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Italien Berlusconis Erbe: Was wird aus der Forza Italia?

Nach seinem Tod im Juni hinterlässt Silvio Berlusconi eine große Lücke in seiner früheren Partei Forza Italia
Nach seinem Tod im Juni hinterlässt Silvio Berlusconi eine große Lücke in seiner früheren Partei Forza Italia
© IMAGO / Independent Photo Agency Int.
In Silvio Berlusconis Fußstapfen zu treten, scheint unmöglich. Die Partei müsste sich erneuern, denn die Umfragewerte sind im Keller. Doch ob der neue Parteichef Antonio Tajani der Richtige dafür ist, ist fraglich

Dieser Artikel liegt Capital.de im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 22. September 2023.

Das Erbe von Silvio Berlusconi ist verteilt. Die fünf Kinder des italienischen Ex-Ministerpräsidenten haben mit ihrer Unterschrift Anfang der Woche zumindest den wirtschaftlichen Nachlass des Cavaliere geklärt. Auf fünf Milliarden Euro soll sich dieser laut der Zeitung „Il Sole 24 ore“ beziffern; neben Unternehmensanteilen und Investments in Immobilien soll es sich vor allem um Kunst, Wertpapiere und Bargeld handeln.

Doch was wird aus der politischen Hinterlassenschaft Berlusconis? Was wird aus seiner Partei Forza Italia? Die ist am Tag nach der Erbregelung in den Umfragen mal wieder auf einem Tiefpunkt angelangt: Sie steht aktuell bei 6,4 Prozent. Vor wenigen Tagen hatte sich die Jugendorganisation der Partei zu ihrer Versammlung in Gaeta getroffen. Viele trugen T-Shirts mit dem Konterfei Berlusconis darauf. Mit dabei auch der neue Parteichef: Antonio Tajani. Der 70-Jährige führt die Forza Italia bis zum offiziellen Parteitag Ende Februar 2024 an, wenige Wochen vor den Europawahlen im Juni.

Dass die Fußstapfen Berlusconis eigentlich zu groß sind, als dass sie irgendjemand füllen könnte, zeigt allein der Blick auf das Amt Tajanis. Er ist „Segretario“ der Forza Italia und nicht mehr „Presidente“. Denn: „Es konnte nur einen Präsidenten geben“, wie Tajani beim Sonderparteitag am 15. Juli sagte, als er einstimmig zum Interims-Nachfolger des verstorbenen Parteivaters gewählt wurde.

Neues Parteiprofil 30 Jahre nach Gründung

Bis zum Parteitag und zu den Europawahlen hat Tajani nun also nur ein paar Monate Zeit, um der Forza Italia nach dem Tod ihres Gründers wieder ein Profil zu geben. Quasi zum 30. Geburtstag der Partei, denn der Medienunternehmer Berlusconi hatte die Forza Italia Anfang 1994 gegründet. Vordergründig, um „Italien vor den Kommunisten zu retten“. Hintergründig, um sein Imperium weiter zu vergrößern und unliebsame Gesetze aus dem Weg zu räumen. Kurz zuvor waren in Italien die beiden Volksparteien Democrazia Cristiana und Partito Socialista Italiana nach weitreichenden Korruptionsskandalen von der Bildfläche verschwunden.

Berlusconi verfügte über die finanziellen Mittel und die medialen Wege, um das entstandene Macht-Vakuum in Rom zu füllen. Aus dem Stand wurde er 1994 zum ersten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt. Viermal war Berlusconi zwischen 1994 und 2011 Regierungschef Italiens. Doch schon lange vor seinem Tod am 12. Juni dieses Jahres ging es mit der Forza Italia bergab.

In die aktuelle Regierung ist die Forza Italia noch unter ihrem Allzeit-Presidente eingetreten – allerdings als schwächste Kraft der drei Koalitionsparteien. Berlusconis Partei war bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im September letzten Jahres nur noch auf 8,1 Prozent der Stimmen gekommen. Kurz nach dem Tod des Parteichefs stieg die Zustimmung – wohl aus nostalgischer Loyalität – kurzzeitig auf 9,5 Prozent. Um danach auf die jetzigen 6,4 Prozent abzustürzen.

Tajani steht für Fortführung des Berlusconismus

Der Interims-Parteichef Tajani war auf dem Sonderparteitag der einzige Kandidat – und für die Partei auch momentan die einzige Möglichkeit. Er steht für eine Fortführung des politischen Erbes Berlusconis, war von Gründung an Teil der Forza Italia und immer loyal an der Seite des Cavaliere. In dessen erstem Kabinett war er Regierungssprecher.

Später verbrachte Tajani die meiste Zeit seiner Politikerkarriere in Brüssel und Straßburg – was ihm und seiner Partei nun in Rom zum Vorteil werden könnte. Als ehemaliger Europaabgeordneter (1994 bis 2008 und 2014 bis 2022), EU-Kommissar (2008 bis 2010 für Verkehr, 2010 bis 2014 für Industrie) und Präsident des Europaparlaments (2017 bis 2019) kennt er sich in Europa aus, ist bestens vernetzt und genießt einen gewissen politischen Respekt. Inzwischen ist er Außenminister im Kabinett von Giorgia Meloni.

Sowohl in Europa als auch zu Hause braucht Meloni ihren schwachen Koalitionspartner mehr denn je. Während Lega-Chef Matteo Salvini auf EU-Ebene bereits mit den extrem Rechten von Frankreichs Marine Le Pen und der deutschen AfD anbandelt, ist Melonis Wunschpartner in der EU der Christdemokrat Manfred Weber und seine EVP. Tajani ist Vizepräsident der Fraktion. Und in Italien hängt am Fortbestand der Forza Italia quasi der Fortbestand der Regierung: Zerbricht die Partei und suchen sich die 63 Abgeordneten und Senatoren eine neue politische Heimat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich manche von ihnen in Richtung Matteo Renzi orientieren. Der bastelt gerade an seinem Traum einer echten Mitte-Partei.

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Den Wählern dürften diese taktischen Überlegungen egal sein. Eine zu starke Nähe zu Meloni oder Salvini könnte die Forza Italia zu nah nach rechts bringen – und so ebenfalls den Weg für Renzis Projekt ebnen. Außer der inhaltlichen und personellen Aufstellung dürften auch die Finanzen der Partei über ihr politisches Überleben entscheiden. Berlusconi war schließlich ein reicher Mann. Von fast 100 Millionen Euro Schulden der Partei hatte Berlusconi für 90 Millionen Euro gebürgt. Bisher ließen seine Kinder nichts darüber verlauten, dass sie diese Unterstützung entziehen wollen. Es könnte aber noch kommen.

Bei den Wählern konnte Berlusconi vor allem mit seiner Persönlichkeit, seinem Charisma und seiner nihilistischen Haltung punkten. Er konnte im Grunde sagen und tun, was er wollte – man verzieh es ihm. Die Ausstrahlung des 70-jährigen Tajani ist dagegen eher einschläfernd. Bei Parteiveranstaltungen der Forza Italia wurde regelmäßig die Hymne „meno male che Silvio c’è“ („ein Glück gibt es Silvio!“) gespielt. Dass jemals inbrünstig eine Hymne mit Tajanis Namen angestimmt wird – undenkbar.

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