Ist die Party schon vorbei? Kündigt der kleine Aktien-Crash bereits das Ende der fetten Jahre an? Der Kurssturz der letzten Tage treibt nicht nur Anlegern die Sorgenfalten auf die Stirn. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sind die Risiken allerdings überschaubar. Nach dem Kursfeuerwerk des Jahres 2017 passt eine zeitweilige Korrektur durchaus ins Bild, ohne den weiterhin positiven Ausblick zu beeinträchtigen. Der jüngste Kursrutsch erinnert ein wenig an den weit ausgeprägteren Einbruch im Oktober 1987. Nach einigen Irritationen über den Kurs der Geldpolitik - damals gerade auch über die Politik der Bundesbank - erreichte die Konjunktur in der westlichen Welt in den Jahren danach ihren Höhepunkt. Und wenn der Aufschwung kraftvoll bleibt, werden auch die Finanzmärkte sich wieder beruhigen.
Der kleine Crash wirft drei Fragen auf:
- War oder ist die Korrektur gerechtfertigt?
- Gefährdet die Unruhe an den Märkten den Aufschwung in den USA und bei uns?
- Ergibt sich daraus Handlungsbedarf für die Geldpolitik?
Ausgelöst wurden die Turbulenzen am Freitag durch neue Wirtschaftszahlen aus den USA, die ein Anziehen der Lohninflation von 2,6 Prozent auf 2,9 Prozent zeigen. Dass Anleger darauf empfindlich reagieren, ist verständlich. Denn bei überhöhtem Lohndruck müsste die Zentralbank den Aufschwung durch eine straffe Geldpolitik abwürgen. Letztlich kann sie Lohninflation nur dadurch bekämpfen, dass sie durch eine bewusst herbeigeführte Rezession die Arbeitslosigkeit nach oben treibt. Für Aktienmärkte wäre die Kombination aus höheren Zinsen und einem rezessionsbedingten Einbruch der Unternehmensgewinne reines Gift.
Höhere Zinsen sind keine Gefahr für den Aufschwung
Aber davon sind auch die USA meilenweit entfernt. Mit 2,9 Prozent liegt der Anstieg der durchschnittlichen Stundenlöhne weit unterhalb der Gefahrenzone, die aus Sicht der US-Notenbank Fed erst oberhalb von 3,5 Prozent beginnt. Und nach Jahren sehr zurückhaltender Lohnzuwächse würde die Fed vermutlich sogar ein zeitweiliges Überschießen tolerieren.
Die Geldpolitik der Notenbank ist auf absehbare Zeit nur darauf ausgerichtet, ein Überhitzen der Konjunktur zu vermeiden. Bei stärkerer Kreditnachfrage, die sich auch in höheren Renditen für Anleihen ausdrückt, passt sie ihre Leitzinsen entsprechend an. Etwas höhere Zinsen sind Ausdruck des robusten Aufschwungs. Sie stellen keine echte Gefahr für die Konjunktur dar.
Selbst wenn die Marktturbulenzen aus volkswirtschaftlicher Sicht weit übertrieben sein mögen, so könnten spektakuläre Einbrüche der Märkte doch Fakten schaffen. Da die Vermögen der Anleger weniger wert sind, könnten einige von ihnen ihren Konsum einschränken. In den USA ist dieser Vermögenseffekt dank der dortigen Aktienkultur weit ausgeprägter als in Deutschland. Aber nach dem rasanten Anstieg der Kurse im Vorjahr überwiegen gerade in den USA noch die positiven Vermögenseffekte aus dem Vorjahr.
Kein Handlungsbedarf für die Geldpolitik
Natürlich ist es denkbar, dass das Vertrauen der US-Verbraucher und Unternehmer in den nächsten Monaten etwas durch die Aktienturbulenzen beeinträchtigt wird. Das könnte für eine zeitweilige Delle in der US-Konjunktur sprechen. Da Unternehmen und Haushalte sich jedoch gleichzeitig über niedrigere Steuern freuen können, bleibt uns selbst diese Delle vermutlich erspart. Zudem hilft der schwächere Dollarkurs den US-Unternehmen. Wenn es selbst in den USA, von denen die Verkaufswelle an den Aktienmärkten ja ausging, keinen großen Dämpfer für die Wirtschaft geben dürfte, halten sich die Risiken für Deutschland in engen Grenzen.
Für die Geldpolitik ergibt sich bisher kein Handlungsbedarf. Die US-Notenbank sollte wie geplant auf das starke Wirtschaftswachstum, die lebhaftere Kreditnachfrage und den etwas weniger verhaltenen Lohndruck reagieren, indem sie ihre Leitzinsen langsam auf ein normaleres Maß anhebt. Für den recht unwahrscheinlichen Fall, dass die US-Konjunktur doch zeitweilig schwächeln sollte, könnte sie auf einige Zinsschritte verzichten. Damit würde sie dann all die Zinssorgen vertreiben, die jetzt den kleinen Crash der Aktienmärkte ausgelöst haben. Auch in diesem Fall stünde die Ampel für Konjunktur und Märkte bald wieder auf grün.
Das Auf und Ab gehört zum menschlichen Leben. Auf der ständigen Suche nach den richtigen Kursen in einer sich ändernden Welt überschießen Märkte immer wieder in beide Richtungen. Nach dem kräftigen Anstieg der Aktienkurse vorab geht von der aktuellen Korrektur keine akute Gefahr für den wirtschaftlichen Aufschwung aus, der eine Zentralbank durch eine Abkehr von ihrem jetzigen geldpolitischen Kurs begegnen müsste.
Die größten Börsencrashs
Die großen Börsencrashs
Der Bank Run in New York war ein Schock für die USA: Das Land hatte in der Industrialisierung einen beispiellosen Boom erlebt, was etliche Spekulanten und windige Unternehmer auf den Plan rief. Auslöser des Crashs am 17. Oktober waren denn auch halsbrecherische Geschäfte deutschstämmiger Einwanderer, die mit Leerverkäufen auf ein großes Kupfer-Unternehmen einen Reibach machen wollten. Die Krise wurde unter anderem mit Hilfe des angesehenen Bankers J.P. Morgan im Zaum gehalten. Sie führte in letzter Konsequenz zur Einrichtung der US-Zentralbank, die in Notsituationen eingreifen soll.
Im kollektiven Gedächtnis ist es die Mutter aller Börsenkräche: Im Oktober 1929 kam es am US-Aktienmarkt zum „Schwarzen Donnerstag“, mit dem eine lange Phase rasanten Wachstums und zunehmenden Konsums in dem Land endete. Der Crash von New York mündete in die Große Depression, in der Millionen von Menschen arbeitslos wurden. Der Absturz weitete sich zur Weltwirtschaftskrise aus. Er gilt daher oft auch als eine Ursache für die Ausweitung des sozialen Elends in Deutschland und den Aufstieg der Nationalsozialisten, die daraus politisches Kapital schlugen.
Der Absturz des Dow Jones um 22,6 Prozent an einem Tag war der bis dato größte Einbruch in der Geschichte dieses Index. Der Börsenkrach war der erste, bei dem Computer eine entscheidende Rolle spielten: Die Automatisierung bei der Zusammensetzung der Portfolios verstärkte noch den Abwärtssog an den Märkten. Zwei Monate nach dem Crash erschien der Spielfilm "Wall Street" von Oliver Stone. Er wirkte wie ein Kommentar zu den aktuellen Ereignissen und wurde zu dem Börsenfilm schlechthin.
Jedem, der derzeit in Tech-Aktien investiert, sei noch einmal ein näheres Studium des Dotcom-Crashs empfohlen. Er ist generell ein perfektes Beispiel für Blasen an den Aktienmärkten. In den 90ern führte die Verbreitung des Internets zu irrationalem Überschwang, Phantasie-Bewertungen und übertriebenen Erwartungen an die reihenweise an die Börse gebrachten jungen Firmen. Diese Euphorie endete abrupt im März 2000, als nach ersten Verkäufen einzelner zweifelnder Investoren der Markt völlig in sich zusammen brach und auch viele Kleinanleger um ihr Geld brachte.
Als die Terroranschläge vom 11. September 2001 die Türme des World Trade Center in New York zum Einsturz brachten, wurde die Wall Street umgehend geschlossen und zwar für ganze sechs Tage. Das war die längste Pause auf dem Parkett seit der Großen Rezession in den 30er-Jahren. Nach der Wiedereröffnung des Handels fiel der Dow Jones um rund sieben Prozent.
Es war die größte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit: Die Immobilienkrise in den USA schwelte seit 2007, die US-Regierung hatte bereits Banken gerettet, bis sie bei der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers einen Strich zog: Das Bankhaus sollte – trotz weitreichender Verflechtungen im globalen Finanzsystem - nicht mehr gerettet werden. Die Folge: Am 15. September 2008 brach Panik an den Börsen aus. Der Dow Jones fiel innerhalb eines Tages um fast 800 Punkte. Der Niedergang an den Märkten hielt noch bis ins Jahr 2009 an.
Es war einer der ungewöhnlichsten Crashs der Börsengeschichte: Innerhalb von wenigen Minuten verlor der Dow Jones Industrial Average Index 1000 Punkte. Der plötzliche Einbruch begann am 6. Mai 2010 am frühen Nachmittag und hielt ungefähr 36 Minuten an. Zu den Ursachen gab es zunächst viele Theorien. Mittlerweile ist bekannt, dass der Kurssturz offenbar durch eine Marktmanipulation eines Londoner Daytraders ausgelöst wurde. Im Nachgang des Crashs wurden schärfere Regeln für die US Börsen beschlossen.