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Kolumne Der italienische Herbst

Europas Wachstumsschwäche wird zur Gefahr für den Euro. Sie zerfrisst den politischen Zusammenhalt. Von Christian Schütte
Christian Schütte
Christian Schütte
© Trevor Good

Christian Schütte schreibt an dieser Stelle über Ökonomie und Politik

Kommt jetzt also die Euro-Krise zurück?

Der Zinsaufschlag der schwächelnden Euro-Staaten gegenüber Deutschland ist wieder deutlich gestiegen. Die griechische Regierung, die sich ab 2015 wieder ganz normal über den Kapitalmarkt finanzieren wollte, wurde in dieser Woche gleich krachend abgestraft: Der Zins für ihre Anleihen ging Richtung neun Prozent. Das weckt Erinnerungen an den Sommer 2012, als erst der verbale Rettungscoup von EZB-Chef Mario Draghi („Whatever it takes“) die Finanzmärkte beruhigte.

Die gute Nachricht ist, dass eine Wiederholung des damaligen Szenarios heute praktisch ausgeschlossen ist. Die schlechte Nachricht ist, dass die beginnende „Europanik 2.0“ (Paul Krugman) deswegen keineswegs harmloser ist. Denn sie zerfrisst den politischen Zusammenhalt, der die Eurozone bislang noch immer durch alle Marktturbulenzen gerettet hat. Und ohne diesen politischen Kitt muss die Währungsunion scheitern.

Gefahr einer neuen Rezession

Die Europanik 1.0 entstand, weil es in der Eurozone keinen „Lender of Last Resort“ zu geben schien, keinen Kreditgeber der letzten Instanz, der einen hoch verschuldeten Staat notfalls flüssig halten würde. Staatspleiten schienen möglich – und sei es auch nur durch eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, einen „Run“ der Investoren und Spekulanten, der die Zinsen in unerträgliche Höhen jagt.

Diese fatale Lücke in der Euro-Architektur ist vor allem durch das Rettungsversprechen der EZB inzwischen gestopft. Die finanzielle Lage der Regierungen hat sich meist ebenfalls verbessert. Griechenland etwa kann nach all seinen Sparprogrammen mittlerweile wenigstens die normalen Staatsausgaben (bereinigt um Zinslasten) ohne neue Kredite finanzieren.

Das Problem besteht jetzt nicht mehr in einer unmittelbar drohenden Zahlungsunfähigkeit von Staaten. Es liegt in der miserablen Wirtschaftsentwicklung in weiten Teilen der Eurozone. In der Gefahr einer neuen Rezession und in deflationären Tendenzen, die entfernt schon an japanische Verhältnisse erinnern.

Die italienische Dauerkrise

Wenn etwa in Italien jetzt von einem drohenden Triple-Dip die Rede ist, von einer dritten Rezession in kurzer Folge, dann ist das eigentlich noch eine Beschönigung: Die Wirtschaft des Landes ist bereits im vierten Jahr praktisch ununterbrochen im Rückwärtsgang. Nur im ersten Quartal 2014 verzeichneten die Statistiker mal ein Mini-Plus von 0,1 Prozent, das den neu antretenden Premier Matteo Renzi damals hoffen ließ, er könne mit dem Rückenwind eines beginnenden Aufschwungs starten.

Die brisanteste Nachricht aus Italien ist heute nicht, dass die Zinsen für Staatsanleihen wieder leicht steigen. Auch nicht, dass Renzi ein Budget plant, das in den nächsten Wochen noch für Diskussionen mit den Defizitwächtern in Brüssel und Berlin sorgen wird.

Wirklich beunruhigend ist, dass die Wirtschaftsleistung erneut fällt. Dass die Jugendarbeitslosigkeit in Italien in diesen Tagen einen neuen historischen Rekordstand erreicht hat: 44,2 Prozent. Und dass derweil die „Fünf-Sterne“-Protestpartei des Beppe Grillo, die bei den vergangenen Wahlen immerhin gut 20 Prozent holte, eine Unterschriftenkampagne „Raus aus dem Euro“ gestartet hat. Ihr Argument: Nur mit einer eigenen Währung (und deren Abwertung) kann sich Italien aus der Dauerkrise befreien und seine Handlungsfähigkeit zurückgewinnen.

Formale Beschlüsse wird eine solche Kampagne kaum bewirken. Um die Euro-Politik zu destabilisieren würde es aber schon reichen, wenn sie dem Land eine Debatte aufzwingt und die Rückkehr zur Lira zumindest als eine denkbare Option erscheinen ließe.

Die Anleger würden auf solche Unsicherheit schon frühzeitig reagieren und ihr Geld in sicherere Euro-Gefilde verlagern. Dass im August und im September insgesamt knapp 70 Mrd. Euro aus Italien abgeflossen sind, mag als kleines Warnsignal gelten.

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