So teuer ist der EM-Abend geworden
Bei Großevents wie der laufenden Fußball-EM in Deutschland geben Verbraucherinnen und Verbraucher gerne mehr Geld aus – für Snacks, Getränke, Fanartikel und neue Fernseher. Der Handelsverband Deutschland (HDE) schätzt die zusätzlichen Umsätze im Einzelhandel auf 3,8 Mrd. Euro.
Einer repräsentativen Umfrage von HDE und Appinio zufolge sind Lebensmittel zu diesem Anlass besonders beliebt. Über 41 Prozent der Befragten planen demnach den Kauf von Snacks, Grillgut, Getränken und weiteren Lebensmitteln. Die Hälfte von ihnen will mehr als 50 Euro zusätzlich ausgeben, 8 Prozent sogar mehr als 500 Euro. Und, schaut man auf Daten der Konsumforscher GfK und NIQ, hätten sie dafür vor wenigen Jahren noch deutlich mehr bekommen.
Auch wenn sich die Inflation allgemein etwas abschwächt. Laut GfK/NIQ-Daten haben die Eispreise davon bislang wenig mitbekommen. „Die Preissteigerungen bleiben beim Eis weiterhin hoch, während die Menge zuletzt stagniert“, erläutert Enrico Krien, Konsumexperte bei NIQ. Zwischen 2022 und 2024 stieg der Preis pro Packung um 18,6 Prozent auf 2,60 Euro. Der Absatz blieb zwischen 2023 und 2024 allerdings weitestgehend konstant bei rund 855 Millionen verkauften Packungen. Immerhin dürfte bei den Preisen allerdings bald Entspannung eintreten. „Beim Eis belastet der hohe Kakao-Preis und die Verfügbarkeit von Rohstoffen die Hersteller. Deshalb kann es in den vergangenen Monaten auch zu Auslieferungsverzögerungen“, sagt Krien. Beides löse sich aktuell auf. Der schwächelnde Absatz liege auch am Wetter, das in Deutschland bislang kaum sommerlich war.
Bei Grillgut, wozu nicht nur Grillfleisch, sondern auch Fisch und Saucen gehören, gab es vor allem im Jahr 2022 enorme Preisanstiege von 15,4 Prozent. Im vergangenen Jahr fiel das Plus dagegen mit 2,5 Prozent sogar geringer als die allgemeine Inflation aus. Die hohen Preise dämpften die Kauflaune der Konsumenten. „Durch die enormen Preisanstiege waren auch Mengenverluste zu beobachten“, erklärt NIQ-Experte Krien. Seit 2022 ist der Konsum sogar insgesamt um 2,7 Prozent zurückgegangen. Nur die Preissteigerungen sorgten dafür, dass die Umsatzseite mit 15,1 Prozent weiter positiv ist.
Am liebsten reißen die Fußballfans zum Spiel eine Tüte Kartoffelchips auf. Doch seit vergangenem Jahr sind die Preise hier um fast 12 Prozent angestiegen, ermittelten die Marktforscher. Salzige Snacks insgesamt liegen immerhin bei Plus 7,7 Prozent. Der Chips-Absatz ging daher zuletzt leicht zurück. Enrico Krien von NIQ rechnet aber damit, dass sich soziale Events wie Public Viewing positiv auf den Markt auswirken werden. „Zu solch besonderen Anlässen kaufen die Verbraucher gerne besonders hochwertige oder innovative Produkte“, sagt Krien. „Das gilt zum Beispiel für Grillgut, Snacks, Eiscreme oder Softdrinks.“
Im Jahresvergleich ist der Bierpreis um 6,4 Prozent gestiegen. Der Nachfrage tut das aber keinen Abbruch, im Gegenteil legte der Abverkauf von klassischen Bierkästen sogar um 1,2 Prozent zu. Hier zeigt sich laut GfK und NIQ, was Werbeaktionen bewirken können: Im vergangenen Sommer wurde europaweit fast ein Drittel aller Bierpackungen durch Werbeaktionen verkauft. „Gerade, wenn wichtige Preismarken wie 10 Euro pro Kasten unterschritten werden, kann das ein spannender Anreiz für Käufer sein“, heißt es.
Softdrinks wie Cola, Energydrinks oder Schorlen zeigen sich weitgehend unbeeindruckt von den Preisanstiegen. Volkswirte würden von einer inelastischen Nachfrage sprechen, da trotz eines Preisanstiegs von 11,2 Prozent rund 8,7 Prozent mehr Produkte in absoluten Stückzahlen verkauft wurden. Diese Betrachtung gilt gegenüber 2022. In dieser Zeit stieg somit auch der Umsatz um knapp 20,8 Prozent.
Schon einen Monat vor Turnierbeginn deckten sich die Deutschen mit neuen TV-Geräten ein. Im Mai wurden rund 13 Prozent mehr verkauft als im Vorjahreszeitraum, in der letzten Maiwoche war der Umsatz besonders groß. In der Woche des Eröffnungsspiels kauften die Deutschen insgesamt 92.000 Geräte für rund 66 Mio. Euro – deutlich mehr als in einer normalen Juniwoche. Laut GfK und NIQ waren vor allem große Modelle beliebt, Beamer blieben hingegen Nischenprodukte. „Die beiden Wochen vor dem Turnierbeginn erleben typischerweise die größte Umsatzsteigerung bei TVs“, sagt Stefan Platau, Experte für technische Konsumgüter bei GfK, auch weil Händler in dieser Phase attraktive Angebote bieten würden und Konsumenten derzeit besonders sparsam einkauften. „Doch wir erwarten, dass Sportbegeisterung, gepaart mit attraktiven Angeboten, zu einem erfolgreichen Sportsommer für den TV-Markt führen wird.“
Gesamtwirtschaftlich gesehen fallen wirtschaftliche Effekte durch Großveranstaltungen laut dem Münchener Ifo-Institut allerdings eher gering aus, abgesehen vom Tourismus. Denn obwohl die inländischen Konsumenten während der Spiele kurzzeitig mehr im Gastgewerbe und im Lebensmitteleinzelhandel ausgeben, würden sie ihre Ausgaben an anderer Stelle zurückfahren, so dass der private Konsum wohl insgesamt unberührt bleibe, sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturprognosen am Ifo-Institut. Das würden zumindest die Erfahrungen mit der WM 2006 nahelegen.