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Nachhaltigkeit ESG – doch nur ein Lippenbekenntnis?

In vielen Unternehmen geht eine nachhaltige Unternehmenskultur bislang nicht über eine Absichtserklärung und Zieldefinition der Chef-Ebene hinaus.
In vielen Unternehmen geht eine nachhaltige Unternehmenskultur bislang nicht über eine Absichtserklärung und Zieldefinition der Chef-Ebene hinaus.
© IMAGO / agefotostock
Die übergroße Mehrheit der Chefs großer deutscher Unternehmen bekennt sich zur Nachhaltigkeit. Doch bei der operativen Umsetzung von ESG-Kriterien klemmt es noch mächtig, wie eine Studie der Unternehmensberatung Odgers Berndtson zeigt

Die Bekenntnisse deutscher Unternehmenschefs zu mehr Nachhaltigkeit bleiben oftmals im operativen Alltag der Firmen stecken. Denn in vielen Unternehmen geht eine nachhaltige Unternehmenskultur bislang nicht über eine Absichtserklärung und Zieldefinition der Chef-Ebene hinaus. Darauf deutet eine Befragung der Unternehmensberatung Odgers Berndtson hin. Außerdem zeigte ihre jüngst veröffentlichte „Sustainability and Leadership“-Studie, dass der Impuls für mehr Nachhaltigkeit vor allem von den Kunden ausgeht und Investoren dafür nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Die Personalberatung untersuchte insgesamt 90 Unternehmen in Deutschland hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsbestrebungen. Die Gruppe setzte sich aus den 30 Dax-Konzernen sowie den jeweils 30 größten MDax-Unternehmen und nicht-börsennotierten Unternehmen zusammen. Ergänzend wurden 60 Top-Führungskräfte aus Industrie, Handel und Konsumgüterbranche zu ihrer Meinung zu ESG-Kriterien und zu konkreten Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen befragt.

Der Befragung zufolge haben drei Viertel der Befragten bereits Nachhaltigkeitskriterien in ihren Unternehmenszielen verankert. Das heißt aber auch: Mehr als 20 der größten deutschen Unternehmen kümmern sich offiziell noch nicht um ESG, also um Umwelt- (Environment) und Sozialthemen sowie Standards für gute Unternehmensführung (Governance).

Desinteresse in zweiter Führungsebene

Hinzu kommt: Die Verankerung in den Unternehmenszielen ist das eine, die operative Umsetzung von ESG-Kriterien das andere. Und da gibt es bei vielen der Firmen noch Defizite. Nur 40 Prozent der Manager auf den Führungsebenen unter dem Vorstand messen Nachhaltigkeit eine hohe Bedeutung für den Unternehmenserfolg bei, ergab die Studie. „Die Herausforderung der Führungsspitze liegt darin, die Notwendigkeit eines nachhaltigen Handelns in die Organisation stärker einzubringen, intensiv zu kommunizieren und vor allem Vorbildfunktion einzunehmen“, sagt Gabriele Stahl, Autorin der Studie und langjährige Partnerin bei Odgers Berndtson.

Die Diskussion um ESG-Kriterien wird zuletzt immer stärker von Investoren und Fondsgesellschaften in der Öffentlichkeit geführt. Für die Unternehmen ist die Kapitalseite hingegen weitaus weniger relevant für ihre Entscheidungen bezüglich einer Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit. Mehr als 75 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten von der Erwartungshaltung und den Präferenzen von Kunden und Konsumenten abhängig machen.

Während in der produzierenden Industrie zunehmende Regulierungen sowie der Druck einer nachhaltigen Lieferkette die Investitionen zu mehr Nachhaltigkeit anregen, ist es im Konsumgütersektor der Verbraucherwunsch nach nachhaltig produzierten Waren.

Investoren eher unwichtig

Hingegen spielen die gestiegenen Anforderungen von Investoren hinsichtlich nachhaltiger Strategien nur für 30 Prozent der Unternehmen eine Rolle. Das zeigt, dass viele börsennotierte Unternehmen entweder noch wenig Druck vom Kapitalmarkt erhalten oder diesen nicht ernst nehmen.

Anders ist die Lage bei familiengeführten Unternehmen, die nicht von Investoren gedrängt werden können. Aber selbst wenn alle 30 nicht-börsennotierten Unternehmen in der Untersuchung sich nicht um ESG scheren würden, was eher unwahrscheinlich ist, so blieben noch immer rund 20 börsennotierte deutsche Top-Firmen, welchen die Wünsche von Investoren nach mehr Nachhaltigkeit ignorieren.

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