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US-Präsidentschaftsdebatte Demokraten in Schockstarre: Bleibt Biden Kandidat?

In Atlanta trafen der ehemalige US-Präsident Donald Trump und Amtsinhaber Joe Biden in einem TV-Duell aufeinander
In Atlanta trafen der ehemalige US-Präsident Donald Trump und Amtsinhaber Joe Biden in einem TV-Duell aufeinander. Laut Umfragen konnte Trump die Debatte klar für sich entscheiden.
© SOPA Images / IMAGO
Donald Trump hat in der ersten Präsidentschaftsdebatte nahezu ununterbrochen gelogen. Doch Joe Biden war nicht in der Lage dem früheren Präsidenten Paroli zu bieten, wirkte fahrig und überfordert. Nun wird die Frage laut, ob Biden seine Kandidatur beenden sollte.

Der US-Präsident spricht, aber er ist kaum zu verstehen. „Leute, wie geht es euch? Schön, hier zu sein“, nuschelt Joe Biden, als er mit steifer Hüfte die Bühne betritt. Wer sich die Szene mehrmals anschaut, kann erahnen, was der 81-Jährige sagen möchte. So beginnt die erste Fernsehdebatte in diesem Wahljahr zwischen Biden und Donald Trump am Donnerstagabend in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia: Ein Präsident wendet sich an ein Millionenpublikum und ist kaum zu verstehen.

In den ersten 15 Minuten räuspert sich Biden immer wieder und kämpft mit seiner Stimme. Trump hingegen steht neben ihm, spricht klare und einfache Sätze. „Wir hatten die großartigste Wirtschaft in der Geschichte unseres Landes. Biden hat sie zerstört.“ Es sind Sätze, die bleiben.

Danach entwickelt sich eine Debatte, die Fernsehkommentatoren schon Sekunden nach dem Ende als historisch bewerten. Trump lügt über weite Strecken, aber weder Biden noch die CNN-Moderatoren können dagegenhalten. Nach 50 Minuten melden Reporterinnen und Reporter, der Präsident sei erkältet. Noch während der Debatte bemüht sich die Biden-Kampagne so um Schadensbegrenzung. In Blitzbefragungen im Anschluss sagen trotzdem etwa zwei Drittel, Trump habe die Debatte gewonnen. Ganz anders war es vor vier Jahren: Da sagten 60 Prozent, Biden habe obsiegt.

Eine der bemerkenswertesten Szenen ereignet sich als über die Gesundheitspolitik gesprochen wird. Biden führt aus, er habe die Kosten, die ältere Menschen für Insulin aufbringen müssen, gedeckelt. Das entspricht der Wahrheit: Biden hat per Gesetz dafür gesorgt, dass Senioren, die über die Medicare-Krankenversicherung abgesichert sind, nicht mehr als 35 Dollar pro Monat für ihr Insulin zahlen.

Trump wirkt trotz Lügen kompetenter

Trump aber interessiert das nicht. „Ich bin derjenige, der das Insulin für die Senioren runtergebracht hat“, sagt der frühere Präsident. „Ich habe mich um die Senioren gekümmert.“ Danach wirft er Biden vor, das Gesundheitssystem zu zerstören. Tatsächlich hatte Trump als Präsident der Pharmaindustrie aber nur eine freiwillige Selbstverpflichtung abgerungen. Die Kosten blieben auch danach hoch.

Die Worte von Trump bleiben unwidersprochen. Er redet und lügt, doch Biden kann es nicht geraderücken. Der Präsident steht vielmehr mit versteinerter Miene da, den Mund weit geöffnet, der Blick scheint ins Leere gehen. Trump wirkt lebhafter und spricht in verständlichen Sätzen. So wirkt er oftmals kompetenter als Biden – trotz der Unwahrheiten, die er verbreitet. In amerikanischen Wahlkämpfen zählt nicht immer die Wahrheit, sondern Performance. 

Gegen Ende der Debatte wird es etwas besser für Biden. Da attackiert er Trump für dessen Schuldspruch in New York und die vielen rechtlichen Probleme. Der Ex-Präsident wird zudem mehrmals gefragt, ob er das Ergebnis der anstehenden Präsidentschaftswahl anerkennen werde. Trump windet sich und sagt, er werde es nur akzeptieren, wenn die Wahl „fair“ und „rechtssicher“ abgelaufen sei. Schon vor vier Jahren hatte Trump behauptet, die Wahl sei ihm gestohlen worden, ohne dies belegen zu können. Biden sagt, das sei für einen früheren Präsidenten unwürdig. Den verheerenden Gesamteindruck kann er aber nicht mehr korrigieren.

Kamala Harris gesteht die Niederlage von Joe Biden indirekt ein

Das Duell wurde an der Technischen Universität in Georgia abgehalten. In der Sporthalle des Georgia Institute of Technology sitzen Journalistinnen und Journalisten und verfolgen den Schlagabtausch. Auf dem Spielfeld der Halle stehen die Vertreter beider Seiten danach für Fragen zur Verfügung. 

Trumps Leute sind unmittelbar nach dem Ende der Debatte im sogenannten „Spin Room“. Lara Trump, seine Schwiegertochter und Co-Chefin der republikanischen Partei, dazu die Senatoren Marco Rubio, Tim Scott und J.D. Vance sowie der Gouverneur Doug Burgum – die vier Männer sind als mögliche Vizepräsidentschaftskandidaten im Gespräch. Sie alle erzählen, Trump habe die Debatte gewonnen. Das ist nicht verwunderlich.

Viel erstaunlicher ist, dass Bidens Leute nicht da sind. Es sind nur einige Minuten, aber gefühlte Ewigkeiten. Offenbar gibt es Abstimmungsbedarf. Später werden sie sagen, Biden habe keinen idealen Start gehabt, aber am Ende zeigen können, dass er der richtige Präsident sei. Auf den Nachrichtensendern wird da längst ein vernichtendes Urteil über Bidens Auftritt gefällt.

Auf CNN gibt Kamala Harris, die amtierende Vizepräsidentin, später am Abend ein Interview. Immer wieder wird sie nach der schlechten Leistung ihres Chefs gefragt. Schließlich sagt sie: „Ich werde nicht den ganzen Abend mit Ihnen über die letzten 90 Minuten reden, wenn ich ihn die letzten dreieinhalb Jahre erlebt habe.“

Die erste von zwei Fernsehdebatten gegen Donald Trump hat Joe Biden verloren. In den nächsten Tagen wird der Druck  auf ihn massiv steigen, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten. Dann könnte ein anderer Kandidat oder eine Kandidatin antreten, um Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus doch noch zu verhindern.

Dieser Artikel ist eine Übernahme des Stern, der wie Capital zu RTL Deutschland gehört. Auf Capital.de wird er zehn Tage hier aufrufbar sein. Danach finden Sie ihn auf www.stern.de.

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