Umstrittene Sponsoren im Fußball
Novum im deutschen Fußball: Als erstes Team der Bundesliega lief Eintracht Braunschweig im März 1973 gegen Schalke 04 mit Trikotwerbung auf. Auf der Brust der Spieler prankte ein Hirsch, das Markenzeichen der Firma Jägermeister. Dem Marketing-Coup ging ein monatelanger Streit zwischen dem Deutschen Fußballbund (DFB) und dem Chef des Kräuterlikör-Herstellers Günter Mast voraus: Schiedsrichter durften keine Spiele anpfeifen, bei denen Werbelogos auf Trikots prankten. Die Debatte darum hielt Jägermeister ewig in den Schlagzeilen. Mast fand schlussendlich eine Hintertür, um die Zustimmung des DFB zu erhalten: Er machte den Hirsch zum Vereinswappen der Braunschweiger „Löwen“. Im Oktober 1973 erlaubte ein DFB-Bundestag die Trikotwerbung dann allen Klubs.
Nicht nur der neue, auch der erste Werbepartner von Borussia Dortmund war umstritten: 1976 warb der holländische Tabakhersteller Samson auf den Trikots des BVB. Das Firmenlogo von Samson, ein Löwenkopf, ersetzte zwei Jahre lang das BVB-Emblem. Die Fans waren zunächst wenig begeistert von der Kooperation mit einem Zigarettenunternehmen, doch bei Spielen im Dortmunder Westfalenstadion sollen sie dem damaligen Trainer Otto Rehagel trotzdem „Otto, lass die Löwen los!“ zugerufen haben.
Keine Verhütung gegen Tore: In seiner zweiten Bundesligasaison ging der FC Homburg einen Werbevertrag mit der Firma „London“ ein. Der Markenname des Kondomherstellers zierte die Trikots der Spieler. Woran sich heute kein Fan mehr stoßen würde, sorgte 1988 für einen Skandal. Der DFB sah darin einen „Verstoß gegen Moral und Sitte“ und verbot die Trikots, sodass der Verein den Schriftzug zeitweise schwärzen musste. Was sich unter dem schwarzen Balken verbarg, wusste allerdings jeder – das vergrößerte den Werbeeffekt sogar noch. Der Streit ging schließlich vor Gericht, wo die Homburger siegten. 1989 hob das Landgericht Frankfurt das Verbot auf und erlaubte den Spielern, unzensiert aufzulaufen.
Im Sommer 1997 stieg der FC St.Pauli in die 2. Bundesliga ab. Mit dabei war Jack Daniel's. Der amerikanische Whiskey-Hersteller sponsorte die Trikots des Hamburger Vereins. Die Alkohol-Werbung löste zunächst Diskussionen über die Vorbildfunktion der Sportler aus. Doch weil die Marke gut zum Image des Kiezklubs passte, erlangte der Sponsor unter Fans sogar Kultstatus. Die Zusammenarbeit lief bis zum Jahr 2000. Ab der Saison 2019/2020 wurde die Kooperation noch mal wiederbelebt.
In der Zweitliga-Saison 2008/2009 stieg beim 1. FC Nürnberg der franzöisische Atom-Konzern Areva als Hauptsponsor ein. Kernkraftgegnern gefiel das gar nicht. In Folge der Nuklearkatastrophe in Fukushima im März 2011 verstärkte sich der Protest gegen Kernenergie massiv, im Sommer desselben Jahres beschloss die Bundesregierung den Atomausstieg. Der Imageverfall der Atomenergie erreichte schnell die Fußball-Bundesliga. Fans forderten vom Nürnberger Klub, dass dieser sich einen neuen Unterstüzer suchen müsse. Der Verein zeigte Einsicht. Zwar stand der 1. FC Nürnberg dadurch in der Vorbereitungszeit zur Saison 2012/13 kurzzeitig ohne Sponsor da, fand aber kurz vor dem ersten Spiel mit dem Textildiscounter NKD zusammen.
15 Jahren lang waren der FC Schalke 04 und Gazprom Germania, eine deutsche Tochter des russischen Staatsunternehmens Gazprom, verbunden. Das Logo des Erdgasförderers zierte prominent die Trikots, die Unternehmensfarben stimmten mit dem Blau-Weiß des Vereins überein. Ende Februar 2022 zerbrach die Partnerschaft. Der Zweitligist beendete die Zusammenarbeit mit dem Energiekonzern vorzeitig und zog damit die Konsequenz aus dem russischen Angriff auf die Ukraine. Erste kritische Stimmen hatten sich bereits 2014 gegen das Sponsoring ausgesprochen, nachdem Russland die Krim annektiert hatte. Doch der Verein hatte weiter an dem lukrativen Gazprom-Vertrag fesgehalten.
2012 hat Bundesligist Werder Bremen den Geflügelproduzenten Wiesenhof als neuen Hauptsponsor gewonnen. Eine umstrittene Wahl, war das Unternehmen doch zuvor mehrfach wegen Hygieneproblemen in die Schlagzeilen geraten. Außerdem werfen Tierschützer Wiesenhof unter anderem Antibiotika-Missbrauch in der Massentierhaltung und Tierquälerei in Mastbetrieben vor. Die Bremer Fans und Aktivisten von Tierschutzorganisationen liefen Sturm und protestierten vor dem Weserstation gegen den Trikotsponsor. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin, der aus Vegesack bei Bremen stammt, trat als Werders Umweltbotschafter zurück. Wiesenhof sei „der Marktführer der industriellen Billigfleischproduktion“ und könne „kein Partner für einen umweltbewussten Verein sein“, schrieb Trittin in einem Brief an den Werder-Präsidenten. Es half nichts, Wiesenhof warb mehr als zehn Jahre auf den Werder-Trikots, zuletzt für 6 Mio. Euro jährlich. Erst 2023 verabschiedete sich der Geflügelhersteller als Hauptsponsor, bleibt den Bremern aber als Topsponsor erhalten.
Seit Jahren mischen Wettanbieter im deutschen Fußball mit. Einer von ihnen ist sogar Hauptsponsor eines Erstligisten. Im Sommer 2023 verkündete der VfB Stuttgart seine Zusammenarbeit mit Winamax. Der französische Anbieter von Onlinepoker und Sportwetten wirbt mit seinem Logo auf den Shirts des Vereins, der soll dafür jährlich 6,5 Mio. Euro erhalten. Die Stuttgarter Fans üben heftige Kritik, schließlich sei Spielsucht ein ernstzunehmendes Problem. 1,3 Millionen Menschen in Deutschland gelten als spielsüchtig und geraten dadurch in gesundheitliche, finanzielle oder auch soziale Schwierigkeiten. Sportwetten sind oft der erste Kontakt zum Glücksspiel und zur Sucht. Ob Stars und Clubs ihre Fans mit entsprechender Werbung gefährden und in Versuchung führen, ist eine berechtigte Frage. Zumindest machen sie Glücksspiel gesellschaftsfähiger.
Dabei ist der VfB nicht alleiniges Ziel der Kritik: Auch andere Erstligisten erhalten Geld aus der Branche. So kooperiert zum Beispiel der FC Bayern München seit Jahren mit Tipico, dem größten Sportwetten-Anbieter in Deutschland. TSG Hoffenheim lässt sich von Neo.bet untersützen, einem Anbieter mit Sitz auf Malta. Der Buchmacher ist außerdem Partner beim Absteiger Darmstadt 98. Auch in der 2. Bundesliga sind Wettanbieter angekommen: So irritierte der Einstieg des Wettanbieters Crazybuzzer bei Hertha BSC, dessen Unternehmenslogo seit der Saison 2023/24 die Trikots der Berliner Mannschaft ziert.