Der Skandal um die unerlaubte Weitergabe von Nutzerdaten bei Facebook treibt dessen Werbekunden aus Deutschland um – das Engagement auf der Plattform will aber kaum ein Unternehmen beenden. Das zeigt eine Capital-Umfrage unter den 25 Unternehmen mit den laut Nielsen-Auswertung größten Onlinewerbeetats der letzten Monate in Deutschland (Ausgabe 5/2018, EVT 19. April).
Damit bleibt die Commerzbank, die Ende März angekündigt hatte , eine Kampagne auf Eis zu legen, offenbar ein Einzelfall. „Deutsche Werbekunden verhalten sich noch zurückhaltend“, bestätigt Markus Biermann von der Agentur Crossmedia. Unter internationalen Werbetreibenden sei „mehr Unruhe“. In Deutschland will hingegen kaum ein Werber auf die Möglichkeit des zielgenauen Zugriffs auf die 32 Millionen Nutzer des sozialen Netzwerks verzichten. Die Mehrheit der befragten Unternehmen betonte aber auch, man werde den US-Konzern in Zukunft unter verschärfte Beobachtung stellen.
Was die großen Werbekunden über ihr Engagement bei Facebook im Einzelnen zu sagen haben:
Facebook-Werbekunden
Markenchef Hans-Christian Schwingen sagte Capital: „Die Medienplattform und das Netzwerk Facebook lassen sich mittlerweile kaum mehr voneinander trennen, weshalb die einseitige Betrachtung von Werbeboykotts zu kurz springt.“ Er sei „kein Freund publikumswirksamer Ankündigungen, sofern nicht sichergestellt ist, dass den Worten auch tatsächlich Taten folgen. Sich nur in der Öffentlichkeit zu positionieren ist da zu wenig.“ Und weiter: „Jeder einigermaßen vernunftbegabte Mensch weiß, dass es in der Wirtschaftswelt nichts geschenkt gibt. Der Deal von Facebook beruht nun mal darauf, Dienste gegen Daten in Anspruch nehmen zu können. Vielleicht mag es dem einen oder anderen erst jetzt wie Schuppen von den Augen fallen, dass Daten einen Wert haben und als veritable Währung gehandelt werden.“
Klar sei aber auch: „Selbst wenn man zum Ergebnis kommt, dass sich Facebook rein rechtlich nichts zu schulden hat kommen lassen, so ist ihnen allemal Fahrlässigkeit im Umgang mit den Daten ihrer Nutzer vorzuwerfen. Bei allem, was Facebook jetzt aufzuklären und zu tun gedenkt, steht deren Glaubwürdigkeit auf dem Spiel, das wissen sie sehr gut. Und sie wissen auch, dass sie allein die Zukunft von Facebook in den Händen halten.“
Vom Telekom-Konkurrenten Telefónica heißt es, Facebook sei „ein wichtiger Service- und Dialog-Kanal“. Und: „Hinsichtlich unseres Werbeengagements auf Facebook sehen wir derzeit keine Veranlassung, Änderungen vorzunehmen. Wir beobachten aufmerksam die derzeitige Diskussion.“
Man nehme die Sache „sehr ernst“, sagt ein Sprecher des Vergleichsportals, „und beobachten ganz genau, inwieweit Facebook sinnvolle Datenschutzmaßnahmen ergreift. Dazu sind wir mit Facebook bereits im Gespräch.“
Die Deutschland-Tochter der schwedischen Möbelhauskette teilt mit: „Wir beobachten die Diskussion um das Thema Datensicherheit bei Facebook sehr aufmerksam. Wir akzeptieren keinen Missbrauch von Daten, die mit Ikea in Verbindung stehen.“ Man habe die aktuelle Situation zum Anlass genommen, „uns umfassend mit Facebook auszutauschen, um alle Schnittstellen nochmals zu überprüfen. Wir sehen derzeit keinen Grund, unsere Aktivitäten auf Facebook ad hoc zu stoppen. Über weitere Maßnahmen werden wir gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.“
Die Versicherungsgruppe HUK-Coburg äußert sich kritisch: „Die Vorgänge zwischen Facebook und Cambridge Analytica sind ja nur ein Teil der Probleme, die Facebook gerade hat. Daher betrachten wir die Entwicklung der Plattform aktuell in der Tat mit Sorge und verfolgen aufmerksam, wie es weitergeht. Abhängig davon werden wir uns entscheiden, wie wir weiter vorgehen. Eine überhastete Aktion ist aus unserer Sicht aber nicht sinnvoll.“
Für die Elektronikhandelskette MediaMarktSaturn spiele Facebook in der Mediastrategie nur eine „untergeordnete Rolle“, so eine Sprecherin. Und: „Aktuell haben wir keine Pläne, unsere Werbeaktivitäten auf Facebook auszusetzen, beobachten aber die Entwicklungen um den Datenschutzverstoß sehr genau.“
Bei 1&1 vertraut man auf die im Mai in Kraft tretende neue Datenschutzgrundverordnung der EU. „Dadurch wird der Schutz der eigenen Daten noch einmal deutlich gestärkt“, so ein Sprecher. „Für unsere Produktwerbung ist Facebook nach wie vor ein der wichtiger Kanal, den wir in der Vergangenheit genutzt haben und auch weiterhin nutzen.“
Der südkoreanische Autohersteller Kia betont den Wert von Facebook für Werbetreibende. „Die Plattform ermöglicht zielgruppenspezifische Aussteuerung von Werbemaßen in einer Granularität, die wenige andere Medien bieten. Gerade bei jüngeren Zielgruppen beobachten wir eine Abwanderung, weg von klassischen Medien hin zu digitalen Medien und sozialen Netzwerken. Dieser Umbruch in der Medianutzung macht Plattformen wie Facebook zu einem nicht unwichtigen Werbekanal und ist daher in unserem Mediamix ein regelmäßiger Bestandteil.“ Gleichzeitig, so das Unternehmen, müsse sichergestellt sein, „dass Publisher ihrer Verantwortung im Umgang mit Nutzerdaten nachkommen. Das war und ist immer eine Grundvoraussetzung gewesen. Sollte das mittel- bis langfristig seitens Facebook nicht ausreichend gewährleistet sein, wird dies Auswirkungen auf den bestehenden Mediamix haben.“
Auch der Hamburger Versandhandelsriese Otto macht klar: „Wir erreichen über diesen Kanal (und vergleichbare Social-Media-Angebote wie Instagram) viele unserer Kunden direkt und mit auf deren Interessen zugeschnittenen Angeboten. Das wird von der Mehrheit der so Angesprochenen geschätzt und ist in dieser Form über klassische Medien nicht möglich.“ Und weiter: „Die dafür entwickelten Initiativen entsprechen selbstredend den gesetzlichen Vorgaben.“ Ein Werbeboykott kommt für Otto nicht in Frage. „Weder planen wir eine Verringerung der Werbeaktivitäten geschweige denn deren Einstellung. Eine Sensibilisierung und Verbesserung des Datenschutzes wird nur im Dialog – Politik, Social-Media-Plattformen, Gesellschaft, Nutzer, werbetreibende Industrie – gelingen.“ Allerdings beobachte man sehr genau, „wie Facebook sich der aktuellen Kritik stellt“.
Der Discounter Aldi Süd sieht keinerlei Auswirkungen auf sein Werbeengagement. „Facebook ist für uns ein wichtiger Kanal, um in den direkten Austausch mit unseren Kunden zu treten. Wir schalten, wie in der Branche üblich, auch regelmäßig Anzeigen und Sponsored Posts auf Facebook. Daher beobachten wir die Entwicklungen zu diesem Thema sehr genau, diese haben jedoch aktuell keine Auswirkungen auf unsere Aktivitäten.“
Beim Reisekonzern Thomas Cook klingt das sehr ähnlich: „Facebook ist aktueller Bestandteil unseres Marketingmix, um die Social Media-affine Zielgruppe zu erreichen. Die Sicherheit der Daten unserer Kunden und die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen hat für uns oberste Priorität. Im Moment gibt es keine Veränderungen unserer Marketingmaßnahmen. Wir verfolgen die aktuellen Entwicklungen bei Facebook jedoch sehr aufmerksam und behalten uns Änderungen vor.“
Obwohl aus der Bundesregierung überwiegend kritische Töne gegenüber Facebook zu hören sind, gehört ein Ministerium zum Kreis wichtiger Werbekunden – das von Ursula von der Leyen (CDU) geleitete Bundesministerium der Verteidigung. „Die Bundeswehr setzt auf einen modernen Mediamix mit Schwerpunkt im Online-Bereich“, erklärt eine Sprecherin. „Dazu zählen auch soziale Netzwerke, die wir als erfolgreiche Werbeplattformen nutzen. Facebook ist dabei einer der genutzten Kanäle. Die letzten größeren Kampagnen wie die Offizierskampagne oder die neue Youtube-Serie 'Biwak' sind gerade ausgelaufen. Hierbei handelt es sich um Werbemaßnahmen im Rahmen der zielgruppenorientierten Arbeitgeberkommunikation und Personalwerbung.
Über weitere Werbekampagnen auf Facebook sei „derzeit noch nicht entschieden“.