Finanzexperten aller Art bemühen gern die Metapher vom Supertanker, wenn es um die großen Kreditinstitute geht. Angeblich können sie ihren Kurs nur sachte ändern – und ein Bremsmanöver erfordert viel Zeit. Die Commerzbank hat sich jedoch zu einer 180-Grad-Wend entschlossen, wie man in diesen Tagen immer deutlicher sieht. Und um im Bild zu bleiben: Der neue Kapitän Manfred Knof vollführt die schwierige nautische Operation auch noch in sehr schwerer (gesamtwirtschaftlicher) See.
Seit der Übernahme der Dresdner Bank 2009 standen alle Zeichen in Frankfurt auf Expansion. Damals wollten sich Vorstand und Aufsichtsrat eigentlich sogar noch die Postbank einverleiben, um ganz groß zu starten. Man wollte „auf Augenhöhe“ mit der Deutschen Bank arbeiten. Einige Jahre später gründete die Commerzbank Filiale um Filiale, als vorsichtige Kreditinstitute längst den Abbau ihrer Netze angingen. Man lockte Millionen neue Privatkunden mit kostenlosen Girokonten – und für die Eröffnung eines Aktiendepots gab es sogar noch ein paar Euro-Scheine drauf. Und um Firmenkunden baggerte die Bank mit besonders günstigen Konditionen. In beiden Sparten sollte es die Masse am Ende machen. Sie machte es jedoch nicht. Mit vielen neuen Privatkunden verdiente man keinen Cent. Und bei vielen neuen Firmenkunden standen am Ende sogar Verluste, weil sich nicht wenige von ihnen als äußerst wacklige Kreditnehmer entpuppten.
Was wird mit den Erträgen der Commerzbank?
Zwischendurch baute die Commerzbank immer mal wieder hier und da auch wieder etwas ab – der schieren Not gehorchend. Die Entschlossenheit, eine richtige Wende zu vollziehen, beobachtet man jedoch erst beim neuen Chef Knof, der sich schon vorher als harter Sanierer bei der Allianz bewiesen hatte. Jetzt stehen deshalb bei dem Kreditinstitut alle Zeichen auf dem genauen Gegenteil von Expansion: Man will sich in den nächsten Jahren um fast jeden Preis gesundschrumpfen. Und das nicht nur im Privatgeschäft, sondern auch im gewerblichen Mittelstand.
Der neue Firmenkundenvorstand Michael Kotzbauer brachte es am letzten Freitag in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ mit erfrischender Klarheit auf den richtigen Begriff: „Wenn wir keinen Weg finden, eine Geschäftsbeziehung profitabel zu gestalten, werden wir uns vom Kunden trennen.“ Damit das alles nicht zu brutal daherkommt, beschwichtigt Kotzbauer seine Stammklientel, er rechne bei uns in Deutschland nur mit einer „kleinen Zahl“ von Betroffenen. Doch wenn die Devise wirklich gilt, könnte am Ende wohl doch eine große Zahl dabei herauskommen.
Ob die Wende der Commerzbank gelingt, bezweifeln viele. Knof und seinen neuen Mitkämpfern traut man zwar zu, die Kosten wirklich massiv zu senken. Das wäre schon eine erfreuliche Innovation in einer Bank, in der seit Jahren zwar über „harte Einschnitte“ geredet wird, aber in der Praxis nur wenig passierte. Doch was wird mit den Erträgen der Commerzbank? Viele Finanzexperten haben ihre Prognosen für das Kreditinstitut nach der Verkündung des Knof-Programms massiv gesenkt. Man sollte daher in nächster Zeit nicht erwarten, dass die Aktie zu einem Renner wird, selbst wenn die Bank mit ihrer 180-Grad-Wende ernst macht.
Bernd Ziesemerist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.