Bernd Weber ist Geschäftsführer der neu gegründeten Denkfabrik Epico KlimaInnovation und Mitglied im Bundesfachausschuss Wirtschaft, Arbeitsplätze und Steuern der CDU Deutschland. Epico KlimaInnovation will parteiübergreifend Konzepte für Klima- und Energiepolitik erarbeiten und finanziert seine Projekte und Aktivitäten mit Unterstützung bzw. in Partnerschaft mit der Konrad Adenauer Stiftung, der European Climate Foundation und Breakthrough Energy.
CAPITAL: Das Thema Klimapolitik hat angesichts der Coronapandemie an öffentlicher Aufmerksamkeit eingebüßt. Warum wurde Epico gerade jetzt ins Leben gerufen?
BERND WEBER: Die Coronakrise bindet natürlich aktuell viele Kapazitäten, gleichzeitig bedeutet das nicht, dass eine effektive Klima- und Energiepolitik ihre sehr hohe Dringlichkeit verloren hat. Gerade angesichts der langfristigen Investitionszyklen muss die Bewältigung der aktuellen Wirtschaftskrise Hand in Hand mit effektivem und effizientem Klimaschutzes gehen. Darin liegt eine große Chance für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit. Außerdem hat gerade die Entwicklung der CO2-Emissionen in der Pandemie gezeigt: Wir haben noch einen sehr langen Weg vor uns – und Einschränkungen von Wirtschaft und gesellschaftlichem Leben sind kein zielführender Weg zu Klimaneutralität. Denn man hat in der Krise weltweit zwar einen Rückgang der Emissionen um sieben Prozent und um zehn Prozent in Deutschland gesehen. Die Gegenfrage ist aber, was ist mit den restlichen 90 Prozent? Einen Großteil der Emissionen müssen wir mit Klimainnovationen senken, dafür brauchen wir einen verlässlichen Rahmen. Epico KlimaInnovation tritt an mit dem Ziel, konkrete, umsetzungsfähige Lösungsansätze dafür zu entwickeln.
Das heißt was ist anders an Epicos Ausrichtung im Vergleich zu den vielen bestehenden Klima-Denkfabriken?
Was das 1,5-Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens angeht, stehen wir vor einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung, die wir am besten angehen, wenn wir darin nicht nur Risiken, sondern auch Chancen sehen. Diese Chancen müssen wir ergreifen und zwar durch eine konsequente Ausrichtung auf Klimaneutralität und auf nachhaltiges Wachstum. So erhalten wir unseren Wohlstand und unsere Lebensqualität und fördern gleichzeitig die Resilienz und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Der Schlüssel hierfür liegt in der Beschleunigung von Klimainnovationen. Dafür brauchen wir ein technologie-offenes Gesamtkonzept aus dem Emissionshandel als markwirtschaftlichem Leitinstrument, aus Fördermaßnahmen, Regulierung und einer auf CO2 ausgerichteten Reform von Steuern, Abgaben, Umlagen und Entgelten. Wir verstehen uns dabei als Brücke zwischen einem markt- und innovationsorientierten Denken und dem klimapolitischen Handlungsbedarf, der sich aus dem Klimawandel ergibt.
Stichwort „klimapolitischer Handlungsbedarf“ – wer ist denn Epicos Zielgruppe?
Wir zielen mit unseren Konzepten darauf ab, fundierte Handlungsempfehlungen für die Politik zu geben. Das heißt nicht für eine Partei oder Institution, sondern allgemein für die Politik. Uns ist es dabei wichtig, nicht Konzepte für den Elfenbeinturm zu produzieren, sondern fundierte Lösungen zu liefern, die gesellschaftlich breite Akzeptanz finden und politisch tragfähig sind. Deshalb wollen wir möglichst umsetzungsorientiert sein und setzen auf gesellschaftliche Breite. Das reflektiert auch unsere Arbeitsmethode und Struktur – insbesondere im Beirat von Epico. Wir haben dort Entscheider aus mehreren Parteien, Vertreter aus verschiedenen wirtschaftlichen Sektoren, der Gewerkschaft, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft. Alle Mitglieder sind dabei als Personen und nicht auf Basis ihrer Ämter aktiv. Letztlich ist Klimaneutralität ein gesamtgesellschaftliches Megathema. Deshalb müssen Lösungsansätze auch entsprechend breit verankert und diskutiert werden.
Was genau kann man sich unter einer markt- und innovationsorientierten Perspektive auf die Klimapolitik vorstellen?
Damit Innovationen künftig zum Motor für Klimaneutralität werden können, brauchen wir einen klar strukturierten und langfristig belastbaren Rahmen im Sinne einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft. Genau diesen Rahmen wollen wir vorantreiben. Das bedeutet nicht, dass wir nur auf marktwirtschaftliche Instrumente abzielen – das wäre zu kurz gegriffen. Aber natürlich sind Elemente wie der Emissionshandel in einem breiteren Instrumentenmix zentral, denn sie ermöglichen, sowohl Wachstum als auch technologischen Fortschritt effizient in eine klimaneutrale Richtung zu lenken. Die Einnahmen aus diesem Handel sollten entsprechend zur Begleitung des Transformationsprozesses genutzt werden. Grundsätzlich gilt: Die auf europäischer Ebene auf Basis des Pariser Klimaabkommens verbindlich vereinbarten Ziele müssen wirksam und in sozial ausgewogener Weise erreicht werden. Dafür sollten diejenigen Instrumente ausgewählt werden, die die geringstmöglichen volkswirtschaftlichen Kosten nach sich ziehen.
Wie steht es aktuell denn um klimafreundliche Innovationen?
Deutschland und Europa sind hier in einer guten Ausgangssituation, um bei Klimaschutztechnologien Weltmarktführer zu werden bezieungsweise diese Position weiter auszubauen. Hier liegt noch viel Potential. Mit einem konsequenten Fokus auf Klimainnovationen könnten wir über 800 Mrd. Euro an zusätzlicher Bruttowertschöpfung und etwa 12 Millionen neue Arbeitsplätze in Europa schaffen. Gleichzeitig haben aber die Hälfte der für Klimaneutralität zwingend benötigten Innovationen bislang keine Marktreife. Wir müssen das Tempo hier also dringend steigern – auch indem wir Innovationszyklen verkürzen. Hier wird sicherlich eine Aufgabe von Epico liegen, dort zu unterstützen durch Analysen und Konzepte als Grundlage von fundierten politischen Handlungsempfehlungen.
Diesen klimapolitischen Rahmen setzt künftig auch eine neue Bundesregierung. Welche Themen sollte sie auf ihre Agenda setzen?
Wir wählen im September nicht nur eine neue Bundesregierung, sondern wir haben auf EU-Ebene das „Fit for 55 Package“, das eine maßgebliche Vorlage für die neue Regierung sein wird, – und den COP-26-Gipfel kurz nach der Bundestagswahl. Für die Bundesregierung bedeutet das, dass sie schnell die Weiterentwicklung des CO2-Preissignals auf die Tagesordnung setzen muss. Gleichzeitig muss die Wasserstoffstrategie umgesetzt werden. Hier stellt sich die Frage, welche Rahmenbedingungen nötig sind, damit Unternehmen auch wirklich investieren und eine Wasserstoffwirtschaft vorantreiben. Ein weiteres Thema ist das Marktdesign für Erneuerbare Energien und eine Umgestaltung des Abgaben- und Umlagesystems. Hier werden wir eine umfassende Reform brauchen, die beinhalten sollte: Wer CO2 spart, sollte auch Geld sparen können. Ein weiterer wichtiger – und bisher eindeutig nicht ausreichend belichteter Punkt – ist die Digitalisierung. Hier gilt es, Chancen und Hindernisse für den Klimaschutz zu erkennen und entsprechende Leitlinien zu entwickeln. Digitalisierung bietet uns komplett neue Möglichkeiten, zum Beispiel CO2-Emissionen transparenter zu machen und praktisch in Echtzeit und je nach Zweck flexibel darstellen zu können.
Auf europäischer Ebene spielt auch der Green Deal eine entscheidende Rolle. Wo sollte Brüssel hier Prioritäten setzen?
Der Green Deal ist grundsätzlich zu begrüßen, weil er ein umfassendes Konzept für Transformationen und Investitionen für eine klimaneutrale Gesellschaft darstellt – und auch jeder Sektor einen Beitrag dazu leisten soll. Hier wird die EU-Kommissionen Antworten darauf finden müssen, wie ein effizientes Marktdesign und ein effektives CO2-Preissignal aussehen könnten. Besonders umstritten ist die Frage, wie ein Grenzausgleichsmechanismus ausgestaltet werden sollte im Spannungsfeld zwischen Carbon-Leakage-Schutz und WTO-Kompatibilität. Wenn wir auf die Sektoren selbst schauen, sollte gerade auch den Vorschlägen Priorität eingeräumt werden, aus denen wirtschaftliche Chancen resultieren. Dazu gehört insbesondere der Ausbau der Erneuerbaren durch die Überarbeitung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie und die Überarbeitung des Gasmarkt-Designs angesichts des Themas klimaneutraler Wasserstoff.
Jegliche nächste Schritte werden dabei künftig auch von der Pandemie überschattet. Welches Potential bietet sie für einen Strategiewechsel zu mehr Klimaneutralität?
Was wir in der Pandemie gemerkt haben, ist wie wichtig Innovationen sind. Das was uns aus der Pandemie rausführt, sind Impfstoffe die in herausragender Schnelligkeit neu entwickelt wurden. Das ist etwas, das wir aus der Pandemie für den Kampf gegen den Klimawandel mitnehmen sollten: Der Fokus auf Innovationen als gewichtigen Teil zur Lösung. Gleichzeitig bieten natürlich auch die Konjunkturmaßnahmen eine Chance, um den Grundstein zu legen für Klimaneutralität und nachhaltiges Wachstum – getreu dem Motto „Building back better“. Die UN bescheinigt hier Deutschland und anderen EU-Mitgliedsstaaten hinsichtlich Höhe und Qualität der Maßnahmen eine wichtige Rolle zur klimaverträglichen Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie. Erste wichtige Schritte also, auf einem Weg den wir konsequent weitergehen müssen.

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