Die Corona-Pandemie hat grenzübergreifende Investitionen in Europa gebremst. Die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte sank laut einer Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY 2020 um 13 Prozent. „Einen derartigen Einbruch gab es selbst im Jahr 2009 nicht“, hieß es bei der Vorstellung der Zahlen im Juni 2021 . Deutschland wurde von dem Trend weitgehend verschont. „Die Zahl der von ausländischen Unternehmen in Deutschland angekündigten Investitionsprojekte sank im Vergleich zum Vorjahr nur um vier Prozent auf 930“, teilte EY im Juni 2021 mit.
Deutlich stärker betroffen war beispielsweise Frankreich. Hier verzeichneten die Analysten einen Rückgang um 18 Prozent. In Großbritannien belief sich das Minus bei den ausländischen Investitionen auf zwölf Prozent. Allerdings geschah all dies auf sehr hohem Niveau. Kleinere Standorte profitierten hingegen offenbar. „Einige mittelgroße Volkswirtschaften – zum Beispiel Polen, die Türkei, Österreich und die Schweiz – konnten sogar mehr Investitionsprojekte ausländischer Unternehmen anziehen als im Vorjahr“, teilte EY mit.
Top-Ziele für ausländische Investitionen
Laut der Beratungsgesellschaft wurden 2020 europaweit insgesamt 5578 Investitionsprojekte ausländischer Investoren angekündigt. Zum Rückgang um 13 Prozent haben demnach vor allem Unternehmen aus dem Maschinenbau und der Autoindustrie beigetragen. Sie fuhren laut EY ihre Investitionen in Europa um 21 beziehungsweise um 35 Prozent herunter.
„Klassische Industrieunternehmen mussten im vergangenen Jahr bei den Investitionen massiv auf die Bremse treten. Im produzierenden Gewerbe waren die Unsicherheit und die Umsatzeinbrüche vorübergehend sehr groß“, hieß es. „Pharmaunternehmen hingegen bauten ihre Kapazitäten kräftig aus – die Investitionen stiegen europaweit um 62 Prozent. Dieser Boom dürfte sich im laufenden Jahr fortsetzen.“
Für die Untersuchung wurden den Angaben zufolge Investitionsprojekte berücksichtigt, die zur Schaffung neuer Standorte und neuer Arbeitsplätze führten. „Portfolio- und M&A-Investitionen werden hingegen nicht berücksichtigt“, teilte EY mit.
In diese EU-Länder flossen 2020 die meisten Investitionen
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Portugal konnte mit einem geringen Minus in der Rangliste von EY in die Top 10 aufsteigen. Die Berater zählten 154 Investitionsprojekte im Jahr 2020. 2019 waren es 158 gewesen. Portugal verbesserte sich damit um einen Platz und kam auf einen Marktanteil von drei Prozent.
Irland fiel vom achten auf den neunten Platz des Rankings. Die Analysten zählten nur noch 165 ausländische Investitionsprojekte. 2019 waren es 191 gewesen (minus 14 Prozent). Die Steueroase kam damit nur noch auf einen Marktanteil bei den Top-Investitionsstandorten von drei Prozent.
Die Niederlande gehörten 2020 unter den führenden Investitionsstandorten Europas zu den Verlierern. Sie verbuchten laut EY einen Rückgang bei den ausländischen Investitionsprojekten um 24 Prozent. Das war das zweitgrößte Minus der Top 10. Die Analysten zählten nur noch 193 ausländische Investitionsprojekte (Vorjahr: 255). Der Marktanteil verringerte sich auf drei Prozent.
Lediglich zwei Länder der Top 10 konnten bei der Zahl der ausländischen Investitionsprojekte 2020 ein Plus verbuchen. Eines davon war die Türkei, die gemessen am Wachstum auch der Gewinner des EY-Rankings wurde. Die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte stieg demnach um 18 Prozent von 176 auf 208. Das ergab einen Marktanteil des Standorts von vier Prozent.
Polen war das zweite Land mit einem Plus in der Bilanz 2020. Die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte stieg laut EY um rund zehn Prozent von 200 auf 219. Polen verbesserte sich in dem Ranking damit um einen Platz auf Rang sechs. Es kam wie die Türkei auf einen Marktanteil von rund vier Prozent.
Belgien blieb laut EY der fünftgrößte ausländische Investitionsstandort in Europa. Die Zahl der Investitionsprojekte fiel allerdings von 267 auf 227. Mit einem Minus von 15 Prozent lag Belgien in etwa auf dem europaweiten Niveau. Es kam wie die Vorgänger ebenfalls auf einen Marktanteil von etwa vier Prozent.
Spanien verzeichnete bei den ausländischen Investitionsprojekten das größte Minus dieser Rangliste. Die Zahl der Investitionsprojekte fiel laut EY binnen eines Jahres um 27 Prozent. Statt 486 waren es nur noch 354. Spaniens Marktanteil in Europa sank auf sechs Prozent. Es konnte aber angesichts des allgemeinen Abwärtstrend wie alle Länder der Spitzengruppe die Vorjahresplatzierung halten.
Nur drei Länder der Top 10 sind bei den ausländischen Investitionsprojekten besser durch das Krisenjahr 2020 gekommen als Deutschland. Der Rückgang fiel mit minus vier Prozent vergleichsweise niedrig aus. EY zählte 930 statt 971 Projekte. Der Marktanteil belief sich auf 17 Prozent. Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland, machte mehrere Faktoren für die vergleichsweise positive Entwicklung hierzulande aus. „Zum einen konnte Deutschland im Jahr 2020 die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft abfedern“, erklärte der Experte. So sei die Wirtschaftsleistung sehr viel weniger stark gesunken als in Frankreich oder im Vereinigten Königreich. „Darüber hinaus blieben die Exporte stark, da Deutschland überproportional von der frühen Erholung in China profitierte“, sagte Ahlers. „Und schließlich kam Deutschland seine Lage in der Mitte Europas und die vergleichsweise gute Verkehrsinfrastruktur zugute: So hat sich die Zahl der Logistikprojekte 2020 im Vergleich zum Vorjahr von 63 auf 129 mehr als verdoppelt“, teilte EY mit.
Deutschland hat 2020 den Abstand zu den zwei führenden Investitionsstandorten in Europa verringert. Beide fielen im Krisenjahr unter die Marke von 1000 Projekten. Das Vereinigte Königreich verschlechterte sich um zwölf Prozent von 1109 auf 975 ausländische Investitionsprojekte. Der Marktanteil verringerte sich laut EY auf 17 Prozent.
Frankreich ist 2020 der führende Standort für ausländische Investoren in Europa geblieben. Die Zahl der Investitionsprojekte sank jedoch deutlich um 18 Prozent. Das war der drittgrößte Rückgang in den Top 10 hinter Spanien und den Niederlanden. Die Analysten von EY zählten nur noch 985 Projekte. 2019 waren es 1197 gewesen. Frankreich kam nur noch knapp vor dem Vereinigten Königreich auf einen Marktanteil von 18 Prozent.