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Flugtaxi-Pionier Geplatzte Staatshilfe für Lilium: Warum das keine Katastrophe ist

Der Lilium-Jet in einem Hangar
Der Lilium-Jet in einem Hangar
© Cover-Images / IMAGO
Die Ampel verweigert dem Flugtaxi-Start-up Lilium eine Millionenbürgschaft – obwohl ihm damit laut eigener Aussage die Insolvenz droht. Gut so, kommentiert unser Autor: Der Staat darf sich nicht erpressen lassen

Für die bayerischen Flugtaxi-Pioniere von Lilium ist es ein harter Tag. Die Berliner Ampel-Koalition konnte sich nicht darauf einigen, ein Darlehen über 100 Mio. Euro für das angeschlagene Start-up mit einer Bürgschaft über 50 Mio. Euro abzusichern – womit auch die weiteren 50 Mio. Euro, deren Absicherung der Freistaat Bayern bereits bewilligt, aber an eine Beteiligung des Bundes gebunden hatte, perdu sind.

Für alle anderen aber ist das eine gute Nachricht. Denn auch wenn sich in den vergangenen Tagen eine bunte Unterstützerkoalition über Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, einen lautstarken Teil der deutschen Gründerszene bis hin zu Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck (so heißt es) gebildet hatte – die Idee, dass der Staat ein an der New Yorker Börse notiertes und in den Niederlanden registriertes Luftfahrtunternehmen mit Hauptstandort in München subventionieren sollte, war nie eine besonders sinnvolle.

Eine Unterstützung wäre einem Tabubruch gleichkommen. Aus guten Gründen hat der deutsche Staat bislang darauf verzichtet, einzelne Start-ups direkt zu finanzieren. Zwar fließen schon lange Milliarden aus Bundes- und EU-Mitteln in die Gründerszene – über Risikokapitalgeber wie den High-Tech Gründerfonds, Coparion oder seit kurzem den DeepTech & Climate Fonds, aber auch durch üppige Ankerinvestitionen in die Fonds privater Venture-Capital-Geber. Entscheidend aber ist, dass die Investitionsentscheidungen hier im Einzelnen durch professionelle und unabhängige Fondsmanager getroffen werden – und nicht durch Ministerialbeamte oder gar Abgeordnete.

Staatliches Unvermögen

Deren Ansinnen mag ehrbar und sinnvoll sein, aber die Erfolgsbilanz des Staates in der Auswahl der richtigen Unternehmen für seine Subventionen ist einfach notorisch schlecht. Die Ampel-Koalition, deren Industriepolitik zu großen Teilen darauf beruhte, einzelne Branchen oder gar Unternehmen mit Milliardenförderungen zu bedenken, hat das zuletzt schmerzlich erfahren müssen: Man denke etwa an die Batteriefabrik von Northvolt in Heide (Zukunft ungewiss), das Chipwerk von Wolfspeed und ZF im saarländischen Ensdorf (Baubeginn verschoben) und insbesondere das Megaprojekt von Intel in Magdeburg (steht nach Aufschub ganz infrage).

Selbst in der deutschen Start-up-Szene ist es umstritten, ob Lilium das Geld verdient hätte – auf LinkedIn wurde die entsprechende Debatte in den letzten Tagen erhitzt geführt. Wenn schon die Brancheninsider sich nicht einig sind – wie kann man dann darauf vertrauen, dass die Mitglieder des Bundestagsfinanzausschusses die richtige Entscheidung treffen würde? 

Richtig ist: Lilium hat mit mehr als 100 Bestellungen und mehreren hundert Absichtserklärungen für Käufe seines Jets durchaus etwas vorzuweisen. Die Pläne für den vertikal startenden Elektrofliegers sind revolutionär und könnten großes Potenzial haben. Doch die Vorstellung, dass nach den 1,5 Mrd. Euro, die Lilium seit seiner Gründung bereits von Investoren eingesammelt hat, nur weitere 100 Mio. Euro von staatlicher Seite sowie die zugesagten 32 Mio. Euro von bestehenden Geldgebern (die allerdings auch an Bundesmittel gekoppelt waren) ausreichen würden, um das Projekt zum Ziel beziehungsweise zur Marktreife zu bringen, ist irreführend.

Lilium hat viele Versprechen nicht eingehalten

Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass Lilium in seiner Geschichte immer wieder hochtrabende Versprechungen gemacht hat, die es nie einlösen konnte. Zum Börsengang 2021 wurde in Aussicht gestellt, dass man binnen drei Jahren schon 90 Flugzeuge konstruieren und eine Viertelmilliarde US-Dollar Umsatz erwirtschaften werde. Nichts davon ist eingetreten.

Schon 2018, als Capital erstmals über die Flugtaxi-Pioniere berichtete, hatte das Start-up eine erkleckliche Liste an immer wieder kassierten Ankündigungen vorzuweisen. 2015 hieß es beispielsweise mal, der Jet könne 500 Kilometer weit und bis zu 400 Stundenkilometer schnell fliegen. Später wurden 300 Kilometer und 300 Stundenkilometer daraus. Aktuell ist von 250 Stundenkilometern und 175 Kilometer Reichweite die Rede.

Lilium hat gegenüber der US-Börsenaufsicht argumentiert, dass dem Unternehmen ohne staatliche Unterstützung eine Insolvenz drohen könnte. Ob das tatsächlich so kommt oder ob sich nicht doch noch private Geldgeber, bestehende oder neue, finden lassen, wird sich zeigen. Wenn das Produkt wirklich so gut und der Markt so reif ist, wie die Lilium-Fans es aktuell darstellen, dann werden sich Investoren finden – das ist ziemlich wahrscheinlich.

Erinnert sei nur an den Fall Volocopter: Der Flugtaxi-Rivale hatte gegenüber der Politik offensiv damit gedroht, ohne Staatshilfe würde dem Bruchsaler Start-up quasi sicher die Pleite drohen. Die Hilfe kam nicht. Und Bestandsinvestoren finanzierten dennoch die Unternehmung weiter. Ein ähnlich durchsichtiger Erpressungsversuch ist heute gescheitert. 
 

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