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Kolumne In China fällt Alibaba unter die Räuber

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Der Sturz des Internet-Multimilliardärs Jack Ma und seiner Alibaba-Gruppe enthüllt die gefährlichen Untiefen der chinesischen Wirtschaft

Mächtig und reich bleibt in China nur, wer sich nicht mit Staats- und Parteichef Xi Jinping anlegt. Diese bittere Erfahrung muss nun auch der Mann mit dem größten Privatvermögen im Reich der Mitte machen: der Multimilliardär Jack Ma. Seine Alibaba-Gruppe galt bis vor kurzem als der Megadynamo des chinesischen Internets, so groß und profitabel wie der globale Konkurrent Amazon. Ein Konzern, der seine Vorherrschaft im Onlinehandel immer weiter ausbaut und zugleich immer neue Geschäftsfelder im Internet erobert. Doch nun könnte Alibaba unter die Räuber fallen. Nach einer kritischen Rede des Multi-Milliardärs über die zunehmenden Eingriffe des chinesischen Staats in die Entwicklung der Internetwirtschaft stoppte Xi persönlich im November den bereits fest terminierten Börsengang der Alibaba-Tochter Ant. Seitdem hört man von dem früher äußerst umtriebigen Gründer in der Öffentlichkeit kein einziges Wort mehr. Ma ist offensichtlich in Ungnade gefallen.

In der letzten Woche folgte der nächste Schlag des Staatsapparats: Die oberste Kartellbehörde Chinas leitete eine formelle Untersuchung gegen Alibaba ein wegen „monopolistischer Praktiken“. Der Kurs der Aktie setzte danach seinen steilen Abstieg mit einem zweistelligen Tagesverlust fort. Und im chinesischen Internet wachsen seitdem die Spekulationen, Ma könne schon bald noch größeres Unheil drohen. Durch sein großes Sendungsbewusstsein und seinen überaus großen Reichtum sei Ma offenbar zu einer Bedrohung für das Machtmonopol Xi Jinpings geworden.

Manche China-Experten sprechen sogar von einem „Chodorkowski-Moment in China“. Der russische Ölmilliardär Michail Chodorkowski legte sich 2003 öffentlich mit Präsident Wladimir Putin an, wanderte nur ein paar Monate später wegen angeblicher Steuerhinterziehung ins Gefängnis und verlor nach einer Kette von manipulierten Gerichtsverfahren fast sein gesamtes Vermögen. Erst nach zehn Jahren Lagerhaft kam Chodorkowski wieder frei. Mittlerweile gilt sein Fall als die entscheidende Wasserscheide in der Entwicklung Russlands zurück zu einer korrupten Staatswirtschaft.

Bei allen großen Unterschieden zwischen China und Russland und zwischen Ma und Chodorkowski, gibt es mindestens eine Gemeinsamkeit: In beiden Ländern gibt es keine Rechtssicherheit und niemand, aber auch niemand kann sich deshalb vor staatlicher Willkür schützen. Xi Jinping hat die ohnehin bescheidenen Ansätze eines „Rechtsstaats chinesischer Prägung“, die unter seinen Vorgängern entstanden waren, in den letzten Jahren massiv zurückgedreht. Den Versuch führender chinesischer Juristen, wenigstens jenseits der politischen Sphäre unabhängige Gerichtsverfahren zu etablieren, muss man als gescheitert betrachten. Einige der Anwälte und Professoren, die sich in den Nuller Jahren für diesen Weg eingesetzt hatten, wanderten unter Xi Jinping selbst ins Gefängnis.

Außerhalb des inneren chinesischen Machtapparats weiß niemand, ob Jack Ma noch einmal davonkommt oder ob man mit Schlimmeren rechnen muss. Noch glauben die Aktionäre der Alibaba-Gruppe an eine gütliche Einigung, wie man an dem Börsenkurs der Papiere ablesen kann. Sollte es anders kommen, muss man mit einer Erschütterung in der chinesischen Wirtschaft rechnen, die weit über Jack Mas eigenes Großreich hinausgeht.

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