Das Urteil des US-Bundesgerichts in San Francisco kam überraschend – und war ebenso überraschend eindeutig: Googles App-Store ist zu mächtig, urteilten die neun Geschworenen. Vor allem die Gebührenordnung – Google behält bis zu 30 Prozent der App-Umsätze ein – sei zu hoch. Der Store sei so stark abgeschirmt, dass sowohl Nutzer als auch Software-Entwickler darunter litten. Geklagt hatte der Spieleentwickler Epic.
Was die Entscheidung konkret für Google sowie für den großen Konkurrenten Apple bedeutet und ob sie überhaupt Auswirkungen auf den europäischen Markt haben könnte, das erklärt im Interview der Wettbewerbsökonom Justus Haucap von der Universität Düsseldorf.
Capital: Herr Haucap, ein US-Bundesgericht hat entschieden, dass Googles App-Store zu marktmächtig ist. Was bedeutet das Urteil aus Ihrer Sicht für den Suchmaschinenkonzern und seinen Konkurrenten Apple?
JUSTUS HAUCAP: Interessant ist, dass dasselbe Gericht – aber eine andere Richterin – im Apple-Fall anders entschieden hat als nun im Google-Fall. Das ist in jedem Fall inkonsistent, auch wenn sich die Fälle leicht unterscheiden. Der Apple-Fall ist aber noch nicht vom Supreme Court entschieden. Umgekehrt wird auch Google sicher in Berufung gehen. Bleibt das Google-Urteil wie es ist, wird es für die amerikanischen Kunden deutlich leichter Apps außerhalb vom Play Store zu erwerben und auch In App-Käufe anderswo zu tätigen. Das wird den Wettbewerb beleben und zu sinkenden Preisen für die Apps führen. Für die Verbraucher wird das gut sein.
Befinden sich denn Teile des Google oder Apple Stores dadurch unmittelbar in Gefahr?
Nein, die Stores als Ganzes sind nicht in Gefahr, aber sie werden sich einem stärkeren Wettbewerb stellen müssen, wobei abzuwarten sein wird, ob der Supreme Court im Apple-Fall auch stärker pro Epic entscheiden wird. Selbst dort hat aber die Spielefirma ja einen Teilsieg im Bezug auf die sogenannten Anti-Steering-Provisionen errungen.
Die Entscheidung wird auch die EU interessiert zur Kenntnis nehmen. Was erwarten Sie hier für Richtungsentscheidungen in den kommenden Monaten?
In der EU wird der Digital Markets Act ja im kommenden Jahr in die Umsetzungsphase gehen. Ich erwarte, dass die EU Google und Apple für ihre jeweiligen App Stores ähnliche Auflagen machen wird (auch ohne Gerichtsverfahren) und Apple auch konkurrierende App Stores im Apple-Ökosystem wird zulassen müssen. Insbesondere die Konkretisierungen der Auflagen betrachte ich mit Spannung.
Wie bewerten Sie aus wettbewerbsökonomischer Sicht die Praxis der Stores von Google und Apple? Was bräuchte es möglicherweise, um einen faireren Rahmen zu schaffen?
Wir haben mit dem Digital Markets Act in der EU jetzt einen deutlich verbesserten Rechtsrahmen. Ich bin optimistisch, dass wir dort schon bald mehr Wettbewerb sehen werden. Der neue Rechtsrahmen wird jetzt erst richtig angewendet, indem den sogenannten Gatekeepern konkrete Auflagen gemacht werden. Ich bin optimistisch, dass das auch wirken wird und sehe vorerst keine Notwendigkeit, schon über noch weitergehende Maßnahmen nachzudenken.