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US-Bankenkrise Wie JPMorgan sich die Reste der First Republic Bank einverleibte

Jamie Dimon, Chef von JPMorgan Chase
Jamie Dimon, Chef von JPMorgan Chase, hat gute Kontakte ins Weiße Haus
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jacquelyn Martin
Die amerikanische Großbank JPMorgan Chase hat die angeschlagene First Republic Bank gekauft und ist damit noch weiter gewachsen. Wie der Deal zustande kam und welche Rolle JPM-Chef Jamie Dimon spielte

Nach Wochen der Ungewissheit und einer letzten langen Gesprächsrunde lag das Schicksal der First Republic Bank schließlich in den Händen von JPMorgan Chase. Jamie Dimons  Großbank stand im Mittelpunkt First Republic-Diskussionen, seit sich das angeschlagene Institut aus Kalifornien in diesem Jahr als Schwachstelle des Sektors entpuppt hatte. Innerhalb von zwei Monaten ist JPMorgan nun vom Berater zum Einleger zum Käufer der First Republic geworden.

JPMorgan sichert Einlagen, US-Regierung übernimmt Verlustbeteiligung

In einer Auktion setzte sich JPMorgan schließlich gegen die Gebote konkurrierender Banken durch. Die Bundesaufsichtsbehörden hatten sie am Wochenende und bis in die frühen Morgenstunden des Montags durchgeführt. Ihre Entscheidung einzugreifen, brachte eine größtenteils private Lösung für die zweitgrößte Bankenpleite in der Geschichte der USA – und eine Erleichterung für die Regierung Biden. Die Strukturen des Deals mit First Republic unterscheiden sich von der der Silicon Valley Bank (SVB) und der Signature Bank, die Anfang März zusammengebrochen sind. Ähnlich ist aber, dass es sich um eine weitere Ad-hoc-Lösung für die Probleme dieses Sektors handelt.

JPMorgan hat alle Einlagen von First Republic übernommen. Damit musste die US-Regierung die Bank nicht zu einem „systemischen Risiko“ erklären, um Einlagen über der Garantiegrenze von 250.000 US-Dollar zu schützen. Gleichzeitig sicherte sich JPMorgan eine Verlustbeteiligung der Bundesaufsichtsbehörden, um so eine Belastung durch die problematischsten Kredite von First Republic zu vermeiden – ein entscheidendes Schmankerl für den Käufer.

Zwar spielten hochrangige Beamte der Biden-Regierung bei den Verhandlungen eine weniger prominente Rolle als beim Scheitern der SVB. Doch das Geschäft kam erst nach hitzigen Diskussionen zwischen Washington und der Wall Street zustande. Das US-Finanzministerium erklärte am frühen Montag, es sei „ermutigt“, dass die Transaktion, die Kosten für den Einlagensicherungsfonds minimiert habe, „und zwar auf eine Weise, die alle Einleger schützt“.

Das Ministerium fügte hinzu, das Bankensystem sei „solide und widerstandsfähig“, die Einlagen seien sicher. Die Amerikaner sollten weiterhin darauf vertrauen, dass das Bankensystem „seine wesentliche Funktion der Kreditvergabe an Unternehmen und Familien erfüllen“ könne.

Der Niedergang der First Republic

Die in San Francisco ansässige First Republic hing wochenlang am seidenen Faden. Der Zusammenbruch der SVB im nahegelegenen Santa Clara in Kalifornien hatte am 10. März die Aufmerksamkeit auf die Banken gelenkt, die sich auf kostengünstige, nicht versicherte Einlagen stützten. Aufgrund steigender Zinssätze verzeichneten diese umfangreiche Verluste bei langlaufenden Anlagen. Die Rating-Agenturen stuften First Republic wiederholt herab, der Aktienkurs fiel um mehr als 90 Prozent und die Situation spitzte sich zu.

Besiegelt wurde das Schicksal von First Republic als eigenständiges Institut wahrscheinlich am vergangenen Montag. Da gab das Unternehmen in den Ergebnissen des ersten Quartals bekannt, dass Kundinnen und Kunden Einlagen im Wert von über 100 Mrd. US-Dollar abgezogen hatten – mehr als das Doppelte der von Analysten erwarteten 40 Mrd. US-Dollar. Schlimmer sogar, es würden weiterhin Einlagen der Bank abfließen.

Diese Entwicklung stand im Gegensatz zu anderen regionalen Kreditgebern. Diese waren nach dem Zusammenbruch der SVB zwar ebenfalls von Abflüssen betroffen gewesen, berichteten aber, dass die Kunden zurückkämen. Vorstandschef Michael Roffler verschreckte die Anleger dann noch mehr, als er sich bei einer Telefonkonferenz für Analysten weigerte, Fragen zu beantworten. Am Dienstagmorgen mehrten sich die Befürchtungen, dass First Republic ohne staatliche Unterstützung oder irgendeine Art strategische Transaktion die Woche nicht überstehen könnte – und die Berater der Bank bereits händeringend nach einer Lösung suchten, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Ein Vorschlag war, dass größere Banken einen Teil der Aktiva der Bank zu einem höheren Preis kaufen sollten als dem Marktpreis. Die größeren Banken zögerten aber die Verluste zu übernehmen, solange First Republic keine staatliche Unterstützung bekommt, um weitere Drucksituationen zu überstehen. Am Mittwoch bat die amerikanische Einlagensicherungsbehörde FDIC etwa ein Dutzend Banken um informelle Angebote. Dabei ging es zum einen auch um das, was die Käufer für Einlagen und Vermögenswerte von First Republic zu zahlen bereit wären; zum anderen um die Höhe der Verluste, die die FDIC auffangen müsste, um das Geschäft abzuschließen. Das berichten Personen, die mit den Diskussionen vertraut sind.

First Republic bemüht sich um Unterstützung der Regierung

Bei First Republic herrschte noch ein gewisser Optimismus, das Aus abwenden zu können. Sie verstärkte ihre Bemühungen, die Biden-Regierung auf ihre Seite zu ziehen und versuchte durch Berater, die eng mit dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama zusammengearbeitet hatten, mehr bei der aktuellen Regierung zu erreichen. Zu den Beratern gehörte Jim Messina, Obamas Wahlkampfmanager für die Wiederwahl im Jahr 2012. Ebenfalls involviert war Peter Orszag, der während der ersten Obama-Regierung Leiter der US-Finanzverwaltungsbehörde war und jetzt Chef des Finanzberatungsgeschäfts bei Lazard ist, dem Finanzberater von First Republic.

Am Donnerstag berichtete die „Financial Times“, dass JPMorgan, das als Banker von First Republic fungierte, an den Verhandlungen beteiligt war. Sie würden einen Weg suchen, die angeschlagene Bank zu übernehmen und ihre Zwangsabwicklung zu verhindern.Ein Insider berichtet, es sei klar geworden, dass JPM-Chef Dimon eine zentrale Rolle in jedem Plan spielen würde, in dem es darum geht, die Ersparnisse der Einleger zu sichern.

Beamte der Biden-Regierung waren aber immer noch skeptisch, dass First Republic das Aus vermeiden könnte. „Die Beamten haben schon seit einiger Zeit ein ziemlich klares Bild vom möglichen Verlauf der Ereignisse, und die Regulierungsbehörden haben sich viel Zeit gelassen, einen machbaren Weg zu präsentieren“, sagte einer. In einem Briefing am Donnerstagnachmittag sagte Karine Jean-Pierre, die Pressesprecherin des Weißen Hauses, keine Maßnahmen zu. Sie deutete aber an, dass die Regierung, wenn nötig, bereit sei zu intervenieren.

Während der Turbulenzen im Bankensektor haben die Spitzenbeamten von Biden versucht, sich an einige Hauptprioritäten zu halten: Vermeidung einer Ansteckung der US-Wirtschaft, Minimierung des Risikos für die Steuerzahler und Schutz der Einleger und nicht der Aktionäre oder Gläubiger. Sie wollten allerdings den Eindruck vermeiden, dass sie sich auf eine Reihe von milliardenschweren Rettungsaktionen für angeschlagene Banken einlassen würden. „Wir haben wichtige Instrumente eingesetzt, um das Bankensystem schnell zu stabilisieren. Wir könnten diese Instrumente bei Bedarf wieder einsetzen“, sagte Jean-Pierre. „Selbstverständlich beobachten wir die Situation“.

First Republic bei den Verhandlungen am Ende selbst außen vor

Angesichts der zunehmenden Schuldzuweisungen, war dann am Freitag jeglicher Optimismus verflogen, dass First Republic die Beschlagnahmung durch die FDIC verhindern könnte. Die Berater von First Republic hatten das Gefühl, nie ganz von wichtigen Personen in Washington unterstützt worden zu sein bei einer Lösung, die es der Bank erlaubt hätte, unabhängig zu bleiben. Darunter seien auch Personen der Notenbank Federal Reserve und des Finanzministeriums, sagen zwei mit den Verhandlungen vertraute Personen. Die Fed und das Finanzministerium lehnten eine Stellungnahme ab.

Gleichzeitig kam die letzte Phase der Gespräche in Fahrt – über die Frage, was mit der Bank geschehen soll, sobald sie von den Regulierungsbehörden übernommen wurde. Ein Insider erläutert den Knackpunkt der Sache: First Republic wollte den Betrieb aufrechterhalten, JPMorgan und andere potenzielle Käufer wollten, dass die FDIC vor einer Übernahme eingreift. Die Regierung hätte die Schließung des Kreditgebers nur in Betracht gezogen, wenn es offensichtlich keine andere Lösung gegeben hätte. First Republic und seine Berater hatten zunehmend das Gefühl, aus den Verhandlungen gedrängt zu werden und mussten bald vom Rande der Verhandlungen zusehen, wie die Regierung und potenzielle Bieter über das Schicksal von First Republic entschieden.

Die FDIC eröffnete einen Datenraum für die aussichtsreichsten Bieter. Ziel war es, bis Sonntagnachmittag einen Käufer zu finden, um die Situation vor Öffnung der Märkte am Montag zu klären. Guggenheim Securities, das als Finanzberater der FDIC fungiert, kontaktierte einige Private-Equity-Firmen, die auch Angebote vorbereiten sollten. JPMorgan zog sich als Berater von First Republic zurück und ermöglichte damit mehr als 800 seiner Mitarbeitenden das Wochenende über rund um die Uhr die Bücher der angeschlagenen Bank zu durchforsten. Die Biden-Regierung war weniger aktiv als bei SVB und Signature. Aber wichtige Persönlichkeiten verfolgten die Entwicklungen aufmerksam, darunter Finanzministerin Janet Yellen, die Direktorin des Nationalen Wirtschaftsrats Lael Brainard und der Stabschef des Weißen Hauses Jeff Zients.

JPMorgan dank „Retter-Rolle“ nun noch größer 

Als sich JPMorgan am Wochenende als Favorit herausstellte, sagte ein Insider, dass Dimon über seine Kontakte in Washington einen „direkten Draht“ zu Biden habe. Mit Fortschreiten des Prüfverfahrens wurden die Beamten zuversichtlich, dass eine Bank, vielleicht sogar fünf, ein Angebot abgeben würden. Folgendes Ergebnis wurde bevorzugt: Wenn sie einer anderen Bank im Rahmen eines Deals Unterstützung anbieten würde, befürchtete die Regierung weniger politische Konsequenzen, als wenn First Republic an einen Private-Equity-Käufer gehen würde. Die Aussicht, dass große Banken kleinere Kreditgeber aufkaufen könnten, während sich die Turbulenzen im Finanzsystem ausbreiten, ist seit März trotzdem ein politischer Krisenherd.

Republikanische Gesetzgeber warfen der FDIC im vergangenen Monat vor, potenzielle Käufer für die SVB zu vernachlässigen. Sie fragten sich, ob eine Voreingenommenheit gegenüber größeren Instituten mit ein Grund dafür war, dass sich keine Lösung aus dem Privatsektor abzeichnete – eine Behauptung, die der Vorsitzende der FDIC, Martin Gruenberg, vehement bestritt. Doch am Sonntag hatten kartellrechtliche Überlegungen an Bedeutung verloren, zumindest für den Moment. „Die FDIC muss sich die kostengünstigste Alternative ansehen, das ist ihr Auftrag“, sagte Ro Khanna, ein demokratischer Kongressabgeordneter aus Kalifornien, gegenüber CBS News auf die Frage, ob große Banken an der Übernahme des Kreditgebers gehindert werden sollten.

Ian Katz von Capital Alpha Partners warnte allerdings, dass der politische Widerstand gegen das Geschäft zunehmen könnte, sobald sich der Nebel gelegt hat. „Die Kosten für die bundesstaatlichen Bankenaufsichtsbehörden [...] werden über die Summe der Dollarbeträge hinausgehen“, sagte er. „JPMorgan hätte niemals die behördliche Genehmigung für den Kauf einer gesunden Bank von der Größe von First Republic erhalten. JPM wird nun durch seine Rolle als Retter der letzten Instanz noch größer werden“. Die Aufsichtsbehörden werden wahrscheinlich auch ihre Bemühungen beschleunigen, das Bankensystem mit strengeren Regeln zu stützen, sagte Jaret Seiberg, ein Managing Director bei Cowen Group. Michael Barr, der stellvertretende Vorsitzende der Fed für die Aufsicht, hat nach den jüngsten Bankenzusammenbrüchen bereits eine härtere Gangart signalisiert.

JPM-Chef Dimon weist Kritik zurück

Die Beschlagnahmung und Übernahme der First Republic über die Ziellinie zu bringen, war dennoch nicht einfach. Bis Sonntagmittag hatten zwei Banken, die als Interessenten galten, nämlich die Bank of America und die US Bancorp, das Bieterverfahren abgebrochen. Damit blieben drei Banken im Rennen – JPMorgan, PNC und Citizens. Nachdem die ersten Angebote als unzureichend eingestuft worden waren, forderte die FDIC die Banken am Sonntag auf, ihre Angebote im Laufe des Tages erneut einzureichen - was eine nächtliche Hektik auslöste, bis die Lösung endgültig feststand. Kurz nach 3:20 Uhr Washingtoner Zeit am Montag gab die FDIC die Einigung bekannt.

Nach dieser Ankündigung schlug Dimon einen trotzigen Ton an und wies die Kritik zurück, die größte Bank des Landes sei zu mächtig geworden. „Wir sind in der Lage, unseren Kunden zu helfen. Das sind Städte, Schulen, Staaten, Krankenhäuser und Regierungen“, sagte er am Montag. „Wir sind eine Bank für Länder, für den IWF und für die Weltbank. Man braucht große, erfolgreiche Banken. Und jeder, der glaubt, dass es für die Vereinigten Staaten von Amerika gut wäre, das nicht zu haben, sollte mich direkt anrufen.“

©2023 Financial Times Ltd.

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