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Kolumne Fünf widerstandsfähige Schwellenländer

Der Abgesang auf die Emerging Markets kommt bei einigen Ländern zu früh. Von Martin Kaelble

Wir kennen den Zyklus der Märkte mittlerweile, die alte Geschichte von Hypes und Enttäuschungen. Erst gingen die Erwartungen gegenüber den Schwellenländern überzogen nach oben, jetzt geht es mit ähnlicher Übertreibung in die andere Richtung. Anleger ziehen sich aus den jahrelang gehypten Märkten wieder zurück. Dabei sollte man nicht alle Schwellenländer in einen Topf werfen. Es lohnt sich, die Länder dieser in Verruf geratenen Assetklasse genauer unter die Lupe zu nehmen - und sauber zu unterscheiden.

Klar, da gibt es Länder wie die Türkei, die viel Kapital angezogen haben, vor allem wegen eines Versprechens auf die Zukunft: günstige Demographie, hohes Potenzial. Hinter den teils spektakulären Wachstumszahlen steckte aber oft ein ungesunder Boom. Stark kreditfinanziertes Wachstum, hohe Leistungsbilanzdefizite. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen.

Doch das trifft wahrlich nicht auf alle Schwellenländer zu. Es gibt andere, die vielleicht nicht ganz so bombastische Wachstumsraten aufweisen. Dafür aber mehr Stabilität bieten. Länder, die bereits bewiesen haben, dass sie durch effektive Reformen ein solideres wirtschaftliches Fundament aufweisen - oder sogar einen spektakulären Turnaround hingelegt haben. Länder für die gilt: vielleicht keine Rakete, aber dafür ein stabiler Gleiter.

Nicht spektakulär - aber stabil

Da wäre zum Beispiel Südkorea. (Wenngleich man darüber streiten kann, ob das Land überhaupt noch ein Schwellenland ist). Eine Volkswirtschaft, die es geschafft hat, eine solide Grundlage für Wachstum durch Innovation zu schaffen. Durch konstante Investitionen in Bildung und Forschung, über Jahrzehnte hinweg. So etwas ist heutzutage viel Wert. Das hat Weltmarktführer wie Samsung hervorgebracht. Es mag nicht vor kurzfristigen konjunkturellen Schwankungen schützen, aber es verspricht einen soliden Wachstumspfad, der dafür sorgen wird, dass Korea wohl bald endgültig zum Industrieländerklub gehören wird.

Ähnlich wie Südkorea befindet sich auch Mexiko an der Schwelle zum Industrieland. Auch hier mag das Wachstum bei weitem nicht so spektakulär sein wie in China, Indien oder Singapur. Aber dafür ist es stabil. Trotz der Probleme durch den Drogenkrieg, die zweifellos ein großes Risiko darstellen. Doch zu einem Vorteil wird in diesen Zeiten die enge Verflechtung mit der US-Wirtschaft. Dank des Energiebooms sind die Aussichten für die USA positiv, was sich auch für Mexiko vorteilhaft auswirken dürfte. Sogar von den steigenden Lohnkosten in China könnte das verarbeitende Gewerbe in Mexiko profitieren. So sehen einige Analysten gewisse Chancen, dass Mexiko Brasilien als größte Volkswirtschaft Lateinamerikas ablösen könnte.

Ein weiteres Land hat dem Schwellenland-Abgesang tapfer getrotzt: die Philippinen. Sie werden gerne übersehen. Im Schatten der asiatischen Wachstumsstars entwickelt sich diese Volkswirtschaft jedoch äußerst solide. Die politischen Verhältnisse sind stabil, die Regierung sorgt für Reformen und ein gutes Investitionsklima. Leistungsbilanz und Staatsfinanzen haben die Philippinos fest im Griff. Das Land profitiert vom Outsourcing im Servicesektor und könnte dank steigender Lohnkosten in China nun auch mehr Produktion aufbauen. Ein Kuriosum: Stabilisierend wirken auch die hohen Überweisungen von Auslands-Philippinos - sie machen zehn Prozent des BIPs aus. Während viele andere Schwellenländer 2013 eine Delle beim Wachstum hinnehmen mussten, verbuchten die Philippinen erneut einen BIP-Zuwachs von 6,8 Prozent.

Heimliche Stars

Ein weiterer Hort der Stabilität ist Indonesien. Die Landeswährung wurde 2013 zwar hart getroffen, das Land konnte sich an dieser Front dem Krisensog nicht ganz entziehen. Beim Wachstum hat das Land jedoch kaum Kratzer abbekommen. Schon seit Jahren wächst die fünftgrößte Volkswirtschaft Asiens bemerkenswert stabil. Noch nicht einmal in der Lehman-Krise gab es eine drastische Delle wie andernorts, lediglich eine leichte Abschwächung. Das indonesische Wachstum dürfte in diesem Jahr wieder zwischen fünf und sechs Prozent liegen. Konstanz ist das herausragende Merkmal beim indonesischen Wachstum. Auch dank der erfolgreichen Reformen nach der Asienkrise 1998, die die Wirtschaft insgesamt auf solide Beine gestellt haben. Größtes Manko: das Leistungsbilanzdefizit, das sich aber mit weniger als drei Prozent vom BIP in einem recht moderaten Rahmen bewegt.

Ähnlich widerstandsfähig erweist sich Vietnam. Auch dort gab es keinen größeren Wachstumseinbruch im vergangenen Jahr, ebenso wenig wie während der Lehman-Krise. 2013 lag der BIP-Zuwachs bei mehr als fünf Prozent, ebenso wie 2012 und voraussichtlich 2014. Besonders bemerkenswert: Das Land hat in der Vergangenheit eine beeindruckende wirtschaftliche Gesundung hingelegt. Noch vor einigen Jahren hatte es ein bedenkliches Leistungsbilanzdefizit. Dieses haben die Vietnamesen jüngst in einen Überschuss verwandelt. Die Wirtschaft steht damit auf gesünderen Füßen. Vietnam profitiert ebenfalls von der Abwanderung von Produktionsstätten aus China wegen der dort steigenden Lohnkosten. Nur ein Problem dämpft die Aussichten: Seit mehreren Jahren laboriert Vietnam an faulen Krediten im Bankensystem. Dennoch steht Vietnam insgesamt besser da als manch anderes Schwellenland.

Alle fünf Länder beweisen: Es ist nicht plötzlich alles schlecht, was Emerging Markets heißt. Ebenso so wenig wie vor der Korrektur alles gut war, was diesen Titel trug.

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