Die Abkürzung ESG existiert seit 2006 und fällt immer wieder, doch wenige wissen, wofür sie steht: Environmental, Social, and Corporate Governance. Also umweltbewusste, soziale und verantwortungsvolle Unternehmensführung. Ab 2025 verpflichtet die Europäische Union (EU) nun erstmals Unternehmen im großen Stil, einen Bericht über die Nachhaltigkeit ihrer Geschäfte vorzulegen. Doch eine aktuelle Untersuchung zeigt: Obwohl knapp die Hälfte der befragten Unternehmen die Mehrarbeit als Chance sieht, weiß ein Viertel nicht, wo ihre Produkte hergestellt werden.
Die Untersuchung führte das Meinungsforschungsinstituts Statista im Auftrag von TLGG, Exxeta, der Sine Foundation sowie dem Berater Peter Borchers durch. Befragt wurden dafür mehr als 150 Personen, die meisten davon obere Führungskräfte (C-Level-Positionen), normale Führungskräfte mit Personalverantwortung sowie ESG-Verantwortliche aus dem Mittelstand sowie Konzernen.
Die Auswertung zeigt, dass 83 Prozent der Führungskräfte es für „strategisch wichtig“ erachten, ESG-Kriterien zu erfüllen. Ähnlich groß ist mit 88 Prozent der Anteil derer, die sich gut auf die neuen ESG-Reportingregeln vorbereitet fühlen. Allerdings sagen nur 17 Prozent, dass diese Faktoren bisher eine tragende Rolle in der Geschäftsstrategie spielen.
Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis
Acht von zehn Befragten geben an, „aktiv den Austausch hinsichtlich der Erfüllung der ESG entlang der Wertschöpfungskette mit ihren Lieferanten zu pflegen oder dies zu planen“. Praktisch sieht es anders aus: Fast 25 Prozent der Befragten kennen nicht einmal das Produktionsland ihrer Zulieferer.
Die Bedeutung innovativer technologischer Lösungen und digitaler Wertschöpfungsketten wird in der Studie ebenfalls hervorgehoben: 87 Prozent der Befragten erkennen das Potenzial digitaler Lösungen, um Umweltauswirkungen zu reduzieren, Kosten zu senken und die Produktqualität zu steigern. Geschäftsmodelle, die auf Nachhaltigkeit abzielen, wie Closed-Loop-Systeme (Rückführung von gebrauchten Komponenten an den Lieferanten) und Second-Use-Einzelhandel, gewinnen an Bedeutung: 69 Prozent der Befragten planen, Closed-Loop-Systeme in ihren Unternehmen zu etablieren.
Ganze 46 Prozent der Entscheidungsträger planen, ihre Lieferkette zu digitalisieren. Obwohl bereits 57 Prozent der Nachhaltigkeitsbereiche in den befragten Unternehmen digitalisiert sind, ist der Datenaustausch schwierig: Lediglich 16 Prozent der Befragten berichten, dass sie keine oder nur geringe Schwierigkeiten beim Erhalt von Daten von ihren Lieferanten haben. Diese Probleme resultieren demnach unter anderem aus fehlenden einheitlichen Standards und einer fragmentierten IT-Landschaft.
Ausweitung der Berichtspflicht
Die EU-weite Neuerung zur Berichtspflicht für Unternehmen ergibt sich aus einer EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung: der Corporate Sustainability Reporting Directive oder kurz CSRD. Die Richtlinie trat am 5. Januar 2023 in Kraft und schreibt vor, dass die Mitgliedstaaten die neuen Vorschriften 18 Monate später umsetzen müssen. In der Europäischen Union sind bestimmte Unternehmen von öffentlichem Interesse bereits seit einigen Jahren dazu verpflichtet, Berichte über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu erstellen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der Non-Financial Reporting Directive (NFRD), die seit 2014 in Kraft ist.
Diese Berichtspflicht soll nun mit der CSRD erheblich ausgeweitet werden. Mit der Ausweitung der Berichtspflicht steigt die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen nach Schätzungen des Bundesarbeitsministeriums EU-weit von 11.600 auf 49.000 – in Deutschland allein sind es laut der Untersuchung dann etwa 15.000 Unternehmen. Betroffen sind Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften mit ausschließlich haftungsbeschränkten Gesellschaftern.