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Exklusiv Dank Spahn-Aufträgen: EY überholt Big-Four-Rivalen

Im Jahr der Wirecard-Pleite ist EY zum führenden Regierungsberater unter den Big-Four-Konzernen aufgestiegen
Im Jahr der Wirecard-Pleite ist EY zum führenden Regierungsberater unter den Big-Four-Konzernen aufgestiegen
© Arnulf Hettrich / IMAGO
Die Bundesregierung hat zuletzt für 60 Mio. Euro Beratung bei den vier großen Prüf- und Beratungsriesen eingekauft. Erstmals ging der größte Brocken bei den Bundesaufträgen an EY – trotz der unrühmlichen Rolle der Prüfer im Wirecard-Skandal

Trotz heftiger Kritik an ihrer Rolle im Wirecard-Skandal ist die Prüf- und Beratungsfirma EY erstmals zum größten Auftragnehmer des Bundes unter den Big-Four-Beratungskonzernen aufgestiegen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung an die Linksfraktion im Bundestag hervor, die Capital vorliegt. Demnach bezahlte der Bund von Januar 2020 bis April 2021 insgesamt 28,4 Mio. Euro an Beratungshonoraren an EY. Das entspricht fast der Hälfte seiner gesamten Beratungsausgaben an die vier globalen Prüf- und Beratungsriesen, die sich im selben Zeitraum auf 60,5 Mio. Euro summierten. Dabei flossen 15,4 Mio. Euro an KPMG, 15 Mio. Euro an PwC und knapp 1,7 Mio. Euro an Deloitte.

Den Aufstieg zum führenden Berater des Bundes unter den Big Four verdankt EY den Aufträgen des Gesundheitsministeriums im Zusammenhang mit der Beschaffung von Schutzmasken. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die Firma im April 2020 zunächst ohne Ausschreibung eingeschaltet, um den chaotischen Maskeneinkauf in den Griff zu bekommen. Später gingen auch lukrative Folgeaufträge an EY. Insgesamt beläuft sich das abgeschlossene Vertragsvolumen für die Unterstützung beim Maskeneinkauf auf rund 37 Mio. Euro. Der aktuelle Vertrag läuft noch bis Herbst dieses Jahres.

Laut der aktuellen Regierungsantwort überwies das Gesundheitsressort von Januar 2020 bis April dieses Jahres bereits 24,4 Mio. Euro an EY. Jeweils 1,4 Mio. Euro erhielt EY darüber hinaus für Aufträge des Entwicklungs- und des Umweltministeriums, eine knappe Million vom Wirtschaftsressort. Insgesamt ging der Großteil des Auftragsvolumens des Bundes an die Big-Four-Unternehmen im genannten Zeitraum auf drei Ministerien zurück: Gesundheit (24,4 Mio. Euro), Finanzen (13,1 Mio. Euro) und Inneres (11,1 Mio. Euro). Bei den beiden letztgenannten Ressorts war KPMG der wichtigste Auftragnehmer.

EY erstmals Nummer eins

Nach früheren Angaben der Bundesregierung hatten in den vergangenen Jahren stets die Big-Four-Konkurrenten von EY die Nase bei den Aufträgen des Bundes vorne. 2016, 2017 und 2019 flossen jeweils die höchsten Beträge an PwC, 2018 war Deloitte beim Auftragsvolumen die Nummer eins. Im Rekordjahr 2018 hatte der Bund insgesamt 180 Mio. Euro an die vier Konzerne überwiesen. 2019 waren es 42 Mio. Euro.

EY hatte das Geschäft mit dem öffentlichen Sektor zuletzt deutlich ausgebaut. Nach dem Auffliegen des Bilanzskandals bei dem Zahlungsdienstleister Wirecard war die Prüffirma aber auch aus der Politik massiv unter Feuer geraten. Prüfer von EY hatten dem Skandalkonzern jahrelang einwandfreie Bilanzen attestiert. Abgeordnete bemängelten zudem eine unzureichende Mitwirkung von EY bei der Aufklärung. Manch einer von ihnen hatte sogar damit gedroht, die Firma von künftigen Staatsaufträgen auszuschließen.

Allerdings ist dies keine Entscheidung des Parlaments. In ihrer Antwort an die Linksfraktion verwies die Bundesregierung darauf, dass über den Ausschluss bei öffentlichen Aufträgen die jeweilige Vergabestelle anhand gesetzlicher Regelungen entscheide. Ein Ausschlussgrund liege beispielsweise vor, wenn ein Unternehmen „nachweislich“ eine schwere Verfehlung begangen habe, die seine Integrität insgesamt infrage stelle. Bei der Entscheidung über einen möglichen Eignungsmangel sollten grundsätzlich auch öffentlich verfügbare Erkenntnisse über einen Bewerber einfließen, etwa auch aus einem Untersuchungsausschuss. Im Fall Wirecard hatte ein vom Ausschuss eingesetzter Sonderermittler schwere Versäumnisse der EY-Prüfer festgestellt. Derzeit streiten der Ausschuss und EY vor dem Bundesgerichtshof darüber, ob die Berichte des Sonderermittlers vollständig veröffentlicht werden dürfen.

Kurz nach der Insolvenz des Finanzkonzerns im Sommer 2020 hatten das Verkehrs- und das Innenministerium in zwei Fällen bei EY abgeklärt, ob bei möglichen Aufträgen auch Mitarbeiter eingesetzt werden würden, die zuvor mit Wirecard befasst waren und nun im Fokus einer Untersuchung durch die Wirtschaftsprüfer-Aufsichtsbehörde APAS stehen – was EY verneinte. Im Prüfgeschäft hatte der Wirecard-Skandal dagegen schon Folgen bei Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist: Die Commerzbank, die Staatsbank KfW und die Telekom haben sich von EY als Abschlussprüfer getrennt.

Gefahr von Interessenkonflikten

Scharfe Kritik an den Beratungsausgaben der Bundesregierung für die Big-Four-Konzerne äußerte Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi. „Wie der Bundesrechnungshof habe ich erhebliche Zweifel an der Wirtschaftlichkeit“, sagt er. „Unsere Ministerien und Behörden müssen sich aus dieser Abhängigkeit von Beraterarmeen lösen, die sich häufig ihre eigenen Jobs erfinden und eigene Fähigkeiten aufbauen.“ Insbesondere wenn die Berater an der Erarbeitung von Gesetzen mitwirkten, seien Interessenkonflikte erheblich. „Es darf zum Beispiel nicht sein, dass die Big-Four-Unternehmen, die Steuertricks für Konzerne erfinden, zugleich auch an Steuergesetzen mitwirken“, sagte De Masi.

Ein wichtiges Beratungsmandat im Zuge der Corona-Krise vergab der Bund vergangenes Jahr an PwC – nach früheren Angaben mit einem Volumen von 1,8 Mio. Euro. Als langjähriger Mandatar des Bundes unterstützt der Beratungsriese die Bundesregierung auch beim Rettungsfonds WSF , der wegen der Pandemie in Not geratene Großunternehmen wie die Lufthansa und TUI mit Milliardenhilfen stützt. Experten von PwC sind für den WSF für die Prüfung sämtlicher Anträge sowie Risikoanalysen interessierter Unternehmen zuständig, etwa was die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle angeht.

Potenziell kann es in dieser Rolle zu Interessenkonflikten kommen, wenn Konzerne Hilfen beim WSF beantragen, bei denen PwC auch als Berater engagiert war oder noch ist. In solchen Fällen würde sich die Beratungsfirma für befangen erklären und heraushalten, versichert die Bundesregierung. Ein solcher Fall sei bisher allerdings noch nicht vorgekommen – auch nicht bei der Lufthansa-Rettung im vergangenen Sommer. Allerdings waren nach Informationen von Capital aus Branchenkreisen im Zusammenhang mit dem Einstieg des Bundes auch Berater von PwC bei der Airline aktiv.

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