Lisandra Flach ist Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft und Professorin für Volkswirtschaftslehre, mit dem Schwerpunkt Ökonomik der Globalisierung an der Ludwig-Maximilians-Universität München
CAPITAL: D ie Exporte sind in 2020 wie erwartet drastisch eingebrochen. Was bedeuten die jüngsten Zahlen konkret?
LISANDRA FLACH: Wir beobachten eine V-Förmige Erholung der Exporte, und das ist ein positives Zeichen. Außerdem brachen in der zweiten Welle die Exporte nicht ein, wie es in der ersten Welle der Fall war. Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Erstens haben sich die Lieferketten weitestgehend angepasst. Zweitens haben Deutschlands wichtige Partnerländer und vor allem asiatische Ländern ihre Produktion und Konsum weitestgehend wieder hochgefahren. Z.B. stiegen im Dezember 2020 die deutschen Exporte nach China um 11,6 Prozent und in die Vereinigten Staaten um 8,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das ist ein positives Zeichen für die deutsche Wirtschaft. Es ist auch ein Indikator dafür, dass sich Handelspartner nicht nach neuen Partnern umgesehen haben. Dies müssen wir vor allem unseren wettbewerbsfähigen Firmen danken, die scheinbar nicht so leicht mit anderen ausländischen Produkten zu substituieren sind.
Der Einbruch ist der größte seit der Finanzkrise. Was ist anders im Vergleich zu 2009?
Diese Krise ist in einigen Dimensionen anders. Zum Beispiel, anders als in der Finanzkrise handelt es sich bei der aktuellen Pandemie um einen globalen negativen Schock, der sich nicht durch die Finanzindustrie auf das produzierende Gewerbe auswirkt, sondern direkte Auswirkungen auf das produzierende Gewerbe hat. Insbesondere die regulierten Lockdown-Zeiten sind hier zu nennen.
Blicken wir nach vorn: Was erwarten Sie für die deutschen Exporte in 2021?
Es kommt auf den Verlauf der COVID-19 Pandemie mit ihren Mutationen sowie auf eine weltweite Impfkampagne an. Wenn wir den positiven Verlauf annehmen, kann man davon ausgehen, dass die deutsche Wirtschaft sich gut erholen wird. Aber auch weltweit und insbesondere innerhalb der EU muss sich die Wirtschaft erholen, damit sich die Exporte wieder auf das alte Niveau steigern können. Deswegen ist neben der ethischen Frage auch im Interesse der deutschen Wirtschaft, dass andere Länder bald Impfstoffe bekommen und zur Normalität zurückkehren.
Zuletzt hat auch die Nachfrage aus China die Bilanz positiv beeinflusst. Reicht die weitgehende Normalität in Asien als Export-Stütze aus?
Der intensive Handel mit China ist gerade in der aktuellen Lage essentiell. Im Jahr 2019 war China zum vierten Mal in Folge Deutschlands größter Handelspartner. Im Dezember 2020 stiegen die deutschen Exporte nach China um 11,6 Prozent gegenüber Dezember 2019. Diese Zahlen sprechen für sich: China kann als wichtige Stütze in Zeiten der Pandemie gesehen werden. Trotzdem kann man nicht davon reden, dass die Exportstütze nach China ausreicht, um wieder einer weitgehenden Normalität zu haben. Vor allem ist der Handel mit EU-Mitgliedsstaaten essenziell für die Erholung.
Welche Rolle spielen Lockerungen und Öffnungen in Europa und den USA für die Exportwirtschaft?
Unabdingbar ist es für Unternehmen, eine gewisse Planungssicherheit zu haben. Unsicherheit ist Gift für Unternehmen und ihre Investitionsentscheidungen. Der Jo-Jo-Effekt bei den Lockdowns weltweit macht es für Unternehmen schwer ihre Exporte zu planen. Dies kann kleinere Unternehmen, die von wenigen Exportzielmärkten abhängig sind, besonders hart treffen.
Welche Faktoren werden die Exporte außerdem beeinflussen?
Neben Corona gab es im Jahr 2020 einige wichtige Ereignisse, die im Jahr 2021 für die deutsche Wirtschaft relevant bleiben, wie zum Beispiel die Folgen des Brexit, die neue Agenda von US-Präsident Biden sowie die Wahl der neuen Generaldirektorin der Welthandelsorganisation.
Auch das neu ratifizierte RCEP-Abkommen – die größte Freihandelszone der Welt – im asiatisch-pazifischen Raum kann die deutschen Exporte beeinflussen. Wir erwarten, dassteigern wird, und Deutschland könnte von Handelsumlenkungseffekten betroffen sein. Gleichzeitig bieten robustere Lieferketten und eine günstigere Produktion in der RCEP-Region Chancen für Unternehmen, die in Asien Geschäfte machen.
Wo liegen die Risiken in diesem Jahr?
Für die deutschen Exporte sind China und USA wichtige Handelspartner, deswegen ist zum Beispiel die Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen China und USA sehr wichtig. Zwar gibt die Wahl von Joe Biden Anlass zur Hoffnung, aber die Handelsbeziehungen mit den USA werden schwierig bleiben, weil US Präsident Biden eine hoch protektionistische Agenda hat. Aber vor allem bleibt der Umgang mit chinesischen Handelspraktiken wie zum Beispiel Marktzugangsbeschränkungen und den mangelnden Schutz geistigen Eigentums eine große Herausforderung.