Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn berät am Mittwoch über das Sanierungsprogramm mit dem Namen „S3“, mit dem die Bahn in die Erfolgsspur zurückkehren will. Die Aufgaben sind gewaltig, im ersten Halbjahr erwirtschaftete die Bahn einen Verlust von 1,2 Mrd. Euro nach Zinsen und Ertragssteuern. Sie muss nun rasch gegensteuern und das auf allen Problemfeldern gleichzeitig.
Die Problemfelder der Bahn
Das Schienennetz der Deutschen Bahn gilt als veraltet und daher als störungsanfällig. Die Sanierung und Instandhaltung der insgesamt 33.400 Schienenkilometer ist eine Mammutaufgabe. 45 Mrd. Euro zusätzlich hatte die Ampelkoalition der Bahn für die laufende Legislaturperiode versprochen, doch nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts klafft eine erhebliche Finanzierungslücke. Ungeachtet der Finanzprobleme hat die Bahn mit der Generalsanierung einer 70 Kilometer langen Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim begonnen (Foto). Die vielbefahrene Riedbahn wird dazu für Monate vollgesperrt. Das soll das Modell für die Zukunft sein: Im kommenden Jahr ist die Strecke zwischen Berlin und Hamburg dran. Bis 2030 sollen auf diese Weise 40 Streckenabschnitte modernisiert werden.
Sanierung und Digitalisierung standen bis vor kurzem noch gleichrangig auf dem Aufgabenzettel der Bahn. Mit dem Programm „Digitale Schiene Deutschland“ sollte eigentlich das gesamte Schienennetz auf digitale Technik umgestellt werden. Vor allem die Digitalisierung der Stellwerke hatte sich der Konzern auf die Fahnen geschrieben. Zusätzlich gehörte der Ausbau des digitalen europäischen Zugsicherungssystems (ETCS) zu dem Programm. Leistungsfähiger und pünktlicher sollte die Bahn dadurch werden. Doch nun nimmt das Unternehmen Abstand von den ursprünglichen Plänen: Statt mit digitaler Technik sollen Stellwerke nun mit elektronischer Technik aufgerüstet werden. Die Bahn argumentiert, dass sie modernste Technik zum Einsatz bringe, digitale Stellwerke würden voraussichtlich erst Ende des Jahrzehnts zugelassen.
Auch viele Bahnhöfe in Deutschland sind in einem beklagenswerten Zustand und müssen saniert werden. Im vergangenen Jahr kündigte die Bahn an, rund 1800 der 5400 Bahnhöfe bis 2030 instand zu setzen. Allein an der Riedbahn-Strecke sind 40 Bahnhöfe betroffen. Verantwortlich für die Arbeiten ist die Bahntochter Infrago, die aus den Teilgesellschaften DB Netz und DB Station und Service hervorgegangen. Damit soll gewährleistet werden, dass die Bundesmittel für die Sanierung in die Infrastruktur fließen und nicht in den Fahrbetrieb.
Ein Dauerärgernis für Bahnkunden sind die Verspätungen und Zugausfälle im Fern- und Nahverkehr. Im August kamen lediglich 60,6 Prozent aller ICE- und IC-Züge ohne größere Verzögerung an ihrem Zielort an. Das war immerhin etwas besser als im Juni, als nur gut die Hälfte der Fernzüge pünktlich war. Die Bahn macht das marode Schienennetz und die Bauarbeiten für die Verzögerungen verantwortlich. Nach der Sanierung der Strecken soll dann alles besser werden, versprechen der Bahn-Vorstand und Verkehrsminister Volker Wissing. Doch alle Probleme werden damit nicht abgestellt: So hapert es häufig auch an der pünktlichen Bereitstellung der Züge und am Mangel an Ersatzzügen.
Defekte Klimaanlagen und gesperrte Toiletten sollen bald der Vergangenheit angehören. Die Bahn sieht sich bei der Modernisierung ihrer Fernzugflotte im Plan. Allerdings gibt es Probleme beim Hersteller Siemens Mobility: Im Juni stoppte das Unternehmen wegen Mängeln an Schweißnähten die Auslieferung von ICEs vom Typ 3neo. 90 Züge dieses Typs hat die Bahn bestellt, aber bisher nur 21 erhalten. Schon früher hat es beim Typ ICE 4 solche Probleme gegeben, immerhin hat der Konzern den letzten der 137 bestellten Züge in Empfang genommen.
Die Konzernsparte DB Cargo gehört zu den größten Sorgenkindern der Bahn. Seit Jahren produziert die Güterbahn Verluste und verliert Marktanteile. Im ersten Halbjah 2024 fuhr die Frachtsparte einen Betriebsverlust von rund 250 Mio. Euro ein. Die Konkurrenten von DB Cargo verfügen mittlerweile zusammen über mehr Marktanteile als die Sparte des Staatsunternehmens. Erschwert wird die Lage durch ein EU-Beihilfeverfahren, das wohl im Herbst zum Abschluss kommt. Demnach darf der Mutterkonzern die Verluste der Güterbahn nicht mehr ausgleichen. Aus der Politik kommen bereits Stimmen, die einen Verkauf der Güterverkehrssparte fordern.
Ein Schuldenberg von 30 Mrd. Euro lastet auf der Deutschen Bahn. Die Verbindlichkeiten müssen dringend abgebaut werden, damit sich der Konzern wieder finanziellen Spielraum verschaffen kann. Die 14 Mrd. Euro aus dem Verkauf der Logistiktochter Schenker sind daher auch für den Schuldenabbau vorgesehen. Auch durch den Abbau von 30.000 Stellen – in erster Linie in der Verwaltung – soll Geld gespart werden. Bahnchef Richard Lutz will innerhalb von drei Jahren wieder schwarze Zahlen vorlegen, diese Frist hat ihm auch Verkehrsminister Wissing gesetzt.