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Kolumne Die Commerzbank braucht einen neuen Chef von außen

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Deutschlands zweitgrößte Privatbank darf nicht länger im eigenen Saft schmoren. Der neue Aufsichtsratschef der Commerzbank sieht das offenbar auch so

Eigentlich ganz einfach: „Erträge steigern, Kosten senken“. Die Losung stammt von dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden der Commerzbank, Hans-Jörg Vetter – und sie stimmt. Und das nicht erst seit letzter Woche, als sie von Vetter zu hören war, sondern seit vielen Jahren. Nur passiert ist leider in der Vergangenheit nicht viel, um die schöne Erkenntnis auch in die Praxis umzusetzen. Das hat viel mit der ganz besonderen Unternehmenskultur in dem Kreditinstitut zu tun. Keine andere große Bank schmort schon so lange im eigenen Saft wie die Commerzbank.

Die Regeln guter Unternehmensführung gelten seit Jahrzehnten nicht bei der Bank. Keinen direkten Wechsel vom Vorstands- in den Aufsichtsratsvorsitz? Bei der Bank passierte das Gegenteil. Einen geordneten Auswahlprozess bei der Suche nach einem neuen CEO? Kann man sich doch sparen. Die Berücksichtigung externer Kandidaten bei der Besetzung von Spitzenjobs? Nicht am Kaiserplatz in Frankfurt.

Zwischen 1991 und 2001 regierte Martin Kohlhaussen als Vorstandschef – und danach noch sieben Jahre als Chef des Aufsichtsrats. Sein Nachfolger Klaus-Peter Müller stand bis 2008 an der Spitze – und hängte sogar zehn Jahre als Oberaufseher dran. Die beiden nachfolgenden CEOS – erst Martin Blessing, dann bis heute Martin Zielke – dienten sich über Jahre unter ihrem Mentor Müller hoch. Und Müllers direkter Nachfolger als Aufsichtsratschef, Stefan Schmittmann? Ein ehemaliger Vorstand der Commerzbank, was sonst.

Bei der Commerzbank gab es nie einen Weckruf

Neues Personal von außen gab es seit nunmehr 30 Jahren so gut wie gar nicht an der Spitze der Commerzbank. Und weil man sich so lange kannte, wollte niemand dem anderen weh tun. Müller legte äußersten Wert darauf, dass es im Vorstand immer harmonisch zuging. Harte Entscheidungen gehörten nicht zum Instrumentarium des Managements – dabei verschlechterte sich die Lage der Commerzbank seit der Finanzkrise 2008/2009 kontinuierlich. Die Altaktionäre der Bank haben seitdem über 90 Prozent ihres Vermögens verloren.


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Einen wirklichen Weckruf aber gab es nie. Die wechselnden Strategien der Bank umweht seit Jahren eine Mischung aus Tollheit und Realitätsflucht. Man denke nur an den grandiosen Plan, die Zahl der Filialen massiv auszubauen, als der gesamte Rest der Brache dabei war, sie einzusparen. Letzte Woche legte der zuständige Vorstand Michael Mandel nun sein Amt nieder – gescheitert auf der ganzen Linie. Der Leiter der Privatkundensparte gehörte, wie nicht anders zu erwarten, ebenfalls seit vielen Jahren zum Küchenkreis Müllers.

Wandel kann unter solchen Bedingungen nur von außen kommen. Die Berufung Vetters an die Spitze des Aufsichtsrats war in dieser Hinsicht ein guter erster Schritt, dem weitere Schritte folgen sollten. Auch der nächste Vorstandschef sollte nicht aus dem Dunstkreis des gescheiterten Müller-Managements kommen. Also ein externer Kandidat – oder der frühere ING-Manager Roland Boekhout, der erst seit Januar im Vorstand sitzt und aus seiner früheren Tätigkeit weiß, wie eine moderne Bank funktionieren muss. Auf jeden Fall: nicht wie die bisherige Commerzbank.

Bernd Ziesemerist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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