Erst kamen die Stahlhütten nach Rothe Erde, dann die Glühbirnenfabriken. Und nachdem auch die am Wandel der Zeit scheiterten, kam Lilian Schwich. In dem historischen Industrieviertel in Aachen, hinter Backsteinhallen und einem Metalltor, hat die 34-jährige Gründerin vor gut einem Jahr eine alte Werkshalle von Philips angemietet. Dort, wo der Elektronikkonzern einst Lampen für die Erhellung der Nachkriegsgesellschaft herstellte, will sie nun ein neues Kapitel der Elektrifizierung beginnen.
Es brummt, ratscht, schleift und tuckert. Schwich, eine zarte Frau mit ansteckendem Lächeln, führt an diesem Morgen im Februar durch ihre 2000 Quadratmeter große Produktionshalle. Vor einer schwarzen Plastikwanne bleibt sie stehen. „Das ist der Schatz, den man in einer E-Auto-Batterie findet“, sagt sie und deutet auf gut ein Dutzend angekokelter Metallblöcke, die sich darin stapeln, jeder so groß wie ein Schuhkarton. Der Schatz, das sind: Akkumodule.
Schwich und ihre Mitgründer bauen gerade eine der ersten Recyclinganlagen für E-Auto-Batterien in Deutschland. Das Verfahren ist noch neu, die Anlage ein Pilot. Fast acht Jahre hat die promovierte Werkstoffingenieurin an der RWTH Aachen daran geforscht, bis sie sich 2022 mit ihrem Laborkollegen Paul Sabarny und ihrem Ehemann Gideon Schwich selbstständig machte.
Falls ihr Plan für die Verwertung der Akkus im Industriemaßstab aufgeht, könnte ihr Start-up Cylib eines der größten Probleme der Autobauer knacken. Denn in jedem alten Batteriepack schlummern Metalle und seltene Erden im Wert von mehreren Tausend Euro, die auf dem Weltmarkt teils schwer zu bekommen sind. „Aluminium, Kupfer, Mangan, Kobalt, Nickel, Lithium, Grafit – all das sind kritische Rohstoffe“, sagt Schwich. Ein Milliardenmarkt, in dem Deutschland bisher zu den Abhängigen zählte – und von dem Cylib nun ein Stück zurückgewinnen will.
Cylib ist so eine der am heißesten gehandelten Neugründungen in der deutschen Start-up-Szene. Selbst unbeteiligte Investoren führen die Aachener gerne als Beispiel für einen neuen Gründertypus an: Unternehmer, die sich mit Deep Tech befassen – bahnbrechender Grundlagentechnik. Oft sind es Spitzenforscher, die Entwicklungen aus dem Labor in den Markt heben.