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Gastkommentar EZB - allenfalls eine tragische Heldin

Die EZB ist mit ihren Aufgaben völlig überfrachtet. Es bleibt unklar, wie groß ihre Kräfte tatsächlich sind. Von Ulrich Kater
EZB-Chef Draghi und Kanzlerin Merkel auf einem Graffiti vor der EZB-Baustelle in Frankfurt
EZB-Chef Draghi und Kanzlerin Merkel auf einem Graffiti vor der EZB-Baustelle in Frankfurt
© Getty Images
Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Deka Bank
Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Deka Bank
© Deka Bank

Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Dekabank, dem Wertpapierhaus der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe.

Das Anleihe-Ankaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) war am Ende keine große Überraschung mehr, nachdem die Marktreaktion bereits durch im Vorfeld bekannt gewordene Einzelheiten getestet werden konnte. Befürworter sehen in dem Programm die Rettung gegen Deflationsgefahren und die EZB als einzig funktionierende Institution der Währungsunion. Kritiker warnen vor der Vergemeinschaftung der Staatsschulden durch die Hintertür, selbst wenn die Käufe zunächst auf Rechnung der nationalen Notenbanken getätigt werden.

Die EZB ist dabei allenfalls eine tragische Heldin im Euro-Drama. Sie ist mit Aufgaben völlig überfrachtet. Geldwertstabilität, Finanzmarktstabilität, Zusammenhalt des Euro, Finanzmarkt-Regulierung: kein Wunder, dass die Geldpolitik immer mehr politisiert wird. Gegensätzliche wirtschaftspolitische Grundsatzpositionen innerhalb Europas prallen in der EZB aufeinander – hier eine nachfrageorientierte, auf den öffentlichen Kredit setzende Philosophie, dort angebotsorientierte Prinzipien mit einem Misstrauen gegenüber langfristigen Wachstumswirkungen von Geldpolitik.

Heraus kommt als Kompromiss ein Anleiheprogramm, das kleiner ausfällt als in anderen Volkswirtschaften und auf die Besonderheiten des Euroraums abgestimmt ist. Eines, in dem im ersten Schritt nur ein Teil der Anleihen der Gemeinschaftshaftung unterliegen und unter Umständen die EZB auch wirtschaftspolitisches Wohlverhalten der Mitgliedsländer einfordern kann. Die Diskussion über diesen Schritt ist jedoch auch Anzeichen für eine tiefe Verunsicherung von Politikern und Ökonomen darüber, was die Geldpolitik überhaupt zu leisten imstande ist.

Wirkungen und Nebenwirkungen kaum abschätzbar

Die unmittelbaren Wirkungen bestehen in einer reflexartigen Erhöhung der Inflationserwartungen, einem weiteren Rückgang der Kapitalmarktrenditen und wahrscheinlich auch in einer weiteren Abwertung des Euro. Ob das auch im wirklichen Inflationsgeschehen stattfindet, wird erst in der zweiten Jahreshälfte zu klären sein, denn ab dem Frühjahr werden sich die Inflationsraten energiepreisbedingt von selbst wieder erholen. Wieviel der Konjunkturdynamik und dem Inflationsanstieg dann später auf den aktuellen Schritt der EZB zurückzuführen ist, wird nie geklärt werden können, denn die europäische Konjunktur war auch davor gut unterwegs.

Es gibt zu wenig Erfahrung mit einer solchen Art von Geldpolitik, um ihre Wirkungen und vor allem Nebenwirkungen zu beurteilen. Allerdings zeichnet sich weiterhin ab, dass die Konjunkturdynamik nicht ausreicht, um Arbeitslosigkeit oder Verschuldung in Euroland in den Griff zu bekommen.

Deflation ist nur ein Symptom

Deflation ist dabei nicht einmal das Hauptproblem: Es gibt Volkswirtschaften, die können mit Nullinflation oder sogar leicht sinkenden Preisen gut umgehen. Es ist also nicht zwingend, dass Deflation mit negativen Begleitumständen wie einer unterausgelasteten Wirtschaft mit hoher Arbeitslosigkeit, einem geringen Investitionsvertrauen und einer hohen Verschuldung einhergeht. Wo das allerdings der Fall ist, wie gegenwärtig in Euroland, da ist die Deflation eher ein Symptom für die Probleme als deren Auslöser. Diese Probleme liegen aber – insbesondere nach den bereits sehr expansiven Schritten der EZB in der Vergangenheit – immer weniger im monetären Bereich, sondern viel stärker bei den Angebotsbedingungen in den europäischen Regionen.

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