Die Kernkraft steht kurz vor einem Revival. Dafür sorgen explodierende Energiepreise nicht nur bei Öl und Gas, sondern auch beim Strom. In Deutschland haben die Kosten für Verbraucher mittlerweile Rekordniveau erreicht. Auch führende Unions-Politiker stellen da öffentlich den nach der Atomkatastrophe von Fukushima beschlossenen Ausstieg aus der Kernkraft infrage. Lobbyisten positionieren Atomstrom zudem als verlässliche, CO2-freundliche Ergänzung zu erneuerbaren Energien. Denn in vielen Ländern stockt der Ausbau der Stromgewinnung aus Wind und Sonne – so auch in Deutschland.
Atomkraft vor Comeback?
Das mögliche Comeback hat sich bereits vor der Corona-Pandemie angedeutet. Der Mineralölkonzern BP verzeichnete in seinem jährlichen Bericht zum weltweiten Energiekonsum für 2019 bei der Kernkraft ein Plus von 3,2 Prozent. Das war den Analysten zufolge der stärkste jährliche Anstieg seit 2004. 2020 hat der Konsum wieder um 4,1 Prozent abgenommen. Damit blieb die Atomkraft aber leicht unter dem allgemeinen Einbruch bei der Primärenergie.
Diese zehn Länder verbrauchen weltweit am meisten Atomenergie.
Diese Länder verbrauchen am meisten Atomenergie

Schweden hat laut BP 2020 rund 0,48 Exajoule an Atomenergie verbraucht (zur Einordnung: Der Primärenergiebedarf der gesamten Weltbevölkerung belief sich 2020 auf 557 Exajoule). Damit kam es auf der Rangliste der größten Nutznießer von Strom aus Kernkraft auf Platz zehn. Kein Land der Top 10 hat den Verbrauch während der Corona-Krise derart stark zurückgefahren wie Schweden. BP meldete einen Einbruch um 19,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In der Bilanz von 2009 bis 2019 hat der schwedische Atomenergie-Verbrauch jedoch im Schnitt pro Jahr um 1,8 Prozent zugelegt. Hier spalteten sich die Top 10 gleichmäßig in Länder mit einem Langzeit-Plus und einem Langzeit-Minus.

Spanien belegte mit 0,52 Exajoule Atomenergie weltweit Platz neun. Der Verbrauch lag mit minus 0,8 Prozent leicht unter dem Niveau des Vorjahres. Beim Langzeittrend kam Spanien auf einen minimalen jährlichen Zuwachs von 0,4 Prozent.

In Deutschland stehen hingegen noch alle Zeichen auf Atomausstieg. Der Verbrauch brach den Angaben zufolge 2020 um 14,8 Prozent auf 0,57 Exajoule ein. Das war mehr als doppelt so viel wie beim Langzeittrend. Von 2009 bis 2019 nahm der Konsum von Kernkraft demnach hierzulande im Schnitt pro Jahr um 6,2 Prozent ab.

Die Ukraine gehört neben Deutschland zu den vier Ländern der Top 10, die kurzfristig und auf lange Sicht ihren Bedarf an Atomenergie zurückgefahren haben. Der Verbrauch des Landes, in dem sich 1986 die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl ereignet hatte, sank laut BP 2020 um 8,8 Prozent auf 0,68 Exajoule. In der Dekade zuvor ging der Konsum jährlich um durchschnittlich 0,6 Prozent zurück.

Kanada hat seit 2009 hingegen Jahr für Jahr etwas stärker auf Kernkraft gesetzt. Das Plus belief sich im Schnitt auf 0,6 Prozent. 2020 aber verzeichnete BP einen Rückgang um 3,6 Prozent auf 0,87 Exajoule. Der BP-Jahresbericht beruht laut dem Ölkonzern auf Angaben von Statistikbehörden, internationalen Organisationen und Firmen.

Die Republik Korea hat während der Corona-Pandemie den Atomenergie-Sektor gepusht. Der Verbrauch stieg 2020 um 9,1 Prozent auf 1,42 Exajoule. Er war in der Dekade zuvor noch pro Jahr um etwa 0,7 Prozent gesunken. 5,9 Prozent des weltweit verbrauchten Atomstroms entfielen 2020 auf Südkorea.

Russland ist laut BP eines von zwei Ländern unter den größten Verbrauchern von Atomenergie, die von 2009 bis 2020 immer stärker auf Kernkraft gesetzt haben. Der jährliche Zuwachs lag zwischen 2009 und 2019 bei 1,9 Prozent. 2020 verzeichneten die Analysten ein Plus von 2,7 Prozent auf 1,92 Exajoule. 8,0 Prozent des weltweiten Bedarfs an Atomkraft entfiel auf Russland.

Frankreich war beim Verbrauch 2020 mit deutlichem Vorsprung vor Russland die drittgrößte Atomnation der Welt. Es war laut BP für 13,1 Prozent des weltweiten Verbrauchs verantwortlich (3,14 Exajoule). Dieser Wert lag jedoch 11,9 Prozent unter dem Ergebnis des Vorjahres. Das war der drittstärkste Rückgang in den Top 10. Davor hatte BP ein jährliches Minus von im Schnitt 0,8 Prozent verzeichnet.

China setzt bei seiner Energiewende vor allem auf erneuerbare Energien. Aber auch Atomkraft soll die Volksrepublik möglichst unabhängig von ausländischen Ressourcen machen. Kein Land der Top 10 hat seinen Kernenergiesektor in den vergangenen Jahren auch nur annähernd so stark ausgebaut wie China. BP berechnete ein jährliches Plus zwischen 2009 und 2019 von im Schnitt 16,7 Prozent. 2020 hatte sich das Wachstum auf 4,3 Prozent verlangsamt. Der Verbrauch von 3,25 Exajoule entsprach 13,6 Prozent der weltweit konsumierten Atomenergie. Das war allerdings nicht mal die Hälfte der Menge, die der Spitzenreiter zur globalen Bilanz beisteuerte.

Die USA dürften noch geraum Zeit der größte Konsument von Atomenergie weltweit bleiben. Sie beanspruchten 2020 mit 7,39 Exajoule fast ein Drittel (30,8 Prozent) des globalen Verbrauchs für sich. Das waren 3,0 Prozent weniger als 2019. Auf lange Sicht haben die Vereinigten Staaten Jahr für Jahr im Schnitt 0,4 Prozent weniger Atomstrom verbraucht.