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Analyse Deutsche Bank: Das Leiden geht weiter

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank erhielt im vergangenen Jahr rund 6,2 Mio. Euro. Sein Grundgehalt lag bei 3,4 Mio. Euro, der Rest entfielt auf aktienkursbasierte Gehaltsbestandteile.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank erhielt im vergangenen Jahr rund 6,2 Mio. Euro. Sein Grundgehalt lag bei 3,4 Mio. Euro, der Rest entfielt auf aktienkursbasierte Gehaltsbestandteile.
© dpa
Es ist der radikalste Schritt seit Jahrzehnten: Die Deutsche Bank streicht 18.000 Stellen, baut den Vorstand um, schließt ganze Geschäftsbereiche – und verabschiedet sich von ihren globalen Ansprüchen. Der Plan ist richtig, aber die Probleme bleiben riesig

Sprengkraft ist an diesem Sonntag ein Thema, das viele Frankfurter bewegt: Im Stadtteil Ostend müssen an diesem Wochenende 16.500 Bewohner ihre Wohnungen verlassen, weil der Kampfmittelräumdienst am Sonntag eine Weltkriegsbombe entschärfen muss – während nur ein paar Kilometer Luftlinie entfernt die Gremien der Deutschen Bank zusammentreten.

Die ebenfalls brenzlige Aufgabe: Die malade Lage von Deutschlands größtem Geldhaus entschärfen, einen Plan finden, um das Geldhaus mit dem blauen Logo zurück in die Spur zu hieven.

Es ist, wie ein Kenner im Vorfeld formulierte, „die letzte Chance für die Deutsche Bank“.

Der Ex-Weltkonzern steckt seit Jahren in der Krise, die Aktie kostete zeitweise weniger als eine Zigaretten-Schachtel, ihr Wert fiel auf unter sechs Euro. Seit Wochen war erwartet worden, dass der Dax-Konzern bald einen Plan vorlegt, um zu gesunden – oder es zumindest zu versuchen.

Am späten Sonntagnachmittag – gut 50 Minuten, nachdem die Weltkriegsombe entschärft ist – legt die Bank ihren Plan vor, den Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing als „echten Neustart“ bezeichnet. Es sei die „umfassendste Transformation der Bank seit Jahrzehnten“, lässt er sich in einer Pressemitteilung zitieren.

Tatsächlich ist das Vorhaben umfassend: Bis 2022 sollen gut 18.000 Vollzeitstellen wegfallen, die Kosten um 6 Milliarden Euro sinken. Zudem streicht die Deutsche Bank im Investmentbanking ihr Handelsgeschäft zusammen, aus dem Handel mit Aktien will sich die Bank gleich ganz verabschieden.

Daneben schafft sie ein neues Geschäftssegment, in dem sie die die Transaktionsbank und das Geschäft mit Firmenkunden in Deutschland zusammenführt. Obendrein will sie eine Abbaueinheit gründen, in der sie Vermögenswerte im Umfang von fast 75 Milliarden Euro bündelt, die sie nicht mehr brauchen kann.

Gleichzeitig kostet der Umbau drei Vorstandsmitglieder die Posten: Bereits am Freitag musste Investmentbank-Vorstand Garth Ritchie gehen, ihm folgen jetzt Privatkundenchef Frank Strauß und Regulierungsvorständin Sylvie Matherat.

Das Problem ist nur, dass sich das Drama, die ganze Tragik der Deutschen Bank in einem Satz zusammenfassen lässt: Der Umbau ist wichtig, richtig und notwendig, er macht die Situation besser – aber die Lage ist deshalb längst noch nicht gut, sie wird bloß weniger schlimm.

Dass die Bank etwa im Investmentbanking ihr Handelsgeschäft zusammenstreicht, ist schlicht eine Notwendigkeit. Sie tut sich schwer, hier noch Geld zu verdienen, wenn sie überhaupt noch welches verdient hat. So hat die gesamte Investmentbank-Sparte im ersten Quartal 2019 einen Verlust von 88 Millionen Euro gemacht.

Mit dem Schritt verabschiedet sich das Institut von der Ambition, eine globale Investmentbank zu sein, die überall mithalten kann. Dieses Ziel hatte die Deutsche Bank einst formuliert, als sie 1989 die britische Investmentbank Morgan Grenfell gekauft hatte, ihr Startschuss für ihre weltweite Expansionsstrategie. Stück für Stück hatte sich das Machtzentrum des Instituts weg von Deutschland nach London und New York verlagert – während ihr diese Strategie erst ihren globalen Aufstieg ermöglicht und nach der Finanzkrise den ungleich größeren Fall eingebrockt hatte.

Insofern ist Sewings Umbau ein richtiger Schritt, der die Deutsche Bank ein bisschen deutscher macht. In Wahrheit aber kommt die Einsicht viel zu spät, dass es keinen Sinn macht, diese Geschäfte länger zu betreiben. Das Institut hechelt der Konkurrenz aus den USA schon lange hinterher.

Man darf jedoch zweifeln, wie profitabel die Bank jetzt wieder werden kann – selbst dann, wenn sich Sewing nicht mehr auf das Investmentbanking mit seinen stark schwankenden Erträgen, sondern auf stabilere Geschäftsfelder wie das klassische Kreditgeschäft, den Zahlungsverkehr und die Vermögensverwaltung konzentriert.

Es gibt schlicht immer noch zu viele Hemmnisse, damit das Geldhaus zu alter Stärke zurückfindet – obwohl die Deutsche Bank deutscher wird.

Erst mal gibt es massive Risiken, ob Sewing seinen Plan wie angekündigt umsetzen kann, ob die Kunden mitziehen – oder ob er beim Umbau nicht noch mehr von ihnen verliert. Gleichzeitig muss die Bank erst noch zeigen, ob die veranschlagten 7,4 Milliarden Euro an Kosten ausreichen werden, um den Umbau zu stemmen.

Hinzu kommt der starke Wettbewerb im deutschen Bankenmarkt, der auf die Erträge drückt. Wie groß der ist, zeigt eine Zahl, die Analysten der Schweizer Großbank UBS ausgerechnet haben: Innerhalb einer fünfminütigen Autofahrt rund um eine beliebige Deutsche-Bank-Filiale hierzulande treffen Kunden im Schnitt auf 12,8 andere Geldhäuser.

Das Problem des starken Wettbewerbs wird sich auch nicht lösen lassen, wenn deutsche Banken miteinander fusionieren. Der Markt würde dadurch nur noch attraktiver für ausländische Institute. Zwar machen Geldhäuser mit Krediten an deutsche Firmen kaum mehr als ein Prozent Marge, aber für eine Bank etwa aus Italien sind deutsche Firmen dennoch hochattraktiv.

Sie können am Heimatmarkt in Italien tendenziell mehr verdienen, gehen mit Krediten an ihre dortigen Unternehmen aber auch größere Risiken ein. Für sie sind die oft kerngesunden deutschen Firmen eine Absicherung für den Fall, dass es Probleme in der Heimat gibt – und wenigstens die deutschen weiter brav ihre Zinsen zahlen. Deshalb sind auch sie bereit, den hiesigen Firmen Geld für niedrige Zinsen zu leihen. Es ist die Tragik der deutschen Banken, dass sie an der Stärke der eigenen Wirtschaft leiden.

Obendrein droht Geldhäusern wie der Deutschen Bank weiteres Ungemach: bei den Zinsen. Bei höheren Zinsen können Banken tendenziell mehr Geld verdienen, weshalb viele gehofft hatten, dass Mario Draghi als Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) bald die Zinsen anhebt. Wäre es so gekommen, wären die Gewinne der Deutschen Bank um bis zu 50 Prozent gestiegen, haben Analysten der UBS ausgerechnet.

Das Problem: Die erhoffte Zinswende bleibt auf Jahre hinaus aus, womöglich wird die EZB die Zinsen sogar noch weiter senken, um die abflauende Konjunktur zu stützen. Und das kostet die Institute viel Geld: Der Bankenverband hat ausgerechnet, dass europäischen Banken allein in diesem Jahr 7,5 Milliarden Euro Kosten entstehen, weil sie bei der EZB einen Strafzins von 0,4 Prozent zahlen müssen.

Gleichzeitig ist die schwächelnde Konjunktur das nächste Problem: Die Institute müssen Geld zurücklegen, um sich gegen ausfallgefährdete Kredite zu wappnen. Läuft aber die Konjunktur wie in den vergangenen zehn Jahren gut, brauchen sie dafür immer weniger Geld. 2018 war diese sogenannte Risikovorsorge bei der Deutschen Bank mit etwas mehr als 500 Millionen Euro sogar noch niedriger als 2007 vor dem Ausbruch der großen Finanzkrise.

Flaut aber die Wirtschaftslage ab, muss die Bank wieder mehr Geld zurücklegen. Das zeigte sich bei der Deutschen Bank bereits im ersten Quartal dieses Jahres: Statt 88 Millionen Euro wie im Vorjahresquartal musste sie bereits 140 Millionen Euro zurücklegen, also 60 Prozent mehr.

Mit anderen Worten: Nicht nur die Deutsche Bank, sämtliche Geldhäuser laufen geradewegs hinein in einen Wirbelsturm – und können nichts dagegen tun.

Da wird es wenig helfen, dass die Deutsche Bank mit ihrer Vermögensverwaltungstochter DWS unter die zehn größten dieser Disziplin aufsteigen und wachsen will, wie es Sewing am Sonntag erneut angekündigt hat.

Es bleibt zumindest am Sonntag unklar, wie der Deutsche-Bank-Chef dieses Ziel erreichen will. Ende 2018 war die Fondstochter DWS gerade einmal die weltweite Nummer 20 in diesem Geschäft, bis zum Sprung unter die zehn größten der Welt müsste die DWS ihr verwaltetes Vermögen von jetzt 700 Milliarden Euro auf gut 1200 Milliarden Euro steigern – während die Nummer eins der Branche, der US-Riese Blackrock, 5300 Milliarden Euro verwaltet. Gleichzeitig gerät die DWS bereits jetzt schon massiv unter Druck, weil die Konkurrenz die Preise brutal senkt.

Vielmehr zeigt das Beispiel DWS, wie sehr die Deutsche Bank viele ihrer eigentlichen Kernkompetenzen – und Vermögensverwaltung ist klassisches Bankgeschäft – lange Jahre vernachlässigt hat. Nun versucht sie, ihre malade Historie abzuwickeln – und schafft es doch nur, ihre jahrelangen Schmerzen zu lindern, ohne sie zu heilen.

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