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Bernd Ziesemer Ein Hoffnungsschimmer über dem Bayer-Kreuz

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Ein Gerichtsurteil in den amerikanischen Glyphosat-Prozessen bringt ein Quäntchen Optimismus für den Konzern. Doch noch ist nichts gewonnen

Der Kurs der gebeutelten Bayer-Aktie, die in den vergangenen fünf Jahren die Hälfte ihres Werts verloren hat, vollführte in der letzten Woche eine Art Freudensprung. Ein Sieg in den vielen amerikanischen Glyphosat-Prozessen reichte aus, um sie gleich acht Prozent nach oben zu katapultieren. Dabei geht es gar nicht um das Urteil an sich, sondern um die aufkeimende Hoffnung auf eine höchstrichterliche Entscheidung in den USA. Weil es im jüngsten Verfahren um die Grundsatzfrage ging, ob Bundesrecht die unterschiedlichen Bestimmungen der US-Bundesstaaten bricht, könnte sich nun der Oberste Gerichtshof einschalten. Bisher waren alle versuchen der Bayer-Anwälte gescheitert, eine solche Entscheidung zu erzwingen.

Doch der Weg zu einer Beendigung der Prozessflut bleibt lang. Erst einmal muss der Oberste Gericht den Antrag überhaupt annehmen. Danach stellt sich die Frage, ob der Supreme Court eine Entscheidung in der Sache selbst trifft oder sie an die nachgeordneten Gerichte zurückverweist. Und selbst wenn all das gut für Bayer läuft, wären damit noch lange nicht alle Hebel beseitigt, weitere Glyphosat-Fälle vor die Gerichte zu bringen. Sehr viel mehr als einen Hoffnungsschimmer erzeugt das neue Urteil nicht. Dass die Aktie trotzdem so positiv reagierte, kann man nur mit den vagen Hoffnungen von Anlegern erklären, die nach jedem Strohhalm greifen.

Glyphosat-Prozesse bremsen den gesamten Bayer-Konzern

Klar ist: Ohne ein Ende der Prozessflut kommt Bayer nicht wieder auf die Beine. Klar ist aber auch: Die Lösung des großen Glyphosat-Problems ist eine notwendige, aber keineswegs eine allein hinreichende Bedingung für die nachhaltige Gesundung des Konzerns. Im Schatten der Glyphosat-Prozesse, die inzwischen viele Milliarden Euro verschlungen haben, stauen sich viele andere Probleme bei Bayer auf. Viele notwendige Zukunftsinvestitionen sind in den letzten Jahren ausgeblieben, viele Entscheidungen des Managements auf die lange Bank geschoben worden.

Die Zahlen, die Bayer Anfang August in Leverkusen präsentierte, sprechen eine eindeutige Sprache. Der Konzern schiebt nach wie vor einen Schuldenberg von rund 33 Milliarden Euro vor sich her. Der Umsatz des Konzerns stagniert in allen drei Sparten oder wächst nur verhalten. Und die Gewinnmargen sind zuletzt wieder gefallen. Immerhin verbrennt Bayer keine Barmittel mehr: Der sogenannte Free Cash Flow dürfte in diesem Jahr endlich wieder positiv ausfallen, wenn nicht noch etwas völlig Unerwartetes dazwischen kommt.

Der neue Bayer-Chef Bill Anderson hat im ersten Jahr seiner Amtszeit zwar viel angekündigt und auch ein paar wichtige Dinge in der überbürokratisierten Struktur des Konzerns verändert. Von einem großen Wurf aber kann man bisher nicht sprechen. Den Rufen nach einer radikalen Aufspaltung des Unternehmens hat sich der Amerikaner widersetzt. Vielleicht kommt noch etwas – aber wohl erst, wenn die Prozessflut in den USA tatsächlich gestoppt wird. Aber das kann eben noch eine ganze Weile dauern.

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