Chinas Aktienmärkte fallen und fallen. In der letzten Woche stürzte der Index CSI 300, das gemeinsame Kursbarometer der beiden Börsen in Shanghai und Shenzhen, auf den tiefsten Stand seit sechs Jahren. Einige nichtsahnende Aktienexperten in Deutschland raten auf diesem Niveau zum Einstieg, weil die „Kraft des Drachen“ nicht gebrochen sei.
In Wahrheit aber sieht man in der chinesischen Realwirtschaft keine Anzeichen für eine Bodenbildung. Allein in der vergangenen Woche kamen viele einzelne besorgniserregende Nachrichten aus der Volksrepublik, die sich zu einem weiterhin sehr gefährlichen Gesamtbild verdichten.
Konsum und Immobilien in der Krise
Die chinesischen Importe springen nicht an, weil die Konsumnachfrage im Lande weiter sehr schwach bleibt. Gleichzeitig überschwemmt Chinas Industrie die Welt mit Exportwaren, mit denen die Hersteller aber kein Geld verdienen. Die privaten Investoren aus dem In- und Ausland halten sich mit neuen Projekten so stark zurück wie noch nie in den vergangenen 20 Jahren. Nur einige wenige deutsche Konzerne wie VW und BASF stemmen sich noch gegen den Trend. Aber gerade für sie wird es immer schwieriger, in China gute Geschäfte zu machen. Ihre Marktanteile sinken, weil die Regierungspolitik die heimische Industrie immer stärker bevorzugt. Die Europäische Handelskammer in Beijing spricht in ihrer neusten Analyse zu Recht von einem „Wendepunkt“ für ausländische Konzerne.
Die verheerende Immobilienkrise, die Chinas gesamte Wirtschaft nach unten zieht, schwelt weiter. Sie ist die wichtigste Ursache für den starken Deflationsdruck in der Volksrepublik. Wer sein Spargeld in den Kauf einer Wohnung gesteckt hat, die nun entweder nicht gebaut wird oder die man nur zu einem viel niedrigeren Preis weiterverkaufen könnte, der hält sein Geld erst einmal zusammen. Viele Millionen Chinesen tun genau das – und sie werden es weiter tun.
China verdrängt das, was es erst erfolgreich gemacht hat
Seit Monaten redet der Alleinherrscher Xi Jinping über Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft. Doch die meisten kratzen nur an der Oberfläche der Probleme. Und einige werden sich schon bald als völlig kontraproduktiv erweisen. Xi will „neue Produktivkräfte“ entfesseln und steckt viele Milliarden Euro in die Halbleiterfertigung, in Softwareprojekte und andere High-Tech-Industrien. Und weil die Provinzen leicht an staatliche Kredite kommen, wenn sie entsprechende Fabriken bauen, tobt vor Ort nun der Wettkampf, ganz vorn mit dabei zu sein. Die Folge: Viele nicht zu Ende durchdachte Projekte, die sich schon bald in Investitionsruinen verwandeln dürften. Genauso wie in den letzten Jahre die vielen Vorstadtwohntürme, die ohne Sinn und Verstand quer durch China in den Sand gesetzt wurden und die nun leer stehen und verwittern.
Der Staat verdrängt in diesen Monaten das, was China in den vergangenen 20 Jahren erst erfolgreich gemacht hat: die private Unternehmerinitiative seiner Bürger. Die Zahl der Startups und Neugründungen fällt und fällt – vor allem im High-Tech-Bereich. Nur noch die großen halbstaatlichen und staatlichen Konzerne wie Huawei tragen das Wachstum. Ihnen stehen Kredite ohne Ende zur Verfügung, wenn sie sich an die Befehle Xi Jinpings halten. Doch ob sie wirklich profitabel sind, das wissen wir nicht. Huawei scheut bis heute einen Börsengang und gibt nur rudimentäre Einblicke in seine Geschäftszahlen.