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Innenstädte Immobilieninvestoren ziehen sich zurück: Wie steht es um den Einzelhandel?

Auch wenn sich viele Innenstädte wieder füllen – die Folgen der Pandemie belasten den Einzelhandel nachhaltig.
Auch wenn sich viele Innenstädte wieder füllen – die Folgen der Pandemie belasten den Einzelhandel nachhaltig.
© IMAGO / Roland Hartig
Schließungen, Zugangsbeschränkungen, Angst vor einer Infektion: Die Pandemie hat dem Einzelhandel in den Innenstädten zugesetzt. Welche Folgen hat das und welche Perspektiven gibt es für die Einzelhändler nach zwei Jahren Pandemie

Eigentlich, so könnte man meinen, hat der Einzelhandel das Schlimmste hinter sich. Einen weiteren Lockdown mit Geschäftsschließungen dürfte es wohl kaum geben, vielerorts fällt inzwischen auch die 2G-Regel weg. Trotzdem belasten die Auswirkungen der Pandemie den Einzelhandel noch immer.

Das zeigt sich auch auf dem Immobilienmarkt: Investoren haben sich 2021 von Einzelhandelsimmobilien abgewendet. Sie investierten laut Jahresgutachten der Immobilienweisen nur 9,5 Mrd. Euro. 2020 waren es noch 12,3 Mrd. Euro. Die Renditen gingen im vergangenen Jahr bei allen Handelsimmobilien zurück.

Die letzten beiden Jahre seien für viele Einzelhändler ein historischer Einschnitt gewesen, sagt Stefan Hertel, Pressesprecher des Handelsverbandes Deutschland (HDE). „Eine Pandemie mit verordneten Geschäftsschließungen und Zutrittsbeschränkungen im Einzelhandel – das hatte wirklich niemand auf dem Zettel.“

Die Umsätze seien in den Innenstädten über die vergangenen zwei Jahre teilweise massiv eingebrochen. Schätzungen des HDE zufolge könnten in diesem Jahr daher rund 16.000 Geschäfte gezwungen sein, zu schließen. „Insolvenzen, Filialschließungen und Entlassungen stehen weiterhin auf der Tagesordnung – die Auswirkungen auf die Innenstädte sind immer noch dramatisch und reißen Lücken ins Stadtbild“, sagt Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA).

Onlinehandel auf dem Vormarsch

Denn der innerstädtische Einzelhandel steht ohnehin unter Druck: Der Onlinehandel wird zunehmend zur Konkurrenz, in der Pandemie hat sich das Problem noch verstärkt. Aus Angst vor einer Ansteckung blieben viele Käufer den Innenstädten fern, kauften stattdessen im Internet ein.

Für das vergangene Jahr wird für den gesamten Einzelhandel eine Umsatzsteigerung von rund drei Prozent gegenüber 2020 auf 594,4 Mrd. Euro erwartet. Allerdings entfallen davon 82,2 Mrd. Euro auf den Onlinehandel – während der innenstadtrelevante Teil des Handels deutliche Umsatzeinbußen verzeichnet, heißt es im Jahresgutachten der Immobilienweisen.

„Obwohl die Umsätze in der Gesamtbilanz wachsen werden, gibt es klare Verlierer", sagt HDE-Geschäftsführer Genth. Insbesondere die innerstädtischen Händler würden auch in diesem Jahr noch unter Nachwirkungen der Coronakrise leiden.

Es gebe allerdings kein plattes „Onlinehandel gegen Innenstädte“, gibt Hertel zu bedenken, immerhin gehöre der Online-Verkauf inzwischen auch für viele stationäre Händler zum Standard. „Da gibt es erhebliche Überschneidungen“, sagt er. Wichtig sei nur, dass die Rahmenbedingungen für alle fair seien. „Wer hierzulande Produkte anbietet, muss sich auch an alle Umwelt-, Steuer- und Verbrauchersicherheitsvorgaben halten“, sagt Hertel. Da gebe es teilweise noch erhebliche Probleme. Im Ergebnis entstehe ein unfairer Wettbewerb, den die hiesigen Händler nicht gewinnen können.

Getrübte Verbraucherstimmung

Auch wenn nun immer konkreter weitere Lockerungen der Maßnahmen in Aussicht gestellt werden, bleiben die Verbraucher zurückhaltend: Das HDE-Konsumbarometer, ein Index für die Verbraucherstimmung, fiel den dritten Monat in Folge. Der Grund dafür seien das anhaltende Infektionsgeschehen und die Corona-Maßnahmen, heißt es. Auch Anfang 2022 rechnet der HDE mit einem verhaltenen privaten Konsum.

Für das laufende Jahr erwartet der Einzelhandelsverband ein Umsatzplus von drei Prozent für die gesamte Branche – sollten die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen bald an Bedeutung verlieren.

Ein Stück Heimat

Ein Patentrezept dafür, wie Innenstädte ihre Zukunft gestalten können, gebe es nicht, sagt Stefan Hertel. „Wenn aber in enger Abstimmung aller Beteiligten vor Ort individuelle Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt werden, dann bin ich guter Hoffnung, dass viele Innenstädte auch künftig attraktiv und lebendig sein werden. Und zwar mit einem lebendigen Handel“, sagt er. Dafür brauche es eine Mischung aus attraktivem Umfeld, Gastronomie Kultur und Handel, so Hertel.

Die Rettung der Innenstädte liege im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Denn es sei zu großen Teilen der Handel, der den Fußballverein vor Ort mit Trikot- oder Bandenwerbung finanziert, das Stadtfest oder die Weihnachtsbeleuchtung bezahlt, sagt er. „Da geht es um ein großes Stück Heimat.“

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