Capital: Herr Breuer, die DFL-Mitgliederversammlung der 36 Erst- und Zweitligisten hat gegen den Teilverkauf ihrer Marketingrechte an einen Investor gestimmt. Es war klar, dass die Abstimmung knapp werden würde – aber hat Sie das Votum überrascht?
CHRISTOPH BREUER: Ja, das Ergebnis hat mich tatsächlich überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass es zu einem definitiven Nein kommt. Eher hätte ich gedacht, dass die finale Entscheidung verschoben wird.
Warum haben die Bundesligavereine so entschieden?
Das ist eine gute Frage. Zunächst einmal sind die Interessen der 36 Klubs höchst unterschiedlich. Hinzu kommt, dass sich scheinbar ein Graben aufgetan hat zwischen Klubs, die international wettbewerbsfähig sein wollen, und Klubs, die keine internationalen Ambitionen hegen und deren Klubführung an einem guten Verhältnis zu ihrer aktiven Fanzszene interessiert sind. Die aktiven Fanszenen stehen insbesondere einer Mitbestimmung durch Investoren äußerst kritisch gegenüber.
Einige ablehnende Vereine haben ihr Votum aber in erster Linie mit fehlender Transparenz begründet.
Klar ist, dass noch gar nicht alles ausverhandelt sein konnte. Zudem bringt es gerade der Prozess der Konsensfindung innerhalb der DFL mit sich, dass sich immer Verschiebungen ergeben – etwa was die konkrete Verteilung der Mittel anbelangt. Darüber hinaus wissen viele Klubs aus eigener Erfahrung, dass ein Investor auch ohne formale Rechte sicherlich informelle Möglichkeiten nutzen wird, um Einfluss geltend zu machen. Zudem gibt es unterschiedliche Auffassungen in der Gruppe über mögliche Finanzierungsalternativen durch Fremdkapital, die nicht hinreichend geprüft worden seien – für andere aber ein No Go darstellen. Das alles kann zu einem Gefühl einer nicht hinreichenden Transparenz führen.
Im Verlauf ist auch die Investitionssumme ist immer kleiner geworden. Am Anfang war von fast 3 Mrd. die Rede, am Ende von knapp 2 Mrd. Ist die Bundesliga zu unattraktiv und die Summe wurde deshalb immer kleiner?
Die Attraktivität einer Investition hängt auch von den Mitwirkungsrechten eines Investors ab. Und je klarer wurde, dass formale Mitbestimmungsrechte beschnitten werden, umso weniger attraktiv wurde die Investition für potenzielle Investoren. Insofern ist diese Entwicklung nicht überraschend. Die fehlenden Mitwirkungsrechte wurden durch die interessierten Private Equity-Gesellschaften quasi eingepreist.
Einige Medien haben im Anschluss an die Entscheidung geschrieben, dass die Bundesliga daran zerbrechen könnte. Glauben Sie das auch?
Es ist sehr deutlich geworden, dass die DFL keine homogene Organisation ist. Aber klar war dies im Prinzip schon früher. Die Frage war, ob sie sich bei zentralen Zukunftsfragen zusammenraufen kann. Eine direkte Aufspaltung sehe ich aber nicht, auch wenn die Gräben innerhalb der DFL vielleicht erst einmal größer geworden sind. Ich vermute aber, dass man nach einer Zeit des Wundenleckens sich darauf besinnen wird, dass man aufeinander angewiesen ist, um das Produkt Bundesliga herzustellen. Man ist Konkurrent und Kooperationspartner zugleich. Je stärker es den international ambitionierten Klubs aber droht wirtschaftlich von den englischen, spanischen und italienischen Klubs abgehängt zu werden, desto stärker werden sie die Frage stellen, ob Solidarität eine Einbahnstraße ist. Von einer direkten Abspaltung von erster und zweiter Liga gehe ich derzeit nicht aus. Zum einen ist mir gar nicht bekannt, ob die Abstimmungsdifferenz tatsächlich entlang der Grenze zwischen erster und zweiter Liga verlief – ich habe da gewisse Zweifel. Zum anderen ist die Abspaltung gemäß der Satzung gar nicht so einfach. Soweit ich informiert bin, bedarf es einer solchen Abspaltung auch einer Zweidrittelmehrheit. Und die Zustimmung von Zweitligaklubs zu einer solchen Abspaltung wäre betriebswirtschaftlich mehr als unvernünftig.
Könnte die jetzige Entscheidung Topklubs wie Bayern und Dortmund so aufstoßen, dass sie nun die Super League wollen?
Die Frage lautet ja nicht Super League oder Bundesliga , sie lautet: Super League oder UEFA Champions League. Ohne einen nationalen Ligenwettbewerb käme derzeit kein Klub über die Runden. Aber vielleicht stößt das Abstimmungsergebnis so stark auf, dass zumindest die emotionale Distanz gegenüber der Super League abnimmt und man nüchtern das ganze Wettbewerbssystem des Profifußballs mit seinen ökonomischen Risiken und seiner Chancengerechtigkeit nochmals reflektiert. Tatsächliche Änderungen erwarte ich aber nur im Kleinen.
Einige Fanvertreter halten einer Investorenlösung entgegen, dass den meisten Fans der internationale Erfolg ziemlich egal ist. Fans von Heidenheim oder dem HSV rechnen ohnehin nicht damit, dass ihr Verein in naher Zukunft international dabei sein wird. Warum sollten sie mit dem Investorenpaket also diese Ambitionen unterstützen?
Wer diese Haltung einnimmt, unterschätzt, wie wichtig die TV-Einnahmen für den eigenen Verein sind und wie unsicher diese in der Zukunft sind. Die Bundesliga war in den letzten Jahren deshalb so erfolgreich, weil sie unter Ex-DFL-Chef Christian Seiffert zu einem Medienunternehmen geworden ist. Das ist mit ständiger Weiterentwicklung verbunden, weil zum einen die Konkurrenz groß ist. Nicht nur durch andere Ligen, sondern auch durch andere Sportarten wie die NFL oder Basketball oder Streamingportale wie Netflix. Die Bundesliga ist Teil eines komplexen Unterhaltungsmarktes und muss sich dort behaupten.
Und nicht nur die Anbieterseite wandelt sich, sondern auch die Nachfragerseite. Gerade mit den sozialen Medien ändern sich die Sehgewohnheiten insbesondere jüngerer Generationen deutlich. Um darauf angemessene Antworten finden zu können, sind Investitionen notwendig. Es geht also nicht nur um die internationale Wettbewerbsfähigkeit einzelner deutscher Klubs, sondern um die Sicherung der wichtigsten Einnahmequelle für alle deutschen Profiklubs.
Aber gerade in dieser Woche zeigt sich doch, wo das echte Interesse der Fans liegt: Kaum könnte Bayern München die Meisterschaft durch die Lappen gehen, interessieren sich plötzlich wieder Millionen Menschen für Fußball. Müsste der Fußball nicht also viel stärker in den sportlichen Wettbewerb investieren – durch radikale Umverteilung?
Das Herausfordernde ist, dass sich die Bundesliga in zwei Wettbewerben gleichzeitig befindet, dem nationalen und dem internationalen. Und was der Ausgeglichenheit des nationalen Wettbewerbs nützt, schadet der Ausgeglichenheit auf internationaler Ebene. Man könnte diesen Konflikt nur durch geschlossene Wettbewerbe ohne Auf- und Abstieg und ohne Qualifikation für internationale Wettbewerbe hinreichend lösen. Aber dieses amerikanische Modell scheint nicht gewollt – gerade auch von den aktiven Fanszenen nicht, obwohl dies nüchtern betrachtet die Hauptursache für die Verteilungskonflikte ist.
Zudem haben sich die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse zwischen nationalem und internationalem Wettbewerb in den letzten Jahren deutlich verschoben. Ich kann national mitunter gar nicht so viel umverteilen, dass Erlöse aus der Champions League und daraus resultierende Wettbewerbsvorteile erfolgreicher Topklubs ausbalanciert werden. Allein dies zeigt schon, dass die Bundesliga an ökonomischer Handlungsfähigkeit verloren hat. Und wenn diese nicht weiter beschnitten werden soll, muss man eben in die Entwicklung seiner medialen Produkte investieren.
Hätte der Einstieg eines Investors dazu geführt, dass die Vereine mehr hätten investieren können? Manchen Klubs wurden nur Beträge von etwa 2 Mio. Euro pro Saison in Aussicht gestellt. Das sind doch kaum nennenswerte Summen im Fußball…
Das stimmt, Abstände zur englischen Premier League hätten dadurch nicht verkürzt werden können. Zumal Spielerberater diese höhere Liquidität bei ihren Verhandlungen mit den Bundesligaklubs sicherlich gleich eingepreist hätten. Das Ergebnis wäre vermutlich eine spezifische Inflation auf dem Markt für sogenannte Nicht-Unterschiedsspieler gewesen. Wirklich geholfen hätte diese Teilmaßnahme nur jenen Klubs, die massive Liquiditätsprobleme haben und das Geld anders verwendet hätten. Ich habe diese Verwendungsmöglichkeit daher eher als politischen Preis nach innen gesehen, um die Zustimmungswahrscheinlichkeit zum Investoreneinstieg insgesamt zu erhöhen. Für die Zukunft der Liga ist es aber viel entscheidender, dass die Kerninvestition tatsächlich getätigt wird – also die Medienmarke Bundesliga voranzubringen.
Ließe sich diese Kerninvestition noch auf anderen Wegen erreichen, ohne gleich einen Fanprotest auszulösen? Also beispielsweise über die Aufnahme von Fremdkapital – auch wenn der DFL-Aufsichtsratsvorsitzender Hans-Joachim Watzke das zunächst ausgeschlossen hat?
Prinzipiell ist dies möglich. Aus meiner Sicht müsste man sich ja auch nicht 2 Mrd. Euro am Kapitalmarkt besorgen, sondern nur die Summe, die für die Kerninvestition der medialen Weiterentwicklung essentiell ist - also ohne Infrastrukturmaßnahmen und Spielerkäufe der Klubs. Ich kenne hier zwar den Business-Plan der DFL nicht. Aber nach dem letzten Verwendungsschlüssel müssten dies ja nur 40 Prozent der 2 Mrd. sein. Das macht dann natürlich schon einen riesigen Unterscheid, ob ich 800 Mio. Euro oder 2 Mrd. Euro aufnehmen muss.