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Fachkräfte Rassistisch und provinziell: Expats geben Deutschland vernichtendes Zeugnis

Keine Willkommenskultur: Viele Expats empfinden die Deutschen als wenig aufgeschlossen
Keine Willkommenskultur: Viele Expats empfinden die Deutschen als wenig aufgeschlossen
© IMAGO / onemorepicture
Der Arbeitsmarkt braucht dringend Fachkräfte, doch eine Befragung internationaler Expats zeigt: Die Deutschen sind als Gastgeber äußerst unbeliebt. Im Länder-Ranking landet Deutschland auf Rang 49 von 53.

Ökonominnen und Ökonomen sind sich einig: Wenn Deutschland den zunehmenden Fachkräftemangel in den Griff bekommen will, braucht es Verstärkung von außen. 1,5 Millionen Zuwanderer pro Jahr seien allein nötig, um die Zahl der Arbeitskräfte konstant zu halten, hat die Ökonomin Monika Schnitzer gerade erst wieder gesagt. Dafür brauche Deutschland dringend eine „Willkommenskultur“, betont Schnitzer, die den Rat der Wirtschaftsweisen leitet.

Doch genau diese Willkommenskultur geht den Deutschen offenbar weitgehend ab. Das zeigt ein aktueller Report der Organisation InterNations, einem weltweiten Netzwerk von Expats, also im Ausland lebenden und arbeitenden Menschen. Demnach ist Deutschland für Expats eines der unattraktivsten Länder der Welt: Im Ranking von 53 Gastgeberländern landete Deutschland auf Platz 49. 

Für die Studie „Expat Insider 2023“ wurden insgesamt 12.000 Menschen, die im Ausland wohnen und arbeiten, zu verschiedenen Aspekten ihres Lebens befragt. Die Befragten hatten 171 verschiedenen Nationalitäten und lebten in 172 verschiedenen Ländern. Ins Ranking wurden nur Länder aufgenommen, in denen mindestens 50 Expats befragt werden konnten.

Freunde in Deutschland finden? Schwierig

In Deutschland wurden rund 1000 ausländische Expats befragt, wobei die Befragten tendenziell eher zu den gut Ausgebildeten gehören. Viele von ihnen haben sich auf eigene Initiative eine Stelle in Deutschland gesucht und arbeiten in Branchen wie IT, Produktion und Ingenieurwesen oder im Finanzsektor.

Die Auswertung der Ergebnisse zeigt: In Deutschland fällt es den Befragten besonders schwer, sich einzuleben und sozialen Anschluss zu finden. So sagen hierzulande 55 Prozent der Befragten, es sei schwer, mit Einheimischen Freundschaften aufzubauen – in anderen Ländern sagen das nur 36 Prozent. 32 Prozent der Expats haben in Deutschland kein persönliches soziales Netzwerk (weltweit 24 Prozent).

Besonders erschreckend: 30 Prozent finden, dass die Deutschen generell nicht freundlich zu ausländischen Mitbürgern sind. Auch dieser Wert ist deutlich höher als in anderen Ländern – weltweit liegt der Wert lediglich bei 18 Prozent. Im Ergebnis fühlt sich jeder dritte Expat in Deutschland nicht zu Hause, weltweit ist es nur jeder Fünfte.

Unfreundlich bis zum „subtilen Rassismus“

Wie die fehlende Willkommenskultur bei den Betroffenen ankommt, zeigen exemplarisch folgende Antworten:

  • Eine Frau aus Tschechien findet: „Die Deutschen können manchmal pedantisch, unhöflich und provinziell sein. Sie konzentrieren sich oft lieber auf Prozesse statt auf Kunden bzw. Menschen.“
  • Eine Britin sagt: „Was mich am Leben in Deutschland am meisten stört ist die Einsamkeit und das Gefühl der Isolation. Ich wohne in einer sehr ländlichen Gemeinde im Raum München und habe hier keine Gelegenheit, die Sprache zu erlernen.“
  • Auch ein US-Amerikaner fühlt sich lost: „Ich kann hier keine neuen Leute kennenlernen, und niemand will wirklich Zeit mit mir verbringen.“
  • Ein Expat aus Kenia: „Es ist einsam in Deutschland. Ich komme selbst aus einem Land, wo sogar Fremde miteinander ins Gespräch kommen können. Und ich habe bereits in einem anderen Land gelebt, wo die Menschen im Allgemeinen freundlich waren. Das ist hier nicht der Fall.“
  • Und ein El Salvadorianer sagt: „Mich stört der subtile Rassismus hier. Es herrscht vielleicht keine Gewalt, wie z.B. in den USA, aber es gibt meiner Ansicht nach immer noch Diskriminierung aufgrund der Sprache und des Aussehens. Es ist eine Herausforderung für mich, hier 'dunkelhäutig' zu sein. Normalerweise gibt sich das, wenn die Leute herausfinden, dass ich aus Lateinamerika komme. Aber ich habe schon einige sehr negative Äußerungen über andere Gruppen (Schwarze Menschen, Leute aus arabischen Ländern) gehört.“ 

„Digitalisierung 'made in Germany' ist ein Witz“

Verloren fühlen sich viele Zugezogenen nicht nur auf der menschlichen Ebene, sondern auch bei den praktischen Dingen des Alltags. Bei den Themen digitale Infrastruktur, Verwaltung, Wohnen und Sprachbarriere schneidet Deutschland in Summe schlechter ab als jedes andere Land im Ranking.

So haben 58 Prozent der Expats in Deutschland Probleme, eine Wohnung zu finden, weltweit sind es im Schnitt nur 31 Prozent. 56 Prozent haben Probleme im Umgang mit den deutschen Behörden (weltweit 38 Prozent) und die Hälfte findet es schwierig, ohne Kenntnisse der Landessprache hier zu leben (weltweit nur jeder Dritte).

Zudem verzweifeln viele Expats hierzulande am Einrichten eines schnellen Internetzugangs und an fehlenden bargeldlosen Zahlungsmöglichkeiten. „Es ist oft unmöglich, mit Karte zu bezahlen. Digitalisierung 'made in Germany' ist ein Witz“, echauffiert sich ein Studienteilnehmer aus Frankreich. 

Sicherer Arbeitsplatz als großes Plus

Sehr gute Noten geben die Expats Deutschland hingegen bei den Faktoren Arbeitsmarkt und Sicherheit des Arbeitsplatzes. In der Kategorie „Lebensqualität“, die Themen wie öffentliche Sicherheit, Gesundheit und Transportwesen umfasst, landet Deutschland im oberen Mittelfeld. Unterm Strich sind 64 Prozent der Expats mit ihrem Leben in Deutschland zufrieden – auch das ein vergleichsweise schwacher Wert. Weltweit geben 72 Prozent der Befragten an, mit ihrem Leben im Gastland zufrieden zu sein.

In der Gesamtwertung aller Kategorien schneiden nur vier der 53 Länder schlechter ab als Deutschland: Südkorea, Türkei, Norwegen und Schlusslicht Kuwait. Das beliebteste Land der Expats ist Mexiko gefolgt von Spanien, Panama, Malaysia und Taiwan. Die Top-Ten der Expat Insider Studie komplettieren Thailand, Costa Rica, Philippinen, Bahrain und Portugal.

Die Expat Insider Studie wird seit 2014 jährlich von InterNations durchgeführt. Die Münchener Organisation ist mit mehr als 4,8 Millionen Mitgliedern in 420 Städten nach eigenen Angaben die weltweit größte Community für Expats. In der Studie des Vorjahres hatte Deutschland Rang 42 von 52 belegt.

Die Bundesregierung hat zuletzt ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz durchs Parlament gebracht, das die Hürden für ausländische Arbeitskräfte senken soll. Allerdings sind die Hindernisse nicht nur formaler Art, wie die Expat-Insider-Studie zeigt. Vor allem in den sozialen Aspekten einer Willkommenskultur – Freundlichkeit und Offenheit – schneidet Deutschland seit Jahren schlecht ab.

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