Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wird auch nach dem akuten Absturz der Wirtschaft Zeit brauchen, um sich zu erholen. Und die Regierungen und Zentralbanken tun momentan alles, um möglichst viele Unternehmen über den partiellen Shutdown hinweg zu retten. Damit helfen sie, Angebotsengpässe zu reduzieren. In diesem und im kommenden Jahr dürfte Inflation also kein Thema werden.
Inflationsrate vorerst mit begrenztem Aussagewert
Mehr noch: Die Inflationsrate wird in den kommenden Monaten keinen echten Aussagewert haben, weil der zugrundeliegende Warenkorb in der Krise die Verbrauchergewohnheiten nicht richtig abbildet. Für nennenswerte Teile des Warenkorbes können derzeit keine Preise ermittelt werden, weil die Waren und Dienstleistungen momentan gar nicht angeboten werden: Restaurants, Ladengeschäfte, Freizeiteinrichtungen, Hotels, Kinos, Theater und sonstige Bühnen – alles geschlossen. Dienstleister machen eine Zwangspause, Urlaubsreisen finden nicht statt. Allein der Bereich „Freizeit, Unterhaltung und Kultur“, der momentan weitgehend brach liegt, macht 11,3 % des Warenkorbes, mit dem die Inflationsrate ermittelt wird, aus. „Gaststätten und Beherbergungsdienstleistungen“ stehen für weitere 4,7 %. Und der Bereich Verkehr (12,9 % des Warenkorbes) ist derzeit stark eingeschränkt: Der Verkauf von Fahrzeugen ist weitgehend gestoppt und wegen der verstärkten Arbeit im Home Office sowie den aktuellen Kontakteinschränkungen ist die Mobilität deutlich reduziert – die Verbraucher profitieren deshalb nicht einmal vom kräftig gesunkenen Ölpreis, wie es in normalen Zeiten der Fall wäre.
Betroffene Unternehmen sollten Corona-Preisaufschlägen erwägen
Doch auch wenn die strikten Ausgangsbeschränkungen gelockert werden, wird es an der Preisfront ein paar weitere Sondereffekte geben. Trotz aller Ungewissheiten über den weiteren Verlauf der Infektionswelle ist klar, dass die Rückkehr in den Alltag nur schrittweise erfolgen kann. In vielen Bereichen wird es eine Übergangsphase geben, in denen verstärkte Hygiene- und Schutzmaßnahmen eingehalten werden müssen. Diese Maßnahmen kosten Geld und viele Betriebe werden gezwungenermaßen erst einmal nicht mit voller Kapazität arbeiten können, weil Abstandsregeln einzuhalten sind. Unternehmen sollten sich nicht scheuen, diese Mehrkosten durch temporäre „Corona-Aufschläge“ auf die regulären Preise auszugleichen.
Warum sollen nicht beispielsweise Restaurants einen Preisaufschlag nehmen, solange sie aufgrund behördlicher Vorgaben und zum Schutz ihrer Kunden zwischen den einzelnen Tischen Mindestabstände einhalten müssen und somit deutlich weniger Gäste bedienen können? Nicht nur Restaurants, auch für viele andere Dienstleister könnte für die Übergangsphase zwischen Shutdown und Normalität ein Modell „Weniger Gäste mit höherer Zahlungsbereitschaft“ sinnvoll sein. Solche Preisaufschläge mögen manche Kunden als ungerechtfertigt empfinden. Wirtschaftlich gibt es aber gute Gründe, denn die Betriebe können ihre Fixkosten nur mit einem deutlich kleineren Kundenkreis verdienen. Ob Theater, Opernhäuser oder Kinos – zwischen kompletter Schließung und normalem Geschäftsbetrieb wird es Zwischenlösungen geben. Neben den erforderlichen Abständen gilt es, den Einlass und das Verlassen der Veranstaltung anders zu organisieren als bisher. Genauso werden im kommenden Winter die Skigebiete wohl kaum geschlossen bleiben, denn das Skifahren an sich birgt keine speziellen Infektionsgefahren. Aprés Ski-Partys wird es in der nächsten Saison wohl nicht geben können und Menschenansammlungen vor und in den Liftanlagen sind zu vermeiden. Dafür könnten die Liftkarten kontingentiert und ausschließlich vorab online verkauft werden, um einen unkontrollierten Besucheransturm zu verhindern. Wie das alles wirtschaftlich umgesetzt werden kann, wissen die jeweiligen Unternehmen am besten. Aufgabe der Politik ist es, die Regeln hinsichtlich Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen zu setzen. Aufgabe der Unternehmen ist es, kreative Lösungen zu finden, um mit diesen behördlichen Auflagen in den Geschäftsbetrieb zurückzufinden.
Wenn dafür Preisaufschläge nötig sind und dies in der Preisstatistik zu einer höheren Inflationsrate führt, sollten wir das ausnahmsweise ignorieren. Denn hohe Preise sind allemal besser als gar keine Preise, weil weiterhin alles geschlossen bleibt. Und für die Zentralbanken wären solche temporären Preisschübe für einzelne Waren und Dienstleistungen ebenfalls kein Grund, von ihrer geldpolitischen Linie abzuweichen.