Cut out the middleman: Es ist die klassische Methode, mit der digitale Angreifer Märkte für sich erobern können. Perfektioniert wurde der Ansatz in den letzten Jahren von sogenannten Direct-to-Consumer-Brands (D2C) oder Direktmarken: Vermeintlich profane Produkte wie Matratzen, Sonnenbrillen, Rasierklingen oder Koffer werden am Handel vorbei direkt übers Netz vertrieben. Das erlaubt günstigere Preise, sichert den Anbietern einen größeren Teil der Marge und gibt ihnen volle Kontrolle über die Präsentation der Marke. Und es funktioniert nur, wenn es ihnen gelingt, eine echte Lovebrand aufzubauen.
Die erste Generation der Direktmarken startete schon Ende der 2000er, als Warby Parker begann, hochwertige Brillen online zu verkaufen. Jeff Raider, einer der Warby-Parker-Gründer, startete wenig später den Rasierklingenspezialisten Harry’s, der sich eine eigene Fabrik in Deutschland zulegte und gerade für 1,4 Mrd. Dollar an einen etablierten Konkurrenten verkauft wurde .
Zwischendurch verlor der Markt an Schwung, es sah so aus, als ob so gut wie alle Kategorien von findigen Gründern abgegrast worden seien. Doch seit einiger Zeit kann wieder Hoffnung geschöpft werden: Eine neue, zweite Generation von Direktmarken erobert das Netz. Sie haben einen wichtigen Teil des D2C-Geschäfts noch einmal neu erfunden: Ihre Kunden finden sie kaum noch über Online-Werbung, sondern fast nur noch über Social Media. Es sind Instagram-Brands. Sie arbeiten mit Influencern, die sie emotional aufladen und viral verbreiten. Die Kundengewinnung ist damit für sie noch einmal günstiger als für die Direktmarken der ersten Generation.
Vor allem vier US-Marken gehören zu dieser neuen Welle:
- Allbirds, dessen Turnschuhe aus Merinowolle der letzte Schrei im Silicon Valley sind. Seit Oktober wird das Start-up mit 1,4 Mrd. Dollar bewertet
- die Kosmetikmarke Glossier, die im März 100 Mio. Dollar vom legendären VC Sequoia bekam und nun 1,2 Mrd. Dollar wert ist
- Rothy’s, Anbieter von Ballerina-Schuhen aus recyceltem Plastik, spätestens gehypt, seit Meghan Markle in einem Paar gesichtet wurde. Goldman Sachs hat im Dezember in das 2016 gestartete Unternehmen investiert
- und die Koffermarke Away, ebenfalls gerade einmal drei Jahre alt, deren einfach gehaltene und stilvolle Reiseaccessoires viele Stars zu seinen Fans zählt
Away hat den vielleicht steilsten Aufstieg der Kohorte hingelegt. 12 Mio. Dollar setzte das Start-up in den ersten zwölf Monaten um, 2018 waren es schon 150 Mio., 2019 sollen es mindestens doppelt so viel werden.
Auch die beiden Away-Gründerinnen Jen Rubio und Steph Korey haben sich bei Warby Parker kennen gelernt. „Business Punk“ erklärte Rubio unlängst : „Bei Away sollte es um die gesamte Erfahrung des Reisens gehen und darum, was das mit einem macht.“ Vor Away habe niemand über seine Koffer gesprochen. „Aber wir haben es geschafft, dass die Leute ihr Gepäck wirklich lieben.“
In seiner Serie-D-Finanzierungsrunde bekommt das New Yorker Start-up nun noch einmal Geld. 100 Mio. Dollar werden von Wellington Management, Baillie Gifford, Lone Pine Capital und Global Founders Capital (GFC) investiert. Die Geldgeber setzen dabei eine Bewertung von 1,4 Mrd. Dollar an.
Besonders für GFC ist das ein großer Erfolg: Die Investmentfirma der Berliner Firmenfabrik Rocket Internet hat die letzten drei Finanzierungsrunden in Away angeführt. Es ist selten, dass Investoren aus Deutschland bei US-Start-ups so präsent sind und an derart vielversprechende Deals kommen.
„Away zeigt, dass Direktmarken deutlich größer sein können als bisher angenommen wurde“, erklärt GFC-Partner Ludwig Ensthaler. Er glaubt, dass einige Vertreter der zweiten Direktmarken-Welle schon bald an die Börse gehen könnten. „Innerhalb der nächsten 18 Monate könnten wir aus dieser Kohorte zwei bis drei IPOs sehen. Vom Setup her wären aber die meisten wohl schon jetzt börsenfähig – viele sind profitabel, das dürfte von der Börse gut aufgenommen werden.“ Erst recht in einer Ära, in der riesige Tech-Unternehmen aufs Parkett drängen, die von schwarzen Zahlen weit entfernt sind .