Dirk Elsnerist bei der DZ Bank Senior Manager Innovation und Digitalisierung. In dieser Kolumne äußert er seine private Meinung. 2008 hat er das private Wirtschaftsblog BlickLog gegründet, das mehrfach ausgezeichnet wurde.
Im jüngst angelaufenen Film „The Big Short“ bemängelte Ryan Gosling, die Stimme aus dem Off, die Sprache der Finanzmärkte: „Die Wall Street verbirgt sich gerne hinter verwirrenden Begriffen, damit man sie in Ruhe machen lässt.“ Dabei haben Banken im Prinzip vergleichsweise simple Geschäftsmodelle, die Wissenschaftler als Finanzintermediation bezeichnen. Banken schaffen einen Interessenausgleich zwischen den Unternehmen oder Personen, die Finanzierungsmittel anlegen wollen, und denjenigen, die Mittel benötigen. Daneben sorgen sie für den Transfer von Zahlungsmitteln. Eine Alternative zur Abwicklung eines Kredits über Banken ist die Ausführung der Transaktion über einen Markt. Der ehemalige Professor für Betriebswirtschaftslehre und Bank- und Finanzwirtschaft Michael Bätz beschrieb das einst so:
„In seiner einfachst denkbaren, gewissermaßen ‚archaischen’ Urform kann dieser Finanzmarkt allein als Geflecht einer Vielzahl von Verträgen gedacht werden, die zwischen den potentiellen Geldnehmern der ersten Gruppe und den potentiellen Geldgebern der zweiten Gruppe jeweils unmittelbar und ganz individuell, ohne allgemein vorgegebene Rahmenregelungen und ohne jegliche Einwirkung Dritter vereinbart werden.“
Diese „archaischen Urform” finden wir seit Jahrzehnten am Anleihemarkt und seit einigen Jahren beim sogenannten Peer-to-Peer-Lending (P2P-Lending), das manche auch als Marketplace Lending bezeichnen. Dabei erhält ein Unternehmen oder eine Person über eine Internetplattform (einige sagen Kreditbörse) seinen Kredit von einer Gruppe von Anlegern, die jeweils nur einen Bruchteil des gewünschten Kreditbetrags investieren. Sie erhalten dafür Tilgungszahlungen und Zinsen, deren Höhe abhängig vom potenziellen Risiko sein sollte. Das Risiko nicht vereinbarungsgemäß geleisteter Kreditzahlungen versuchen die Internetplattformen einzuschätzen und machen dazu die Bewertungen bekannt.
Anlagebetrag auf möglichst viele Darlehen verteilen
Prinzipiell kann damit jedermann über Lending-Plattformen unter bestimmten Mindestvoraussetzungen Geld anlegen, also Kredite an andere Personen und Unternehmen vergeben. Natürlich ist die dafür erwartete höhere Verzinsung nicht frei von Risiken. Daher, so ein Grundgedanke des Crowdlending, sollte man den gewünschten Anlagebetrag auf möglichst viele Darlehen verteilen. Institutionelle Anleger haben für sich schon vor Jahren die Vorzüge dieser Anlageklasse entdeckt. In meinem Beitrag „Taugen P2P-Kredite als Anlageklasse?“ habe ich die Voraussetzungen näher beschrieben, unter denen sich auch Privatanleger an diese Anlageform herantasten könnten.
Kreditbörsen sind nicht neu. Meinen ersten persönlichen Kontakt mit einem derartigen Marktplatz hatte ich 2009. Seit damals hat sich dieses Segment mit verschiedenen Variationen deutlich weiterentwickelt. Dazu gehört zum Beispiel Crosslend, wo jeder Kredit sogar zu einer registrierten Anleihe wird, die später an einem Zweitmarkt veräußert werden kann. Wie Crosslend in der Praxis funktioniert hat der Marketplace-Lending-Experte Claus Lehman in seinem Blog P2P-Kredite beschrieben.
Und die Evolution der P2P-Marktplätze geht weiter. Die sich in Vorbereitung befindende Plattform Giromatch nimmt den von mir häufiger schon geäußerten Kritikpunkt auf, dass es für Privatanleger auf einigen Plattformen schwierig ist, ihre Anlagen in verschiedene Kredite zu streuen. Je nach Methode muss man nämlich einen Anlagebetrag auf etwa 250 bis 300 Kredite verteilen. Wer also 10.000 Euro in P2P-Kredite anlegen will, der müsste diese auf mindestens 250 Kredite á 40 Euro verteilen. Das ist sehr mühsam, wenn es kein Automatisierungstool gibt.
Giromatch wurde von zwei Ex-Bankern und einem IT-Experten gegründet. Die Plattform, die ihr Geschäftsmodell als Direct-Lending bezeichnet, will in einem hochautomatisierten Prozess Kredite über eine Servicebank vermitteln. Die Anleger investieren nicht direkt in einzelne Kredite, sondern in das sogenannte Deutschlandportfolio. Es setzt sich laut der Plattform aus verschiedenen vorher geprüften Darlehen zusammen. Ab 200 Euro können daher Anleger in einen Pool von Krediten investieren. Oskar Streiter, ein Spezialist, der sich auf Lending School intensiv mit den verschiedensten P2P-Plattformen befasst, hält das Modell von Giromatch für attraktiv. In einer Mail schrieb er auf Anfrage:
„Das Modell ist einfach und für jeden leicht verständlich. Die Zinsen sind zwar nicht so hoch, allerdings gehe ich hier von einer stabilen Anlageperformance aus. Hier scheint viel Wert auf Bedienbarkeit gelegt worden zu sein, wenn es funktioniert, ist es definitiv massentauglich.“
Creditshelf richtet sich an Unternehmen
Einen anderen Weg geht Creditshelf, eine Plattform, die sich selbst als professionellen Marktplatz für Mittelstandskredite begreift. Über das im Herbst letzten Jahres gestartete Start-up können sich Unternehmen mit einem Finanzbedarf von 100.000 Euro bis 2,5 Mio. Euro finanzieren. Creditshelf richtet sich ausdrücklich nicht an Privatanleger, sondern an professionelle Anleger. „Wir bieten unbesicherte Betriebsmittelfinanzierungen für Unternehmen an, die komplementär zur Hausbank von Unternehmen genutzt werden können“, sagte der Mitgründer Christoph Maichel der Fachwebseite Gründerszene.
Für manchen Insider ist das hochkarätig besetzte Führungstrio ein deutliches Signal, dass man mit Creditshelf ernsthaft rechnen kann und auch das Risikomanagement nicht unterschätzt wird. Die Ansprüche sind hoch, denn das Unternehmen will durch Geschwindigkeit punkten. Innerhalb von 24 Stunden soll eine Kredit-Anfrage geprüft und dann in einer geschlossenen Auktion den Anlegern zur Verfügung gestellt werden. So kurze Fristen sind bei diesen Zielgruppen ein sehr ehrgeizige Herausforderung.
Als ich 2009 Mittelständer als Berater bei Kreditverhandlungen begleitete, hatten es viele angesichts der Finanzkrise und Kreditklemme bei Banken schwer, an Finanzmittel zu kommen. Leider waren damals die Lendingplattformen noch nicht so weit. Die damals gerade erst gestarteten Kreditbörsen finanzierten hauptsächlich Privatpersonen und das nur bei geringen Beträgen. Dies hat sich mittlerweile geändert. Anders als 2008 und 2009 stellen Banken aber längst wieder ausreichend Kredite zur Verfügung. Daher wird es für die neuen Plattformen nicht leicht sein, sich ihre Marktlücke zu erobern.