Banken, wie wir sie kennen, wird es in zehn Jahren nicht mehr geben. Sie müssen sich neu erfinden, denn gleich vier Faktoren stellen ihre Geschäftsmodelle heute in Frage: Die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz, die anhaltenden Niedrigzinsen, die Regulierung und die Digitalisierung.
Diese Herausforderungen machen Banken zwar nicht überflüssig. Aber sie zwingen die Branche, ihr Selbstverständnis und ihr Geschäftsmodell völlig zu verändern. Geschieht das nicht, dann könnten am Ende ausgerechnet diejenigen Finanzdienstleister an Dominanz gewinnen, die am wenigsten zur Entwicklung der Realwirtschaft beitragen.
Verlorene Akzeptanz
Fast alle Bürger nehmen fast täglich Bankdienstleistungen in Anspruch. Doch die gesellschaftliche Akzeptanz für die Art, wie diese erbracht werden, ist heute so gut wie nicht mehr vorhanden. Das zeigt sich auf vielen Ebenen.
- Während Banken noch vor wenigen Jahren unter Hunderten von Bewerbern für die begehrten Ausbildungsplätze auswählen konnten, finden sie heute nur noch schwer Auszubildende.
- Laut einer repräsentativen GfK-Umfrage sind für 38 Prozent der Verbraucher Kontoführungsgebühren das größte Ärgernis, und nur sieben Prozent halten Bankgebühren für akzeptabel. Durch die Niedrigzinsphase fühlen sich viele Einlagenkunden geradezu enteignet, während Kreditzinsen nach wie vor als zu hoch empfunden werden.
- Die Justiz hält Kreditbearbeitungsgebühren für unzulässig und lässt trotz dreijähriger Verjährungsfrist eine Rückforderung für die letzten zehn Jahre zu. Bei Formfehlern in der Widerrufbelehrung für Baufinanzierungen kann auch noch acht Jahre nach Abschluss eines Kreditvertrages der gesamte Vertrag widerrufen und es können zig Tausende von Zinsen gespart bzw. zurückgefordert werden.
- Die Steuerzahler mussten Milliarden für die Rettung von Banken aufgebringen, die fast ganze Volkswirtschaften ruiniert hatten. Zu viele Banker haben sich selbst die Taschen voll gemacht und dabei getrickst, bestochen und manipuliert. In Europa, USA und anderswo müssen große Banken Milliardensummen für entsprechende Strafprozesse zurückstellen.
Diese Aufzählung lässt sich beliebig fortsetzen und macht überdeutlich: Die gesellschaftliche Akzeptanz des bisherigen Bankgeschäfts ist langfristig gestört, wenn nicht zerstört.
Niedrigstzinsen
Die derzeitige Niedrigstzinsphase hat bereits einen langen Vorlauf. Ihre Ursachen liegen keineswegs nur bei den Notenbanken. Zwar hat die lockere Geldpolitik die Überliquidität an den Finanzmärkten noch verstärkt. Die Notenbanken wären aber heute gar nicht in der Lage, den Zinssatz deutlich nach oben zu treiben.
Die Niedrigzinsen sind das Ergebnis eines dauerhaften Überangebotes von Geld auf den Finanzmärkten, zu dem auch beiträgt, dass die Staaten ihre Neuverschuldung reduzieren wollen. Selbst wenn eine anziehende Konjunktur für eine höhere Investitionstätigkeit sorgen sollte, würde dieses Überangebot nicht nachhaltig abgebaut.
In Bereichen wie Soziales, Kultur, Ökologie, Forschung und Entwicklung gibt es zwar einen enormen Finanzierungsbedarf. Dieser Bedarf wird aber nicht gedeckt. Eine massive Flucht der Anleger in Aktien, Gold, landwirtschaftliche Flächen oder Immobilien wird dagegen nur zu einer Inflation der Preise dieser Vermögensanlagen führen, nicht aber zu einem höheren Zins.
Die Banken müssen sich deshalb langfristig auf ein Null- bzw. Niedrigstzinsniveau für sichere Geldanlagen einstellen. Damit verfallen unweigerlich die Zinsmargen, denn aus einem Niedrigstzins lässt sich keine auskömmliche Marge mehr erzielen. Wenn aber neben den Erträgen aus Gebühren auch die Zinsmarge in Frage steht, dann ist das ursprüngliche Geschäftsmodell von Banken zunehmend gefährdet.
Lähmende Regulierung
Nach der Finanzmarktkrise wurden erheblich schärfere Vorschriften hinsichtlich des Eigenkapitals, der Risikotragfähigkeit, der Liquidität sowie der Einlagensicherung erlassen. Daneben gab es noch eine nicht überschaubare Anzahl weiterer Regulierungen. Dadurch ist heute im Grunde genommen jeder Handgriff in einer Bank vorgeschrieben.
Das fängt bei der Werbung an, geht über genaue Vorschriften zur Ausgestaltung von Prospekten, den Inhalt und die Dokumentation von Beratungsgesprächen, weiter über Vertragsinhalte, Schulung und Registrierung von Mitarbeitern, Überprüfung von Kundenart, Dokumentation und Höhe von Bewertungen von Sicherheiten, Art der Berechnung von Risiken, exakt vorgeschriebene Risikomodelle – nicht nur für das Kredit- und Investmentgeschäft, sondern auch für plötzliche Zinsänderungen, Image-oder IT-Probleme – Stressszenarien usw., bis hin zu genauen Vorschriften, wie Vorstand und Aufsichtsrat Strategien erstellen und überarbeiten müssen.
All dies zeigt, dass Gesellschaft, Politik und Aufsicht den Banken zutiefst misstrauen und davon ausgehen, dass Banker prinzipiell missbräuchlich, bestenfalls amoralisch handeln. Dieses Misstrauen führt auf der Verbraucherschutzseite dazu, dass viele der bisher erhobenen Bankgebühren entweder ganz verboten werden oder künftig entfallen müssen, weil ihre Erhebung mit zu großen langfristigen Rechtsunsicherheiten verbunden ist.
Die exakten Vorschriften über die Art und Weise, wie Strategie, Prozesse und Beratung zu handhaben sind, sollen sicherstellen, dass Verbraucher und Volkswirtschaften nicht länger geschädigt werden. Damit werden aber auch notwendige unternehmerische Freiräume nur noch als Gesetzeslücken angesehen und in der Regel geschlossen. Vertrauen zwischen Verbrauchern und Banken kann so nicht zurückgewonnen werden.
Im Gegenteil: Die Regulierung erschwert sowohl die Entwicklung einer neuen, an sozialen und ökologischen Werten orientierten Bankarbeit als auch selbstorganisierte Finanzierungsformen der Zivilgesellschaft. So würde das geplante Kleinanlegerschutzgesetz Bürgerbeteiligungen an sozialen und ökologischen Vorhaben deutlich einschränken oder fallweise unmöglich machen.
Nachdem die letzte Finanzmarktkrise insbesondere durch Unverantwortlichkeit in der Finanzwirtschaft verursacht wurde, steht zu befürchten, dass eine Überregulierung eine nächste Krise mit auslöst.
Digitalisierung - Chance und Gefahr
Die Digitalisierung stellt die Banken vor besondere Herausforderungen, bietet aber auch erhebliche Chancen. Während es etwa in der Lebensmittel- oder Automobil-Branche nur um die Prozesse bei der Herstellung oder im Vertrieb geht, kann der Gegenstand der Banken selbst digitalisiert werden: das Geld. Die Bargeldversorgung wird zunehmend als logistische Aufgabe außerhalb von Banken organisiert. Ansonsten sind Bankgeschäfte weitgehend digitalisierbar.
Dies wird anhand von Neuentwicklungen so genannter FinTechs im Zahlungsverkehr (Paypal, Google-Pay usw.) und beim Aufbau von Plattformsystemen (Crowdfinancing u.a.) deutlich. Entsprechende IT-Infrastrukturen erfordern zwar erhebliche Investitionskosten, bieten dann aber die Möglichkeit, zu fast null Grenzkosten eine Vielzahl an Transaktionen abzuwickeln.
Ferner wird die frühere Kundennähe durch umfangreiche Kundendaten ersetzt, die sehr individualisierte Angebote möglich machen. Die in der Kundenbeziehung erfassten Daten werden von den FinTechs oder auch in Payback-Systemen produktbezogen gesammelt, aber kundenbezogen ausgewertet. Auf Basis der daraus entwickelten Kunden-, Trend-und Bedürfnisprofile lassen sich individuell zugeschnittene Produkt-und Beratungsangebote generieren. Die IT-Systeme der Banken sind davon noch weit entfernt, denn sie sind auf produktbezogene Auswertungen ausgerichtet.
Die Digitalisierung könnte eine Chance für die Banken sein. Aufgrund der derzeitigen Strukturen und der Regulierung stellt sie aber eher eine Bedrohung dar. Die wesentlichen Innovationen finden bislang weitgehend außerhalb des Bankenbereichs statt.
Fazit
Selbst wenn sich nur zwei der vorgenannten vier Punkte in die geschilderte Richtung entwickeln, stehen die derzeitigen Geschäftsmodelle in Frage. Dies trifft insbesondere auf das klassische Bankmodell zu, das sich im Wesentlichen durch Zinsmarge und Provision finanziert, dafür dem Kunden alle Bankleistungen zur Verfügung stellt und so eine unverzichtbare Basis für die Realwirtschaft darstellt.
Am überlebensfähigsten könnte ausgerechnet derjenige Teil der Finanzwirtschaft sein, der nicht der Realwirtschaft dient - etwa der Hochfrequenzhandel und Teile des Investmentbanking, Hedgefonds, usw. Diese Geschäftsfelder werden durch die vier genannten Herausforderungen kaum tangiert: Sie sind unabhängig von der gesellschaftlichen Akzeptanz, nicht an Standorte gebunden und daher sehr schwer zu regulieren, gerade bei einem Nullzinsniveau attraktiv und schon heute weitgehend digitalisiert.
Die Gefahr besteht, dass ausgerechnet die Dominanz derjenigen Finanzdienstleister weiter zunehmen wird, die nicht der Realwirtschaft nicht dienen, sondern diese sogar fundamental gefährden.
Thomas Jorberg ist Vorstandssprecher der Gemeinschaftsbank Leihen und Schenken (GLS) in Bochum. Die GLS wurde 1974 als Genossenschaftsbank gegründet und versteht sich als weltweit erste Bank für sozial-ökologische Geldanlagen und zur Finanzierung nachhaltiger Unternehmen und Projekte. Sie hat heute knapp 200.000 Kunden.