Anzeige
Anzeige

Wiedervorlage Gesetze im Test: Die EU-Plastiksteuer

Becken mit Plastikmüll im Berliner Aquarium
Becken mit Plastikmüll im Berliner Aquarium
© IMAGO / Scherf
Mit einer Plastiksteuer wollte die EU die Flut an Verpackungsmüll aus Plastik eindämmen. Doch das Instrument funktioniert nur unzureichend. Das sind die Gründe

„Eine Eigenmittelkategorie (…), die im Verhältnis zur Menge an Verpackungsabfällen aus Kunststoff berechnet wird, die in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht recycelt werden, wird einen Anreiz zur Verringerung des Verbrauchs von Einwegkunststoffen, zur Förderung des Recyclings und zur Unterstützung der Kreislaufwirtschaft schaffen.“ (Beschluss über das Eigenmittelsystem der EU)

Plastik ist toll – es ist leicht, flexibel, unzerbrechlich und wasserdicht. Plastik ist furchtbar – es wird aus Öl hergestellt, verrottet nicht und verstopft unsere Meere. Beides stimmt. Letzteres überwiegt allerdings oft, denn die Welt ersäuft in Plastik. Nur drei Zahlen dazu: Jeder EU-Bürger produzierte 2020 im Schnitt allein 34,6 Kilo Verpackungsmüll aus Plastik, 6,5 Kilo mehr als zehn Jahre zuvor. Der gesamte Plastikmüll der EU: 30 Millionen Tonnen pro Jahr. Gut also, wenn die EU was dagegen tut. Seit Anfang 2021 gilt die EU-Plastiksteuer. Jedes EU-Land muss für jedes Kilo Plastikmüll, das nicht recycelt wurde, eine Gebühr von 80 Cent nach Brüssel überweisen. Die neu geschaffene Abgabe soll einen Anreiz für die EU-Staaten schaffen, weniger neues Plastik in Umlauf zu bringen.

Das Instrument erweist sich bisher als Flop. Denn es liefert den Unternehmen keinen Anreiz, weniger, kein oder recyceltes Plastik einzusetzen. Der Grund ist simpel: Bisher zahlen alle EU-Länder die EU-Plastikabgabe einfach aus den allgemeinen Steuereinnahmen. Deutschland überwies 2021 und auch 2022 jeweils rund 1,4 Mrd. Euro an die EU, den größten Einzelbetrag von insgesamt 5,8 Mrd. Euro Gesamteinnahmen aus der Steuer. Denn wir sind nicht nur Europas größte Volkswirtschaft und größter Plastikproduzent, wir sind auch mengenmäßig Spitzenreiter beim Nichtrecyceln von Plastik – mit 1,7 Millionen Tonnen, so die EU-Statistik.

Kein einziges Land der EU aber belastet damit bisher jene Unternehmen, die Verpackungen lieber aus Neuplastik herstellen als aus Rezyklat, also aus recyceltem Kunststoff. Und die Neuproduktion ist bisher die Regel. So stammen laut „Plastikatlas“ der Heinrich-Böll-Stiftung nur 13,7 Prozent der in Deutschland verarbeiteten Kunststoffe aus recyceltem Material (2019). Nestlé kam 2020 auf 4,2 Prozent Rezyklat, Unilever auf elf Prozent. Die Masse der Verpackungen ist aus Neuplastik – sprich Erdöl. Denn Öl war lange billig, Rezyklat teuer.

Immerhin: Spanien und Italien haben dieses Jahr eine nationale Plastiksteuer eingeführt, die von der Verpackungsindustrie gezahlt werden muss. Ob Deutschland folgt, ist unklar. Die Ampel hat im Koalitionsvertrag eine „nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ angekündigt, ein Teil davon soll die „Umlage der EU-Plastiksteuer auf Hersteller und Inverkehrbringer“ sein. Wen es tröstet: Das Geld aus der Plastiksteuer fließt in den EU-Haushalt und bessert die Finanzen auf.

Testurteil: ausreichend

Erschienen in Capital 3/2023

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel