Die Auswirkungen waren jedoch weitaus geringer als von vielen Banken erwartet, und die Branche nutzt die Ergebnisse bereits, um sich gegen die Forderungen einiger EZB-Vertreter zu stellen, die von den Banken verlangen, dass sie mehr Geld zur Deckung von Klimarisiken zurücklegen.

Beim traditionellen Bankenstresstest des vergangenen Jahres, bei dem wirtschaftliche Schocks modelliert und die Auswirkungen der Pandemie berücksichtigt wurden, kam es bei 50 Banken zu Kredit- und Marktverlusten in Höhe von fast 400 Mrd. Euro. Bloomberg hatte Anfang dieser Woche bereichtet, dass die härtesten hypothetischen Szenarien des Klimatests nicht zu Verlusten führten, die eine nennenswerte Delle in den Kapitalpuffern der Banken hinterlassen würden.

Die EZB teilte mit, dass die Ergebnisse des Stresstests zwar in ihre jährliche Überprüfung der Risiken, denen die Banken ausgesetzt sind, einfließen werden, dass es aber in diesem Jahr keine direkten Auswirkungen auf das Kapital im Rahmen der Säule 2 geben wird. Das kann sich in Zukunft laut Direktoriumsmitglied Frank Elderson ändern. „Es ist klar, dass klimabedingte Risiken zu unseren obersten Prioritäten gehören“, sagte er auf einer Pressekonferenz. „Wie bei vielen neuen, aufkommenden Risiken braucht es Zeit, um sie richtig anzugehen, und wir verstehen das. Aber es stimmt auch, dass klimabezogene Faktoren, wie alle wesentlichen Risiken, letztendlich in unseren risikobasierten Aufsichtsansatz integriert werden.“

Die EZB stellte fest, dass fast zwei Drittel der Zinserträge der Banken aus treibhausgasintensiven Branchen stammen, wobei 21 Prozent auf Branchen mit höheren Emissionen entfallen. Die EZB kritisierte auch, dass die Banken kaum zwischen verschiedenen langfristigen Klimaszenarien unterscheiden und dass es ihnen an robusten Strategien“ fehle, die über die Verringerung der Engagements in den am stärksten verschmutzenden Sektoren und die Unterstützung von Unternehmen mit geringeren Treibhausgasemissionen hinausgingen.

„Dies ist zwar ein guter erster Schritt, um die Datenlücken zu schließen, doch müssen die Banken ihr Engagement für ihre Kunden verstärken, um genauere Daten und Einblicke in die Umstellungspläne ihrer Kunden zu erhalten“, so die EZB in einer Erklärung. „Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass die Banken ihre Klimarisiken in Zukunft einschätzen und steuern können.“

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