Company Building, also das serienmäßige Gründen von Start-ups, gilt als notorisch schwieriges Geschäft. Rocket Internet, Deutschlands wichtigster Inkubator, hat sich daher schon vor einiger Zeit mehr aufs Investieren verlegt . Die ambitionierten Berliner Company Builder Team Europe oder Epic Companies sind längst Geschichte.
Zu den wenigen erfolgreichen Start-up-Fabriken gehören Hitfox und Finleap, zwei auf Werbe- und Finanztechnologien spezialisierte Projekte von Seriengründer Jan Beckers. Mit Heartbeat Labs hat Beckers im vergangenen Sommer einen dritten Company Builder gestartet, der Start-ups im Gesundheitsbereich auf den Markt bringen soll. Heartbeat Labs hat seither ein Venture ausgegründet und in mehrere Start-ups investiert.
Zwei neue Beteiligungen gibt Geschäftsführer Eckhardt Weber im Gespräch mit Capital.de bekannt: Zum Portfolio gehören ab jetzt das 2014 gegründete Start-up Mimi, das auf Hörtechnologie spezialisiert ist, und Medlanes, ebenfalls 2014 mit einer telemedizinischen Beratung übers Internet gestartet, die aber inzwischen zugunsten eines Hausärztebuchungsportals aufgegeben wurde.
Capital: Heartbeat Labs hat gerade in Mimi und Medlanes investiert. Warum diese beiden Start-ups?
Eckhardt Weber: Mimi hat uns überzeugt, weil sie mit der Hörtest-App eine extrem gute Anwendung von Smartphone-Technologie in der Medizin gefunden haben. Gleichzeitig positioniert sich Mimi als Lifestyle-Produkt, das besseren Hörgenuss verspricht - und hat damit ein aussichtsreiches Geschäftsmodell. Denn wir Deutschen zahlen nicht gerne für Gesundheit - für Highend-Produkte wie Kopfhörer oder Boxen hingegen schon. Medlanes verknüpft das Thema Hausärzteversorgung mit einer digitalen Plattform. Und liegt damit im Trend: Wir glauben, dass Innovation im Gesundheitssektor in den nächsten Jahren nicht rein digital sein wird, sondern in der Ergänzung bestehender Versorgungsstrukturen durch digitale Lösungen bestehen wird.
Das heißt, den Quantensprung zur rein digitalen Telemedizin können wir nicht so schnell erwarten?
Es gibt unzählige Hürden: IT-Infrastruktur, Kostenfragen, Regulatorik. Im Ergebnis hinken wir im europäischen Vergleich hinterher. In der Schweiz zum Beispiel erfolgt bereits jeder zweite Erstkontakt zum Arzt per Telemedizin – bei uns wäre das rechtlich gar nicht möglich. Da wird sich aber etwas tun. Und wir sind schon an dem Thema dran, dort, wo es bereits erlaubt ist: Unsere erste Ausgründung Kinderheldin ist ein telemedizinisches Angebot mit Hebammen.
Heartbeat Labs bezeichnet sich als Company Builder. Außer dem Start-up Kinderheldin ist seit dem Start im Juli 2017 allerdings noch keine Firma ausgegründet worden – stattdessen investieren Sie nun in Firmen, die teilweise schon fünf Jahre alt sind.
Company Building ist trotzdem der wesentliche Bestandteil von dem, was wir hier tagtäglich machen. Wir unterstützen Gründer, ihre eigenen Ideen umzusetzen und stellen ihnen Fachexpertise als Katalysator zur Seite. Wir sehen uns als Start-up- und Investmentplattform.
Was haben denn reifere Firmen wie Mimi oder Medlanes von einem Investment durch Sie?
Das haben die natürlich auch gefragt. Erst einmal haben wir eine sehr ähnliche Vision. Dann verfügen wir über Experten für ganz viele Einzelbereiche, vom Recruiting, rechtlichen Fragen bis hin zu Produkt- und Technologiethemen, nicht zuletzt ein tolles Investment- und Berater-Netzwerk. Das alles bieten wir an, es ist aber keine Vorgabe. Außerdem schauen wir, ob andere Firmen aus unserem Portfolio mit ihren Modellen möglicherweise andocken können, ob es potenziell Synergien gibt.
Das Company-Building-Geschäft gilt als notorisch schwierig. Das sieht man auch an Rocket Internet, das sich vom Inkubatorendasein fast vollständig verabschiedet hat…
Es ist ein herausforderndes Geschäft. Company Building macht aber bei sehr komplexen Themen durchaus Sinn. Im Finanzbereich haben wir das mit Finleap gezeigt. Bei Gesundheit ist es ähnlich.
Digital Health gilt ebenfalls als schwierig, gerade in Deutschland, wo das Regulierungsnivau sehr hoch ist.
Ist es wirklich so hoch? Eine Genehmigung der US-Arzneimittelbehörde FDA zu bekommen ist auch nicht so leicht. Was stimmt: Wir haben in Deutschland einen sehr strengen Datenschutz. Da müssen wir aufpassen, dass wir nicht etwas verpassen. Natürlich ist es wichtig, Patientendaten gut zu sichern. Aber wenn ich manche Arztpraxen denke, wo man klingelt und einfach reingehen kann und da nicht einmal jemand an der Anmeldung sitzt, dann frage ich mich, ob analoge Datenspeicherung wirklich sicherer ist.
Wie weit ist die digitale Revolution im Gesundheitsmarkt?
Bei der Digitalisierung der verschiedenen Lebensbereiche ist der Gesundheitssektor sicherlich ein Nachzügler. Und es wird jetzt auch nicht von 0 auf 100 gehen können. In Deutschland gibt es noch immer kein E-Rezept, da werden wir nun nicht direkt auf eine Blockchain-basierte Lösung gehen können. Sondern es wird drei, vier, fünf Ausbaustufen geben.
Droht Deutschland abgehängt zu werden?
Wir müssen schon aufpassen. Der Druck zu handeln ist in Deutschland noch nicht besonders hoch, weil gefühlt alles noch ganz ordentlich funktioniert. Andere Länder sind viel weiter: Estland spart sich Doppeluntersuchungen, weil es seit Jahren eine digitale Patientenakte gibt. Selbst Schwellenländer wie Indonesien oder die Philippinen sind uns in Sachen Telemedizin voraus. Das liegt natürlich auch daran, dass die Abdeckung mit Ärzten gering ist. Aber das schafft einen Innovationsraum, der uns fehlt.
SPD und Union haben im Koalitionsvertrag angekündigt, den Versandhandel von Online-Apotheken drastisch einschränken zu wollen.
Wenn das wirklich kommt, wird es uns um Jahre zurückwerfen. Das stünde allen digitalen Bemühungen diametral entgegen. Ich habe aber noch die Hoffnung, dass der Plan nicht umgesetzt wird.
Beim Company Building geht es ja auch darum, dass sich später ein Käufer für die Start-ups finden lässt. Wer kommt da im Gesundheitsmarkt in Frage?
Die Frage stellen wir uns natürlich auch vor jeder Gründung. Wir sehen da einmal Private-Equity-Firmen als potenzielle Käufer und auf der strategischen Seite Medizintechnikunternehmen, die digitale Lösungen integrieren wollen, oder, bei etwas nischigeren Themen, auch Krankenhausketten. Gut möglich, dass in fünf Jahren sich der Markt auch bereits konsolidiert und die Marktführer die anderen Player aufsaugen.